Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
  
Autonomie (Mediatisierte) 
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Jahrzehnten grundsätzlich keinerlei Vorbehalt zu 
Gunsten der A. der Mediatisierten gemacht, das 
gilt z. B. vom Großjährigkeits-, vom Personen- 
stands- und von den gesamten sogen. Reichsjustiz- 
gesetzen. Das einzige juristische Privilegium, das 
letztere den Mediatisierten lassen, ist das Recht 
auf Austräge, vgl. EG# z. GVG I7. Auf allen 
andern vor 1900 reichsrechtlich geordneten Ge- 
bieten ist das Sonderrecht der Mediatisierten be- 
seitigt. Im auffallenden Gegensatz dazu steht das 
Ec# z. BGB. Man wollte im öffentlichen Interesse 
wegen der Ebenbürtigkeit dieser Familien auch 
ihre soziale Stellung erhalten und sah in der ent- 
sprechenden Sondergestaltung ihres Güter= und 
Familienrechtes eine notwendige Voraussetzung 
dazu (vol. Motive zum Entw S 12). Deshalb 
lautet a 58 EG#: „In Ansehung der Familienver- 
hältnisse und der Güter derjenigen Häuser, welche 
vormals reichsständig gewesen und seit 1806 mittel- 
bar geworden sind oder welche diesen Häusern be- 
züglich der Familienverhältnisse und der Güter 
durch Beschluß der vormaligen deutschen Bundes- 
versammlung oder vor dem Inkrafttreten des 
BGB durch Landesgesetz gleichgestellt worden 
sind, bleiben die Vorschriften der Landesgesetze 
und nach Maßgabe der Landesgesetze die Vor- 
schriften der Hausverfassungen unberührt“. Er- 
gänzende Vorschriften gleichartiger Richtung wur- 
den in das G über die freiwillige Gerichtsbarkeit 
5#89, die GBO # 83, sowie in das Zwangsverstei- 
gerungsG EG# # 2 Abf 2 eingefügt. Nach a 58 
kann also im Gegensatz zu a 57 eine A. nur dort 
eintreten, wo sie vom Landesrecht ausdrücklich 
zugelassen ist. Eine solche Zulassung ist wie oben 
gesagt, namentlich in den zur Ausführung der 
Bundesakte erlassenen Gesetzen und Verordnungen 
enthalten, eventuell auch schon in der bloßen Publi- 
kation der Bundesakte zu erblicken, eines neuen 
Landesgesetzes bei Einführung des BGB bedurfte 
es also nicht. Natürlich können aber wie u. E. 
schon auf Grund des a 5#7, erst recht und unzweifel- 
haft auf Grund des a 58 Landezsgesetze erlassen 
werden, welche das Hausrecht der betr. Häuser 
abändern oder das Recht der A. beschränken oder 
aufheben. Umgekehrt können natürlich auch die 
Landesgesetze, soweit sie bisher das Recht der A. 
beschränkt haben, es innerhalb der vom Reichs- 
recht gezogenen Schranken auch wieder erweitern. 
Natürlich können nach Maßgabe der Reichs= und 
Landesgesetze die standesherrlichen Häuser das 
bisherige Hausrecht auch abändern und neue 
hausrechtliche Normen erzeugen. 
Bezüglich der Schranken für den In- 
halt der autonomen Satzungen schließt sich a 58 
insofern wörtlich an a 14 der Bundesakte an, als 
die A. sich erstrecken darf auf „Familienverhält- 
nisse und Güter“. Die „noch bestehenden Fami- 
lienverträge“, welche a 14 Bf auch aufrecht 
erhalten wollte, bleiben nach 1900 nur bestehen, 
soweit sie inhaltlich dem Gebiete der A. angehö- 
ren. Bei der Auslegung der „Familien- 
verhältnisse und Güter ' wird man we- 
gen der absichtlichen Anlehnung an den früheren 
Rechtszustand den historischen Sinn zu berücksich- 
tigen haben. Unter „Familienverhältnissen“ sind 
deshalb weder die familienrechtlichen Fragen des 
4. Buches des B#, noch alle persönlichen Ver- 
hältnisse der Familienangehörigen zu begreifen,! 
sondern nur „alle diejenigen persönlichen Rechts- 
  
