Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Ansiedlungen (Posen und Westpreußen) 
  
rechnungswert“ entsprechend hoch angesetzt wurde. 
Ergab sich auf diese Weise ein Wert der neuen 
Stellen, dessen Verzinsung mit den im allgemeinen 
üblichen 3% den Ar zu stark belastet haben würde, 
so wurde die von ihm zu entrichtende Rente auf 
einen geringeren Prozentsatz festgesetzt. Auf diese 
Weise wurden bis Anfang 1905 begeben 239 Güter 
mit einer Fläche von 132 677 ha zu 3% ; 20 Güter 
mit 10 662 ha zu 22406; 57 Güter mit 29 996 ha 
zu 2 ½00: 8 Güter mit 4247 ha zu 2¼0%%; 21 Güter 
mit 11 376 ha zu 200: 1 Gut mit 690 ha zu 13400. 
Längere Zeit hindurch wurden übrigens die 
Dränage= und Meliorationskosten nicht in die 
Passivmasse einbezogen, sondern besonders auf die 
Stellen verteilt und als sog. Dränagedarlehen ver- 
zinst und stark getilgt. Der Ar hatte bei dem be- 
zeichneten Vorgehen immer nur eine Rente zu 
zahlen, die dem Werte der von ihm erworbenen 
Stelle entsprach und insofern war es für ihn einer- 
lei, mit wieviel Prozent die AK dabei rechnete. 
Von großer Bedeutung wurde das aber bei einer 
von ihm etwa beantragten Ablösung der Rente; 
denn dann hatte der Ar nicht den Schätzungswert, 
sondern die vollen ihn übersteigenden Selbstkosten 
zu bezahlen, d. h. also bei einem Rentensuß von 
2 ½/20% den 37,5fachen, bei 2 ½005 den 40fachen, bei 
20% den 50fachen Rentenbetrag. Wenn der Fiskus 
den Ablösungsantrag stellt, kann dieser Kapitali- 
sierungsfaktor gesetzlich höchstens 25 sein, d. h. 
also, wo eine Rente auf 205 bemessen war, betrug, 
wenn der Ar die Ablösung beantragte, der Kapi- 
talisierungsfaktor 50, mithin für 1 M. Rente 50 M. 
Kapital, wenn aber der Fiskus den Antrag stellte 
erhielt er nur den 25fachen Betrag, mithin für 
1 M. Rente 25 M. Kapital. Um die verschiedenen 
Mängel dieses Systems zu beseitigen, ist man seit 
dem Jahre 1905 dazu übergegangen, stets den 
normalen Zinsfuß von 30, für alle bäuerlichen 
Ar-Stellen festzuhalten (für Güter über 120 ha 
werden 3 ½09 berechnet) und diesen von dem 
Schätzungswerte der einzelnen Stelle zu erheben, 
der auf Grund sorgfältiger Einzelbonitierung und 
nach genauer Prüfung und Vergleichung mit ähn- 
lichen A. als angemessen ermittelt ist. Der Schätz- 
ungswert des Grund und Bodens ist also auch sein 
Anrechnungswert; ein Fehlbetrag gegenüber dem 
Selbstkostenpreise ist daher ein Verlust, ein Ueber- 
schuß ist Gewinn der AK. Am Schluß des Jah- 
res 1909 belief sich der Gesamtfehlbetrag für die 
in den Jahren 1886—1909 aufgeteilten 820 Güter 
auf 9085 194 M. oder 2,70% der Gesamtaufwen- 
dungen von 335 921 030 M. Die Schul= und 
Kirchenverhältnisse werden auf Staatskosten ohne 
Erhöhung der Rente geordnet und auch die oft 
recht beträchtlichen Nutzungen aus der reichlichen 
Gemeindedotation fließen der ArGemeinde, also 
mittelbar den Ar zu. 
Um den Ar den Zuzug und die erste Einrichtung 
zu erleichtern, erhalten sie beim Anzuge ausrei- 
chende Fruchtvorräte — Mundvorrat, Saat- 
gut, Wirtschaftsvorrat — und Nutzungen — Grün- 
futterbezug, Weide, Unterbringung in Baracken 
oder Gutsgebäuden, Gespannleistungen u. dgl. m. 
Jeder Ar, der auf grünem Rasen aufbaut, erhält 
3 Freijahre (derart, daß ihm die während 
dieser Zeit fällig werdenden Renten völlig er- 
lassen — nicht etwa nur gestundet — werden), weil 
er während dieser Zeit außerstande ist, intensiv zu 
  
