Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

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Binnengewässer (Bodensee) — Binnenschiffahrt 485 
  
  
wissen Schwierigkeit der Feststellung im Einzelfall, richt sich der Sache bemächtigen, welches durch 
an einer Unbestimmtheit, die namentlich gegen= Wohnsitz der Beteiligten oder wegen des Heimat- 
über dem regen Verkehr, der ja seinerseits keine hafens des Schiffes oder sonstwic in der Lage ist, 
Spuren hinterläßt, sich hier viel fühlbarer macht, der Sache zunächst habhaft zu werden — voraus- 
als an der Meeresküste. Die Unbestimmtheit ist gesetzt immer, daß die Zugehörigkeit jenes Ortes 
nicht überall gleich groß; sie steigert sich stufen= zum Hoheitsgebiete seines eigenen Staates we- 
weise. Bezüglich der Häfen ist kein Zweisel. Eben= nigstens möglich ist. Die Gerichte der andern 
so wenig aber auch bezüglich eines Streifens von Staaten pflegen ein solches Vorgehen zu respektie- 
gewisser Breite, der in der Nähe des Ufers sich ren, und es entsteht dadurch allerdings eine Art 
hinzieht. Die Unsicherheit beginnt erst weiter Präventionsrecht. 
hinaus, auf dem sog. offenen See, und wird, je Nach den gleichen Grundsätzen verteilt sich auch 
weiter nach der Mitte zu, desto größer. Es ergibt sonst die Anwendung obrigkeitlicher Gewalt. 
sich also ein Gebiet von praktisch zweifelhafter Zu- Die Gewinnung von allerlei Erträgnissen des 
gehörigkeit. Die freundnachbarliche Gesinnung Sees ist dann ganz entsprechend geordnet. Bei 
der beteiligten Staaten schafft für dieses, auch den Nutzungen von Binsen und Röhricht, zu wel- 
mangels besonderer Abmachungen, einen tatsäch= chen ja immer nur in einer gewissen Nähe vom 
lichen modus vivendi. Dieser Auffassung ent= Ufer Gelegenheit ist, bietet das keine Schwierig- 
spricht die Praxis. keit: jeder Staat verfügt über das, was auf seinem 
Zu erwähnen ist vor allem der Vertrag zwi= Sceanteile wächst. Die Fischerei ist zum Teil von 
schen Baden und der Schweiz vom 28. 4. 1878, althergebrachten Realrechten besetzt. Soweit das 
der für ein Stück des Sees „die Grenze zwischen nicht der Fall ist, wird das Recht dazu von jedem 
beiden Staaten“ durch eine feste Linie bestimmt Staate für sein Seegebiet durch Verpachtung ein- 
hat. Mit der Annahme eines Kondominates geräumt. Nur ist bei der Unkenntlichkeit der Gren- 
sämtlicher Uferstaaten wäre dieses Verfahren un-- ze nach der Seemitte zu eine gegenseitige Dul- 
vereinbar. dung von Ueberschreitungen dortselbst üblich, 
Sodann ist im Laufe der neueren Zeit eine Reihe welche zu einer gemeinsamen Benutzung dieser 
von völkerrechtlichen Verträgen abgeschlossen wor- Teile, ja sogar zu einer tatsächlichen Freigabe der 
den, in welchen die Staaten wegen Ausübung ih- Fischerei auf ihnen geführt hat. 
rer Rechte über den See und das, was darauf ge- Daß es sich nicht um ein allgemeines Kondo- 
schieht, sich verständigen. Die natürliche Mangel= minium handelt, kann im Kriegsfalle von größter 
haftigkeit der Gebietsgrenzen, wie die Zugehörig= Bedeutung werden. Die Neutralität der Schweiz 
keit bestimmter Stücke des Sees an jeden Staat würde die deutschen Staaten nicht hindern, auf 
finden darin gleichmäßig ihre Anerkennung. Der ihrem Teile des Sees Truppenbeförderungen vor- 
