Eisenbahnen (Verkehrsordnung)
stimmungen dieses Uebereinkommens über den
internationalen Güterverkehr standen nicht im
Einklang mit dem bisherigen Betriebsreglement.
Für den inneren Verkehr der deutschen E.
war es nicht erwünscht, daß er nach wesentlich
anderen Bestimmungen geregelt werde, als der
internationale, besonders, wenn die Bestimmun-
gen des internationalen Verkehrs für das Publi-
kum günstiger waren. Die meisten der Berner
Vertragsstaaten haben daher das für ihr Gebiet
geltende E.Frachtrecht nach dem des Ucberein-
kommens abgeändert. Das Deutsche Reich ging
dabei wieder Hand in Hand mit der österreichisch-
ungarischen Regierung. Von beiden Regierungen
wurde hoher Wert darauf gelegt, daß die auf dem
Boden des Allgemeinen Deutschen Handelsgesetz-
buchs beruhende Uebereinstimmung ihrer inneren
E. Frachtrechte tunlichst erhalten bliebe. Auch
darüber war man einverstanden, daß die Gelegen-
heit einer Umgestaltung der Bestimmungen über
die Beförderung der Güter zu benutzen sei, um
auch die Bestimmungen über die Beförderung
von Personen, Gepäck, Fahrzeugen, Vieh und
Leichen einer zeitgemäßen Nachprüfung zu unter-
werfen. In Deutschland erhielt das hiernach um-
gearbeitete Betricbsreglement die Bezeichnung:
Verkehrsordnung für die Eisen-
bahnen Deutschlands. Der Abschnitt
VIII über die Beförderung von Gütern mit den
Anlagen hat die Bestimmungen des Berner
Uebereinkommens, soweit sie sich für den inneren
Verkehr eigneten, mit geringen Abweichungen
ausgenommen. Grundsätzliche Abweichungen fin-
den sich nur da, wo eine Aenderung des Betriebs-
reglements nicht ohne Aenderung des Handels-
gesetzbouchs möglich war. Das war besonders der
Fall bei den Bestimmungen über die Haftung der
E. für Verluste usw. Das Berner Uebereinkom-
men ist durch Aufnahme zahlreicher Bestimmungen
insbesondere über das Verfahren bei An-
nahme und Ablieferung der Güter ergänzt. Diese
Verkehrs O v. 15. 11. 92 ist am 1. 1. 93 in Kraft
getreten.
3. Die Abänderung des allgemeinen Handels-
gesetzbuchs machte eine erneute Durchsicht der
Verkehrsordnung nötig, die in den Jahren 1898
und 1899 erfolgte. Hierbei beschränkte man sich
darauf, die Bestimmungen der Verkehrsordnung
mit denen des neuen Handelsgesetzbuchs und dem
inzwischen abgeschlossenen ersten (Pariser) Zusatz-
übereinkommen zum Berner Uebereinkommen
(s. unten) in Einklang zu bringen. Insbesondere
konnten alle die Unstimmigkeiten beseitigt werden,
die in der Verkehrsordnung von 1892 bestehen
geblieben waren, weil einzelne Bestimmungen
des früheren Handelsgesetzbuchs über die Haftung
der E. durch Verträge oder Reglements nicht ge-
ändert werden durften. Außerdem wurden ein-
zelne Neuerungen nach den seit Erlaß der Ver-
kehrsordnung gemachten Erfahrungen eingeführt.
In ihrer neuen Gestalt wurde die nunmehr
„Eisenbahnverkehrsordnung"“ genannte
neue Verordnung unter dem 26. 10. 99 (RGl
557 ff) veröffentlicht. Sie ist am 1. 1. 00 gleich-
zeitig mit dem neuen HGB und dem Be# in
Kraft getreten.
4. Der Abschluß eines zweiten Zusatzüberein-
kommens zum Berner Uebereinkommen v. 19.