wirtschaften; wer Gebäude übernimmt, erhält nur 
1—2 Freijahre. Reicht das eigene Geld und der 
Gewinn aus den Freijahren nicht aus, so wird dem 
Ar ein Ergänzungsdarlehn gewährt, 
dessen Höhe der Regel nach die Hälfte des in die 
Stelle eingebrachten Vermögens nicht übersteigen 
soll. Es ist 20 ½ Jahre hindurch mit 70# zu ver- 
zinsen und zu tilgen, 3 1½00 werden auf Zinsen 
gerechnet. 
8 8. Pflege der Kolonie. Auch nach der Be- 
endigung der eigentlichen Besiedelung bleibt die 
As fortgesetzt um das Gedeihen der Kolonie und 
ihrer einzelnen Angehörigen bemüht. Der Schaf- 
fung geordneter und zufriedenstellender Ge- 
meinde-, Kirchen= (katholischer und evangelischer) 
und Schulverhältnisse, nicht minder der Bildung 
von landwirtschaftlichen Vereinen, Drainagege- 
nossenschaften, Darlehnskassen, Volksbibliotheken 
usw., der Herstellung von Verkehrserleichterungen 
(Postagenturen) wird besondere Sorgfalt gewid- 
met. Obstbäume werden aus guten Quellen be- 
zogen und den Ar zum Selbstkostenpreise geliefert, 
gutes Rindvieh wird in besonderen Depots gehal- 
ten und gezogen und den Kolonisten gegen sofor- 
tige oder Ratenzahlung verkauft, oder auch als 
Leihvieh überlassen: Feuer= und Hagelversicherung 
wird zu ermäßigten Prämiensätzen vermittelt 
u. dgl. m. Namentlich werden die Ar in den ersten 
Jahren, wo sie mit den klimatischen und Boden- 
verhältnissen noch nicht genügend vertraut sind, 
durch Sachverständige — meistens die Verwalter 
der A.Güter, die überhaupt in den ersten Jahren 
das Gedeihen der Kolonie zu beobachten haben 
— beraten. Im Falle wirklicher Not werden ihnen 
auch bercitwilligst die Renten gestundet. Die guten 
Erfolge dieser rationellen Pflege treten in der 
erhöhten Leistungsfähigkeit der Ar, in der Zunahme 
des Viehinventars und den gesteigerten Ernte- 
erträgen, namentlich darin zu Tage, daß Zahlungs- 
rückstände immer seltener werden. Daß cinzelne 
Kolonien sich besser entwickeln als andere, ebenso 
daß in ein und derselben Kolonie einzelne Ar 
besser vorwärts kommen, ist eine wiederholt beob- 
achtete, durch die Verschiedenheit der Boden= und 
Verkehrsverhältnisse, noch mehr aber durch die 
persönlichen Eigenschaften der Ar leicht erklärte 
Tatsache. Wo Ar freiwillig verkauft haben, haben 
sie meistens einen Vorteil dabei erzielt; im allge- 
meinen sind die neuen Erwerber kapitalkräftiger 
gewesen, als die Verkäufer, so daß der Besitzwechsel 
nicht zu beklagen war. 
8 9. Umwandlung bestehender bänerlicher 
Stellen in Ansiedlungsrentengüter (RNegulierung). 
Neben der Begründung von Rentengütern hat sich 
die AK auch noch der Befestigung des vorhandenen 
alten bäuerlichen Besitzes angenommen und zwar 
dadurch, daß dessen Schulden reguliert werden. 
Voraussetzung dieser Schuldenregulierung ist aller- 
dings, daß sich die Besitzer der Beschränkung unter- 
werfen, nicht an einen Polen zu verkaufen. Zur 
Durchführung dieser Maßregel wurde am 24. 3. 04 
die deutsche Mittelstandskasse in Posen und am 
28. 3. 06 die deutsche Bauernbank für Westpreußen 
in Danzig gegründet. Bei der ersteren sind der 
Staat, die Provinzialgenossenschaftskasse, die Po- 
sensche Landesgenossenschaftsbank mit je 400 000 
Mark und die Aktiengesellschaft Landbank in Berlin 
mit 300 000 M. beteiligt: bei der letzteren der Staat 
mit 300 000, die Westpreußische Provinzialge- 
nossenschaftsbank mit 290 000 und die West-
	        
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