verhältnisse der Hausangehörigen, die nach der 
tatsächlichen Ausgestaltung der standes- 
herrlichen Autonomie von dieser bisher in ständi- 
ger, wesentlich gleichörmiger Uebung in Anspruch 
genommen wurden“ (Oertmann). Dabei ist aber 
zu beachten, daß sich gemäß a 14 Bo die A. von 
1815—1900 nur betätigen konnte gemäß „den 
Grundsätzen der früheren deutschen Verfassung“. 
Nach diesen gelten als „Familienverhältnisse“, die 
autonom geregelt werden konnten, selbstverständ- 
lich alle Fragen der Zugehörigkeit zum 
hochadeligen Hause, nicht aber wie 
Loening S 100 ff nachweist, die Frage der Groß- 
jährigkeit. Das besondere Privileg, das 
einzelne Häuser auf diesem Felde besessen haben, 
ist durch das R v. 17. 2. 75 beseitigt, das keinen 
Vorbehalt zu Gunsten der Mediatisierten mehr 
macht. Richtiger Meinung nach ist jetzt zwar das 
RG durch § 2 BGB aufgehoben (vgl. a 32 Ec 
z. BGB), aber damit sind die alten kaiserlichen 
Privilegien nicht wieder in Kraft getreten (die 
Literatur über diese Frage bei Oertmann 112 ff). 
Bei der Frage, ob sich die A. betätigen kann be- 
züglich der Formen und der Voraussetzungen einer 
gültigen Ehe ist ebenfalls von dem Gesichtspunkt 
auszugehen, daß die A. der Mediatisierten nach 
den Grundsätzen der früheren deutschen Ver- 
fassung eine Schranke fand an dem ius 
ecclesiasticum. Dieses bestimmte über die 
Form der Eheschließung. Auch die Eheschließung 
durch Stellvertreter, die in den reichsstän- 
dischen Häusern allgemein herkömmlich war, 
beruhte nicht auf Hausgesetz, sondern auf c. 9. in 
VI de procuratoribus 1, 19, das als gemeines 
Recht auch für protestantische personge illustres 
Geltung behalten hatte. Hatte sich in dieser Be- 
ziehung noch ein Sonderrecht erhalten, so ist es 
durch das Personenstands G beseitigt worden, 
das für die Form der Eheschließung zu Gunsten 
der Mediatisierten keinen Vorbehalt macht. Das 
Personenstands G aber ist noch heute in Geltung 
und wenn jetzt auf Grund des a 46 II EG z. BGB 
der §& 41 des Personenstands G auch die Vor- 
schriften des BB für die Eheschließung maß- 
gebend sein läßt, so sind insofern nur die Vor- 
schriften des Be#B Bestandteil des Personenstands- 
G geworden (abweichend in dieser Frage Oert- 
mann 120, dazu namentlich Loening 43 ff). Die 
Tatsache, daß die A. früher in das ius ecclesiasti- 
cum niemals eingegriffen, muß auch gegen eine 
Kompetenz der Mediatisierten zu besonderen Nor- 
men über die Voraussetzungen einer gültigen Ehe, 
also die Fragen der Ehemündigkeit, der Ehehin- 
dernisse, wie auch über die Ehescheidung sprechen 
(abweichend Oertmann 131, der in allen diesen 
Fragen eine fortdauernde A. mit der einzigen 
Schranke annimmt, daß nicht gegen die guten 
Sitten verstoßen wird durch Verletzung des We- 
sens der Ehe). Jene besonderen Voraussetzungen 
dagegen, deren Mangel der Gültigkeit der Ehe 
nicht widerstreitet, die aber nach dem Sonderrecht 
des Hochadels für die Vollwirksamkeit der Ehe 
zu Gunsten von Frau und Kindern erforderlich 
sind, wie die Ebenbürtigkeit und vielfach auch der 
Konsens des Familienhauptes, die sind von jeher 
zu den „Familienverhältnissen“ gerechnet worden, 
in bezug auf welche sich die A. betätigen konnte. 
Da das Personenstands G die fragliche Materie 
überhaupt nicht berührt, kann auch der Mangel
	        
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