Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Behörden 
  
len Verantwortlichkeit notwendig war. Aber auch 
bei den Mittel B. hat die bureaumäßige Verfassung 
mehr und mehr Verbreitung gewonnen. Da- 
gegen sind aus dem Geschäftsberciche derselben 
gewisse Angelegenheiten, welche sich besonders zur 
kollegialischen Beschlußfassung eignen, namentlich 
die Verwaltungsstreitsachen, ausgeschieden und 
speziellen, kollegialisch eingerichteten Organen 
übertragen worden. 
4. Tas Personal der Behörden. Die B. 
setzen sich aus zwei Elementen zusammen: Das 
B. Personal (die „Mitglieder der Behörden“, vgl. 
oben & 1 a. E.) setzt sich aus zwei Elementen zu- 
sammen: aus Personen, die im öffentlichen 
Dienst angestellt sind (Beamte) und 
solche, die es nicht sind (Elemente der 
Selbstverwaltung). Die Beamten sind 
meistens (nicht notwendig) Berufsbeamte. Berufs- 
beamte sind solche Personen, welche aus dem öf- 
fentlichen Dienst ihren Lebensberuf machen. Die 
Berufsbeamten müssen regelmäßig eine berufs- 
mäßige Bildung nachweisen; sic erhalten, da sie 
ihre ganze Arbeite kraft den öffentlichen Ange- 
legenheiten widmen, die Möglichkeit eigenen Er- 
werbes also nicht besitzen, ihren Lebensunterhalt 
in Form der Besoldung von demjenigen Gemein- 
wesen, in dessen Diensten sie angestellt sind. Die 
Verw durch Berufsbeamte wird auch wohl als 
bureaukratische Verwaltung, das 
Berufsbeamtentum als Bureaukratie be- 
zeichnet. Im Gegensatz dazu bedeutet Selbst- 
verwaltung (im sog. politischen Sinne 
dieses mehrdeutigen Wortes) die Erledigung der 
Verwöeschäfte durch Personen, welche daraus 
keinen Lebensberuf machen. Die Elemente der 
Selbst Verw bestehen aus Grundbesitzern, Ge- 
werbetreibenden, Kaufleuten usw., welche neben 
ihrer eigentlichen Berufstätigkeit einen Teil ihrer 
Zeit und Arbeitskraft öffentlichen Angelegenhei- 
ten widmen. Die Beamten der Selbst Verw 
bedürfen keines Nachweises besonderer Vorbil- 
dung; sie verwalten ihre Aemter in der Regel als 
Ehrenämter. Doch hebt die Zahlung einer Ver- 
gütung (insbesondere in der Form der Dienst- 
unkostenentschädigung) den Charakter der Selbst- 
Verw nicht auf. Bis in dieses Jahrhundert hinein 
war die Staats Verw in Deutschland durchaus 
bureaukratisch gestaltet; erst in neuerer Zeit sind 
die Staats B. durch Elemente der Selbst Verw 
verstärkt und ergänzt worden. 
Das Hauptanwendungsfeld der Selbst Verw 
haben in Deutschland von jeher die Kommunal-= 
verbände gebildet. Auch jetzt setzen sich die Kom- 
munal B. überwiegend aus Elementen der Selbst- 
Verw zusammen. Dieser Umstand hat sogar 
vielen Schriftstellern Veranlassung gegeben, 
Selbstverwaltung und Kommunal- 
verwaltung als identische Begriffe zu be- 
handeln (sog. staatsrechtlicher Begriff der Selbst- 
Verw, vgl. Meyer-Anschütz S 346, 347). Eine 
derartige Auffassung entspricht aber nicht den 
tatsächlichen Verhältnissen. Es kommen einerseits 
staatliche Aemter vor, welche von Selbstverwal- 
tungsbeamten bekleidet werden, so z. B. die der 
englischen Friedensrichter und der preußischen 
Amtsvorsteher. Andrerseits gibt es KommunalB., 
welche ganz oder zu einem erheblichen Teil aus 
besoldeten Berufsbeamten bestehen, so z. B. die 
Landesdirektionen der preußischen Provinzen und 
  