wichtigste ist der Vertrag zwischen sämtlichen Ufer= zunehmen, was ja andern Falls bedenklich wäre. 
staaten, betreffend eine internationale Schiffahrts- 
und Hafenordnung für den Bodensee, welcher am Duellen: AL 19 3/8 170, 176 ff, 180; G v. 24. 2. 
1. 3. 1868 in Kraft trat. Dadurch ist die Schiffahrt 43 11. Bayer. G v. 23. 3. 07; Sächs. G v. 12. 3. 09 #5 1, 
auf allen Teilen des Sees für jedermann freige. 4, # 40 ff; Württemb. G v. 1. 12. 00; Bad. G v. 26. 6. 
geben. Zugleich verpflichten sich die Staaten,9; Lesf. G v. 30. 9. 99; Els.-Lothr. G v. 2. 7. 91. Bezüglich 
jeder in seinem Seeanteil, die Schiffahrt des des Bodensees: bie oben angeführten Verträge. 
Sees zu pflegen und aufrecht zu erhalten. Ge- Literatur: Nieberbing, Wasserrecht und 
meinsame Seepolizeivorschriften werden ausge= Wasserpolizei im preußischen Staate", bearbeitet von 
stellt, deren Uebertretung nach den Gesetzen und Frank, 57ff; Pözl, Die bayer. Wasser G 57 ff, 97 ff; 
von den Behörden desjenigen Staates geahndet Nettich, Die völker- und staatsrechtlichen Verhältnisse 
werden soll, „auf dessen Gebiet“ sie begangen ist. des Bodensees; v. Martitz in „Annalen“ 1885, 278 ff; 
— Dazu kommt der Vertrag über Beurkundung Seydel StKl1, 335; Göz, Staatsrecht des Kar. Würt- 
von Geburts= und Sterbefällen auf dem See,emberg S 14 u. 15; Schenkel, Das bad. Wosserrecht? 
abgeschlossen zwischen Baden, Württemberg, Bay-24 ff; Nieder, Wasserch für Württemberg 1 ff; Ey- 
ern und Oesterreich im Jahre 1880. Hier wire mann, Wasser G f. d. Kor. Bayern 1 S 262 ff,372 iff. 
unterschieden zwischen Fällen, welche in unmittel- Oito Maver. 
barer Umgebung des Seeufers sich zutragen: 
7 diesen ist die ustünd wient der achend des 
erstaates unzweifelhaft; und zwischen solchen, M. 2 
die auf der weiteren Seefläche stattfinden: für Binnenschiffahrt 
diese wird die tatsächlich unklare Zuständigkeits- 
frage dadurch gelöst, daß die Behörde des Heimat- 5 1. Allgemeines. J 2. Das Recht zur Schiffahrt. 
hafens des Schiffes als zuständig gelten soll. 3. Schiffahrtspolizei. § 4. Schiffahrtsabgaben. 
Für die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil= und 
Strafprozeßfällen bestehen solche Abmachungen & 1. Allgemeines. Die B. ist die Schiffahrt 
nicht. Unsere Frage wird hier besonders lebendig auf Binnengewässern // also auf Strö- 
bei Schiffszusammenstößen und sonstigen See= men, Kanälen und Seen. Sie hat zur Grundlage 
unfällen. Geschieht solches in der Nähe des Ufers, ührer Rechtsordnung den Gemeingebrauch, wel- 
also innerhalb des deutlich erkennbaren Macht= chem diese Verkehrsstraßen gewidmet sind. Dieser 
bereiches eines der Staaten, so ist die Zuständig= Gemeingebrauch war bis in das vorige Jahrhun- 
keit seiner Gerichte selbstverständlich. Die Gerichte dert hinein allenthalben verkümmert durch Be- 
der andern, sogar wenn sie schon mit der Sache nachteiligung von Nichtlandesan- 
sich befaßt haben, werden davon ablassen, sobalo gehörigen, durch übermäßige Lasten, 
es erkannt ist. Wenn aber die Zugehörigkeit des welche darauf gelegt waren als Wasserzölle, 
Ortes des Vorfalles ungewiß ist, wird jedes Ge-- Flußzölle, durch Zwangsbefugnisse einzel- 
  
 
	        
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