Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Behördenorganisation — Beichtgeheimnis 
  
über dem Bezirksausschusse in Preußen; der 
„Bezirksrat“ in Württemberg hat kaum einen Zu- 
sammenhang mit dem gleichnamigen Gebilde für 
Elsaß-Lothringen; oder der „Kreisausschuß“ in 
Preußen und Hessen einerseits mit dem Organe 
gleichen Namens in Baden; oder der „Kreistag" 
in Preußen mit einem solchen in Elsaß-Lothrin- 
gen; und gar der „Landrat“ als Kommunalver= 
tretung in Bayern würde ein Seitenstück in Preu- 
ßen nur finden, wenn man an eine seit Jahrhunder-= 
ten verschollene Einrichtung denken wollte, er hat 
aber nichts mit dem „Landrat“ des geltenden 
Rechts in Preußen und einer Reihe von deutschen 
Kleinstaaten zu schaffen, und init beiden wieder 
haben die „Landräte“ der landständischen Ver- 
fassung in Mecklenburg kaum etwas gemein. 
Auch mit seiner „Distriktsverwaltung" (die Be- 
zeichnung lebt wieder auf in Südwestafrila) zeigt 
Bayern eine sprachliche Besonderheit; einen we- 
sentlich engeren Bereich deckt das Amt des „Di- 
striktskommissars“ als der lokalen Polizcibehörde 
in der Provinz VPosen. 
Die einfachen und in der Sache gerechtfertig- 
ten Grundlinien von Zentral-, Mittel- und Unter- 
behörden geraten dadurch in ein gewisses Schwan- 
ken, das nicht nur für das Verständnis der Verw- 
Einrichtungen in Deutschland ein Hemmnis bildet, 
sondern auch geeignet ist, die um sich greifende 
reichs gesetzliche Regelung auf denjenigen Gebic- 
ten, die für einzelstaatliche B. eine Zuständig- 
keit umgrenzen (Gewerberecht, Sozialversicherung 
usw.) zu erschweren. Eine größere Rücksicht hier- 
auf wäre zu wünschen und ließe sich allmählich bei 
aller Schonung schonenswerter Eigenart durch- 
führen; das würde kaum in höherem Grade histo- 
rische Zusammenhänge durchschneiden, als es die 
wiederholten, gelegentlich auch nicht bewährten 
und in Kürze geänderten, Resormen getan haben, 
die in Preußen, Sachsen oder Baden der Verw- 
Geschichte des 19. Jahrhunderts angehören. 
Hierbei wird man den (Regierungs-), Bezirken“ 
vor den „Kreisen“ die obere Stelle anweisen 
dürfen, wie das in Preußen und Elsaß-Lothringen 
nach dem Gesetze der Fall ist, und dem auch in 
Bayern und Sachsen der Sprachgebrauch zu- 
neigt. 
Inwieweit die Aemter der sog. politischen 
Selbstverwaltung in eine organische 
Verbindung mit dem Vorstande der reinen Staats- 
behörden gesetzt sind und inwieweit sie selber 
aus Kommunalorganen herauswachsen, ließ sich 
in der Tabelle, wenn sie ihre Uebersichtlichkeit 
wahren wollte, nicht zum Ausdrucke bringen. Die 
Aemter selbst sind durch Schwabacher-Schrift ge- 
kennzeichnet. 
Unerläßlich für eine Einschätzung des Macht- 
bereichs der B. ist das Verhältnis zur räumlichen 
Erstreckung und zur Zahl der Bezirksinsassen. 
Diesen Zweck sollen die einzelnen Behörden usw. 
in der Tabelle beigefügten Ziffern unterstützen: 
sie geben die gegenwärtige Zahl der Behörden an. 
Größere Aenderungen sind im Werke: 
in Preußen (vorläufiges Ergebnis die „Grund- 
züge“ v. 17. 6. 10, abgedruckt in Nr. 151 RAnzz), 
in Baden (Denkschrift über die Umgestaltung 
der Selbstverwaltungsverbände 1910), in Hes- 
sen (Drucksache Nr. 401 für 1908/1911, Reg Vor- 
lage an die 2. Kammer betr. die Verwechts- 
pflege), in Elsaß-Lothringen (Denkschrift 
  