9. 06 und ein von der obersten Reichsaufsichts-
behörde angenommenes Bedürfnis des Verkehrs
gab dieser Anlaß zu einer erneuten Durchprüfung
der E. Verkehrsordnung, die zu ihrer vollständigen
Umgestaltung führte. Dic sehr eingehenden Be-
ratungen hierüber, an denen wieder die österreichi-
sche und die ungarische Regierung beteiligt waren,
haben zum Erl der E#O v. 23. 12. 08 (Rhl
1909 S 93 ff) geführt, die am 1. 4. 09 in Kraft
getreten ist.
Ein mit der deutschen Eu# O in allen Haupt-
punkten übereinstimmendes Betriebsreglement ist
in Oesterreich und in Ungarn am 1. 1. 10 in Kraft
getreten.
II. Ueber die rechtliche Bedeutung der
En#O bestanden früher Meinungsverschieden-
heiten. Die Ansichten gingen darüber auseinan-
der, ob die EVO eine die E. und die Verfrachter
bindende gesetzvertretende Verordnung, oder ob
sie nur ein an die E. gerichteter Verw Befehl ist,
der seine Geltung dem Publikum gegenüber aus
dem Vertragsrecht schöpft (vgl. Gerstner im
Arch OefsR 11, 1895 S 161 ff). Diese Streitfrage
ist durch das neue Handelsgesetzbuch dahin ent-
schieden, daß der Verkehrsordnung die Bedeutung
einer Rechtsverordnung beigelegt ist (vgl. 88 454,
460, 462—466, 471 HGB). Namentlich Laband
hat infolgedessen die Auffassung vertreten, daß
die E#O rechtsungültig sei, weil der Bundes-
rat zum Erlaß von Rechtsverordnungen nicht zu-
ständig, ihm auch durch das Handelsgesetzbuch oder
das Einführungsgesetz zu diesem die Zuständigkeit
dazu nicht erteilt sei. Diese Ansicht ist von anderer
Seite bestritten und hat bisher nur vereinzelte
Anhänger, in den Entscheidungen der Gerichte
aber keine Zustimmung gefunden (Bvgl. v. der
Leyen, Z f. Handelsrecht 65 (1909), 28 ff und
die dort ange führte Literatur).
4. b) Inhalt der Eisenbahnverkehrsordnung.
Die E#O gerfällt in 8 Abschnitte, hat 6 Anlagen (A
bis F) und einen Anhang. Sie gilt (Abschn. 1) auf
allen dem öffentlichen Verkehr dienenden Haupt-
und Neben E. Deutschlands, nicht den Kleinbahnen.
Ferner wird bestimmt, unter welchen Voraussetz=
ungen Ausführungsbestimmungen erlassen werden
können, sowie welche Abweichungen und wieweit
vorläufige oder vorübergehende Aenderungen
einzelner Vorschriften zulässig sind.
I. Der zweite Abschnitt (lallgemeine Be-
stimmungen §6.3—9) stellt in Uebereinstim-
mung mit dem H#ldie Pflicht zur Beförderung
fest, handelt von den Zügen, der Haftung der
E. für ihre Leute, Beschwerde-Erhebung, Ent-
scheidung von Meinungsverschiedenheiten, den im
E. Verkehr zulässigen Zahlungsmitteln. Von be-
sonderer Wichtigkceit ist der & 6, in dem die Grund-
sätze über die Aufstellung, Veröffentlichung, Aen-
derung der E.Tarife festgesetzt werden. Preiser-
mäßigungen und Vergünstigungen gegenüber den
öffentlichen Tarifen sind verboten und nichtig.
Tariferhöhungen müssen 2 Monate vor ihrem In-
krafttreten veröffentlicht werden. — Der dritte Ab-
schnitt (SS 10—29) handelt von der Beförde-
rung der Personen. Er beginnt mit den
Fahrplänen, ihrer Veröffentlichung, ihrer Form.
Sodann wird festgesetzt, welche Personen von der
Beförderung ausgeschlossen oder nur bedingungs-
weise zugelassen sind (Personen, die mit gewissen
ansteckenden Krankheiten behaftet sind, die vorge-
schricbene Ordnung verletzen usw.). In den folgen-