Behörden
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Verhältnis, wie es in Preußen zwischen den
Amtsvorstehern einerseits, den Guts= und Ge-
meindevorstehern andrerseits besteht. Hier ent-
scheidet die vorgesetzte B. allein darüber, welche
Handlungen sie selbst ausführen, welche sie den
untergeordneten Beamten überlassen will. Wo
dagegen zwei B. mit einer gesetzlich geordneten
Zuständigkeit einander gegenüberstehen, darf die
vorgesetzte B. im Amtsbereiche der untergeord-
neten nur insoweit tätig werden, als ihr die Be-
fugnis dazu durch Gesetz ausdrücklich eingeräumt
ist (uvgl. Löning 54; auch nach der Rechtspre-
chung des preußischen OVG ist, insbesondere in
Polizeisachen, die Befugnis der höheren B., die
Zuständigkeit der ihr untergeordneten B. an sich
zu ziehen, nicht Regel, sondern Ausnahme, vgl.
OVG 2, 423 ff; 10, 366; 20, 302; 24, 410).
Die Verwaltungsgerichte sind in
Bezug auf ihre sachlichen Entscheidungen durch-
aus den Gerichten gleichgestellt. Sie urteilen voll-
kommen unabhängig, lediglich nach pflichtmäßiger
Ueberzeugung. Die Unterordnung derselben unter
die Ministerien hat daher nur die Bedeutung, daß
den letzteren eine formelle Dienstaussicht zusteht,
wie sie die Justizministerien gegenüber den ordent-
lichen Gerichten besitzen. Eine ähnliche Stellung
ist auchgeewissen Verwaltungsbehör-
den eingeräumt worden. In den Einzelstaaten
sind es namentlich solche Verwaltungs B., welche
ganz oder doch zu einem wesentlichen Teil aus
Elementen der Selbst Verw bestehen, wie die
Provinzialräte und Bezirksausschüsse in Preußen,
die Bezirksräte in Baden ufsw. Auch im Reiche
gibt es einzelne Verwaltungs B., welche bestimmte
ihnen übertragene Angelegenheiten nach eigenem
Ermessen ohne materielle Unterordnung unter den
RéK erledigen und nur der allgemeinen Dienstauf-
sicht desselben unterworfen sind, so z. B. das
Reichsversicherungsamt, Reichspatentamt, die
Reichsrayonkommission, das Reichsoberseeamt, die
Verw des Reichsinvalidenfonds (vgl. Laband
(4) 1, 377 ff; Meyer-Anschütz 465 ff).
Hinsichtlich der Ueber= und Unterordnung von
Reichs-, Staats= und Kommunalbe-
hörden gelten folgende Grundsätze. Den höhe-
ren Staatsverwaltungs B. stehen Aufsichtsbefug-
nisse sowohl gegenüber den niederen staatlichen als
gegenüber den kommunalen B. zu. Die oberen
Reichsverwaltungs B. haben dagegen unmittelbare
Aufsichtsbefugnisse nur gegenüber den niederen
Reichs-Verwaltungs B. auszuliben. Die Staats-
und KommunalB. der Einzelstaaten sind, soweit
nicht reichsgesetzlich ausdrücklich etwas anderes
festgesetzt ist, denselben nicht unmittelbar unter-
geordnet; die Reichsorgane müssen sich bei Aus-
übung ihrer Aufsichtsbefugnisse der Vermittlung
der Zentral B. der Einzelstaaten bedienen.
§s 6. Organisationsgewalt. Die Organisation
der Gerichte ist reichsgesetzlich festgestellt. Die
Organisation der Verwaltungs B. kann grund-
sätzlich im Verordnungswege erfolgen; die Orga-
nisationsgewalt steht in den monarchisch regierten
Einzelstaaten Deutschlands dem Monarchen zu
(val. Meyer-Anschütz S 571, 603; a. M.
Haenel, G. im formellen und materiellen
Sinne 223 ff; Preuß in Hirths Ann. 1903, 525).