diejenigen Magistrate größerer Städte, an deren 
Spitze besoldete Bürgermeister stehen und zu 
deren Mitgliedern besoldete Stadträte gehören. 
#5. Ueber= nnd Unterordnung der Behörden. 
Die B. befinden sich zu einander im Verhältnis 
der Ueber= und Unterordnung. Diese Ueber= und 
Unterordnung hat aber einen wesentlich anderen 
Charakter bei den Gerichten als bei den Verw- 
Behörden. 
Die Gerichte /sind hinsichtlich ihrer sachlichen 
Entscheidungen durchaus unabhängig. In dieser 
Beziehung besteht für sie eine Unterordnung nur 
insofern, als die Verfügungen und Entscheidungen 
der niederen Gerichte bei den höheren Instanzen 
mit den gesetzlich vorgeschriebenen prozessualischen 
Rechtsmitteln (Beschwerde, Berufung, Revision) 
angegriffen werden können. Gegenüber den Ent- 
schecidungen der obersten Gerichtshöfe gibt es der- 
artige Rechtsmittel nicht. Den höheren Justiz- 
verwaltungs B., also in den Einzelstaaten den 
Justizministerien, im Reiche dem RK und dem 
Reichejustizamt, steht eine materielle Einwirkung 
auf die Entscheidung der Prozesse nicht zu. Ihre 
Ueberordnung über die Gerichte gibt ihnen nur 
die Befugnis, den Geschäftsgang derselben zu über- 
wachen, Berichte einzufordern und dafür zu sor- 
gen, daß die Gerichte ihre Funktionen überhaupt 
erfüllen bezw. die Erledigung der Streitsachen 
nicht ungebührlich verzögern. Ihre Aufsichtsbefug- 
nisse haben daher lediglich eine formelle, keine 
materielle Bedeutung. 
Dagegen besteht unter den Veerwaltungs- 
behörden eine weitgehende Ueber- und Un- 
terordnung auch in materieller Hinsicht. Die 
höheren Verwaltungs B. besitzen gegenüber den 
niederen das Recht des Dienstbefehls. Sie 
können Anordnungen erlassen, welche diese zu be- 
folgen verpflichtet sind, teils in der Form von all- 
gemeinen Verordnungen oder Instruktionen, teils 
in der von Verfügungen für konkrete Fälle. Die 
vorgesetzten B. haben ferner die Befugnis, Be- 
schwerden 1X gegenüber den Entscheidungen 
und Verfügungen der niederen anzunehmen und 
die Abänderung oder Aufhebung der angegriffe- 
nen Akte anzuordnen. Die Beschwerden können 
sowohl auf die Verletzung von Rechtsgrundsätzen 
als auf die Schädigung von Interessen oder auf 
die Unbilligkeit und Unzweckmäßigkeit der be- 
treffenden Verwolkte gestützt werden. Den höhe- 
ren Verwaltungs B. steht gegenüber den niederen 
endlich das Recht der Aufsicht zu. Sie können 
von den Handlungen derselben Kenntnis nehmen 
und zu diesem Zweck Berichterstattung von ihnen 
verlangen. Sie haben die Befugnis, die Verfü- 
gungen der untergeordneten B. von Amts wegen 
— auch ohne daß eine des fallsige Beschwerde er- 
hoben wird — abzuändern oder diesen die Ab- 
änderung aufzutragen; sie sind berechtigt, Zwangs- 
maßregeln gegen dieselben zu ergreifen, um sie 
zur Erfüllung ihrer Pflichten anzuhalten, und Rü- 
gen oder Ordnungestrafen gegen pflichtwidrige 
Beamte zu verhängen. Dagegen ist in dem Recht 
der Aufsicht die Befugnis nicht enthalten, die be- 
treffenden Handlungen an Stelle der untergeord- 
neten B. selbst vorzunehmen. Diese Befugnis 
kann den Verwaltungs B. nur gegenüber solchen 
untergeordneten Beamten zugesprochen werden, 
welche lediglich als Hilfs= und Vollstreckungsorgane 
der vorgesetzten Stelle fungieren, also bei einem 
 
	        
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