betr. die Vereinfachung der Verwaltung v. 22. 4- 
1910, Vhdl des Landesausschusses Nr. 9 und 
Kommissionsbericht, Drucksache Nr. 160). 
II. Die kleineren deutschen Staaten gliedern 
ihr Gebiet in VerwBezirke einer Art. Bevor- 
zugt ist hiebei die Bezeichnung als „Kreis“ (Braun- 
schweig, Anhalt unter einem „Kreisdirektor“, 
Sachsen-Meiningen, Schaumburg-Lippe unter 
einem „Landrat“), oder „Kreisamt“ (Waldeck: 
Kreisamtmann) oder als „Landratsamt" (Sachsen- 
Altenburg, Sachsen Koburg-Gotha, beide Schwarz- 
burg, beide Reuß) oder schlechthin als „Amt“ 
(unter „Amtshauptmann“, Oldenburg, Lippe). 
Vereinzelt hat Sachsen-Weimar „Verwaltungs- 
bezirke“ unter einem Bezirksdirektor, Oldenburg 
in den Fürstentümern Lübeck und Birkenfeld je 
eine „Regierung“ mit einem Präsidenten. Die 
Organisation von Mecklenburg [| folgt eigenen 
Grundsätzen. 
III. Die Organisation der Reichs B. im Reichs- 
gebiete verträgt keine Parallele mit den Staats B. 
[JReichsbehördenhl. Aber auch eine An- 
reihung der Kolonialbehörden geht nicht 
an. Sie sind zwar nicht mehr so sehr im Flusse, daß 
die Formationen keinen ausgesprochenen Cha- 
rakter trügen, wenn sich auch noch manche Zwi- 
schenbildungen und Versuchseinrichtungen zei- 
gen (Offiziersposten, Militärstation, auch selbstän- 
dige Reg Stationen — und in anderer Art die 
Residenturen). Aber es bildet doch ein jedes 
Schutzgebiet so sehr eine Welt für sich, daß es ein 
schieses Bild böte, wollte man, wie es üblich ist, 
den „Gouverneur" schlechthin mit den heimischen 
„Mittelbehörden“ auf eine Stufe stellen — hier 
wird ausländisches Muster von Einfluß — und 
wollte man die „Bezirksamtmänner“ den hei- 
mischen Unterbehörden gleichsetzen. Hier verlie- 
ren Größe des Gebiets und Art und Zahl der 
Bewohner auch den Vergleichsmaßstab mit der 
Heimat. Eine Aufstellung der Kolonialbehörden 
1Kolonialrecht. 
Zur Ergänzung vgl.: die Artikel für die 
einzelnen Staaten und Behörden, sowie die 
Artikel Minister, Polizeibehorden, Disziplin, 
VerwBeiräte, Verwerichtsbarkeit, Gemeinde- 
organisation, Ehrenamt, Selbstverwaltung. 
Literatur: G. Meyer bei Schönberg III /, 277, 
280; Die Hof- und Staatshandbücher (für lleinere Staaten 
jedoch nicht alliährlich, sehlen vereinzelt auch ganz); die syste- 
matischen Darstellungen in den Sammelwerken „Das Oes- 
fentliche Recht der Gegenwart“ (Jellinek, Laband, Piloty) 
und „Bibliothek des Oeffentlichen Rechts“ (Scholz, Storck), 
beide noch nicht abgeschlossen. Ergänzungen fortlausend in 
dem „Jahrbuch des Verwaltungsrechts“ (seit 1905) und in 
dem „Jahrbuch des öffentlichen Rechts" (seit 1907). 
Fleischmann. 
–... ——— —— — 
Beichtgeheimnis 
Im katholischen Kirchenrecht bildet die Ver- 
letzung des Beichtsiegels ein schweres Amts- 
vergehen, welches mit Deposition und lebens- 
länglichem Kerker bedroht ist. Die Pflicht zur 
Wahrung des B. kennt keinerlei Ausnahmen, selbst 
nicht im Falle eines beabsichtigten Verbrechens;
	        
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