Die Organisationsgewalt hinsichtlich der eigenen
und unmittelbaren Verw des Reiches, also der
Reichs B., wird man ebenmäßig nicht der Legis-
lative, sondern der Reg des Reiches, jedoch, beim
Mangel einer ihn entsprechend ermächtigenden
Verfassungsbestimmung, nicht dem Kaiser, sondern
dem BMzuerkennen müssen (bestr., vgl. Meyer-
Anschütz 603 N. 9). Eine Mitwirkung der
gesetzgebenden Faktoren muß jedoch im Reich wie
in den Einzelstaaten eintreten: 1. bei solchen Or-
ganisationen, deren gesetzliche Regelung durch die
Verfassung oder sonst gesetzlich vorgeschrieben ist,
2. bei der Abänderung solcher Organisationen,
welche durch Gesetz festgestellt sind, 3. bei solchen
Organisationen, zu deren Durchführung finan-
zielle Mittel erfordert werden. Tatsächlich findet
daher die Organisationsgewalt des Monarchen
bezw. der Reichsregierung nur einen geringen
Anwendungsbereich. Die Organisation der B.
für die allgemeine Landes Verw beruht fast in
allen Staaten auf Gesetzen; nur bei der Organi-
sation der Ministerien und der B. für gewisse
Spezialzweige der Verw haben die Verordnungs-
befugnisse noch eine größere Bedentung bewahrt.
s 7. Besetzung der Behörden. Die Besetzung
der B. erfolgt regelmäßig durch Ernennung, aus-
nahmsweise durch Wahl.
Die Besetzung der Reichsbehörden ge-
schieht durch den Kaiser oder durch eine von ihm
beauftragte Reichs B. (RV. a 18). Grundsätzlich
steht dem Kaiser das freic Besetzungsrecht binsicht-
lich der Reichs B. zu. In einzelnen Fällen ist er
aber kraft spezieller gesetzlicher Vorschrift an ein
Vorschlags= oder Wahlrecht des BR gebunden.
Ein Vorschlagerecht besitzt der BR für die Be-
setzung des Reichsgerichtes, der Reichsanwalt-
schaft, des Bundesamtes für Heimatwesen, des
Reichsbankdirektoriums, des Reichspatentamtes,
des Reichsversicherungsamtes und des Aufsichts-
amtes für Privatversicherung. Die Mitglieder
dieser B. kann der Kaiser nur mit Zustimmung
des B ernennen, doch besteht für ihn keine Ver-
pflichtung, die Vorschläge des BR anzunehmen.
Für die Dis)iplinarkammern und den Disziplinar-
hof, den Rechnungshof, die Verw des Reichs-
invalidensonds und des Reichsbankkuratoriums
dagegen steht dem BR das Wahlrecht zu. Dieser
bezeichnet materiell die zu ernennende Person,
der Kaiser hat lediglich die formelle Ernennung
vorzunehmen.
Die Besetzung der Staatsbehörden
geschieht regelmäßig durch den Monarchen oder
durch die von diesem beauftragten oder ermächtig-
ten Staats B., insbes. die Ministerien. Der Grund-
satz der Ernennung ist ausnahmelos bei den staat-
lichen Berufsbeamten durchgeführt. Aber auch
Elemente der Selbst Verw werden zur Ausübung
ihrer Funktionen häufig durch Ernennung berufen.
So werden die preußischen Amtsvorsteher vom
Oberpräsidenten auf Grund einer vom Kreistag
aufzustellenden Liste, die Mitglieder der badischen
Bezirksräte vom Min Inn nach Maßgabe einer von
der Kreisversammlung festgestellten Liste ernannt.
Meistens findet jedoch die Berufung der Elemente
der Selbst Verw zur Ausübung staatlicher Verw-
Befugnisse durch Wahl statt. Das Wahlrecht steht
in der Regel kommunalen Vertretungen zu. So
werden in Preußen die Mitglieder der Kreisaus-
schüsse von den Kreistagen, die Mitglieder der
Provinzialräte und Bezirksausschüsse von den
Provinzialausschüssen gewählt. Die Wahl der
sächsischen Bezirks= und Kreisausschüsse erfolgt