Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

scheidung dem Anmeldenden schriftlich bekannt 
macht und ihm die etwa übergebenen Beweis- 
stücke zurückstellt. Weitere Gesuche an die E. oder 
die vorgesetzten Behörden bewirken keine Hem- 
mung der Verjährung (§ 470 HGB v. 10. 5. 97, 
RG# 219 ff; § 71 E#O v. 22. 12. 08, Röl 
1909 S 93). Wegen der Unterbrechung der 
Verjährung bewendet es bei den allgemeinen 
gesetzlichen Vorschriften (& 71 zit.). — Das 
gleiche gilt für den internationalen Gü- 
terverkehr unter den an dem Berner Ueberein- 
kommen beteiligten Staaten (s. Anm. zu §& 1) 
(à 12, à 45 I/5 u. 1JJ Int. Uebereink. v. 74. 10. 90, 
RGBl 1892 S 793; E. BBl 1892 S 355; Zusatz- 
Uebereink. v. 16. 6. 98 zu a. 12, RGBl 1901 S295; 
E. WBl 1901 S 295). [La prescription cess e 
de courir.; si la réclamation est re- 
poussée, la prescription reprend son 
c Ours.) 
Zur Empfangnahme erhobener Mehrfracht und 
zur Geltendmachung von Frachterstat- 
tungsansprüchen ist berechtigt, wer die Mehrzah- 
lung an die E. geleistet hat. Die Nachzahlung hat 
der Absender zu leisten, wenn der Frachtbrief 
nicht eingelöst wird, sonst nur nach Maßgabe 
seines Freivermerks. Im übrigen ist der Empfän- 
ger zur Nachzahlung verpflichtet (570 EO). Sind 
mehrere Bahnen an der Beförderung beteiligt, 
so können die Ansprüche aus dem Frachtvertrage 
im Wege der Klage nur gegen die Ver- 
sandbahn oder gegen diejenige, die das Gut 
zuletzt nach dem Frachtbriese übernommen 
hat (oder gegen die, auf deren Betriebsstrecke sich 
der Schaden ereignet hat), gerichtet werden. 
Dem Kläger steht die Wahl zu. Sein Wahlrecht 
erlischt nach Erhebung der Klage. Widerklage 
oder Aufrechnung aus dem Frachtvertrage können 
auch gegen eine andere als die bezeichneten Bah- 
nen geltend gemacht werden, wenn deren Klage 
sich auf denselben Frachtvertrag gründet (§ 469 
HG#B; § 100 E#O; a27, 28 Intern. Uebereink.). 
Die Klage kann nur vor dem zuständigen Gericht 
des Staates, in dem die beklagte Bahn ihren 
Wohnsitz hat, anhängig gemacht werden (a 271/1 
Intern. Uebereink.). 
6 6. Tarifkontrolle des Reiches. 
I. Der Beaufssichtigung seitens des 
Reiches und seiner Gesetzgebung unter- 
liegt das Eisenbahnwesen (in Bayern vorbehalt- 
lich der Bestimmung im a 46 der R#) im In- 
teresse der Landesverteidigung 
und des allgemeinen Verkehres 
(a 4 Ziff. 8 RV). Demgemäß steht auch die 
Kontrolle über das Tarifwesen 
dem Reiche zu. Das Reich wird namentlich dahin 
wirken, daß die möglichste Gleichmäßig- 
keit und Herabsetzung der Tarife 
erzielt, insbesondere, daß bei größeren Ent- 
fernungen für den Transport von Kohlen, Koaks, 
Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheisen, Düngungs- 
mitteln und ähnlichen Gegenständen ein dem Be- 
dürfnis der Landwirtschaft und Industrie ent- 
sprechender ermäßigter Tarif und zwar zunächst 
tunlichst der Einpfennigtarif eingeführt werde 
(à 45 RV). T[Unter dem „Einpfennigtarif“ ist der 
Satz von 1 Pfennig der alten Währung 
(Silberwährung) für die Zentner-Meile 
zu verstehen, — gleich 2,22 Pfg. Reichswährung 
für das tkm.) 
Eisenbahnen (IV. Tarife) 
  
691 
Bei eintretenden Notständen sind die 
E. Verwaltungen verpflichtet, für den Transport, 
namentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten 
und Kartoffeln, zeitweise einen von dem Kai- 
ser auf Vorschlag des betreffenden Bundesrats- 
ausschusses (d. i. desjenigen für E., Post und Tele- 
graphen, à 8 Ziff. 5 RV) festzustellenden niedrige- 
ren Spezialtarif einzuführen, welcher jedoch nicht 
unter den niedrigsten auf der betreffenden Bahn 
für Rohprodukte geltenden Satz herabgehen darf 
(a 46 RV). Auch ist das Militär und alles 
Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen 
zu befördern (a 47 Satz 2 RV). Letztere Bestim- 
mung gilt auch für Bayern, die übrigen vorbe- 
zeichneten Bestimmungen nicht. 
Die Vorschrift des a 46 (Notstandstarife) ist 
noch nicht praktisch geworden. Für die Beförde- 
rung von Truppen und Militärgütern (a 47) ist 
vom Bundesrate der Militärtarif v. 18. 1. 
99 (RuBl 108) festgesetzt. 
II. Die Tarifkontrolle des Reiches (a 45 R) 
wird durch das Reichs-Eisenbahnamt 
ausgeübt [UEisenbahnbehördentf. Ueber 
die Tarise und deren Veränderungen sind dem 
Reichs-Eisenbahnamte von sämtlichen deutschen 
E. Verwaltungen (außerhalb Bayerns) regel- 
mäßige Nachweisungen vorzulegen, Tariferhöhun- 
gen und Einschränkungen eines direkten Verkehrs 
sind besonders anzuzeigen (s. oben §& 3). 
Von seiten des Reiches, wie schon vorher vom 
Norddeutschen Bunde, ist wiederholt Anlaß ge- 
nommen, auf die Gestaltung der E der deutschen 
E. einzuwirken. 
Aus der Praxis ist hervorzuheben: Von dem 
Kanzler des Norddeutschen Bundes wurden die 
Bundesregierungen am 29. 1. 69 ersucht, bei der 
Erteilung von Konzessionen den E. die Verpflich- 
tung aufzuerlegen, auf Verlangen der Regierung 
bei größeren Entfernungen den Einpfennigtarif 
für die im a 45 der RVbezeichneten Gegenstände 
einzuführen, auch die Genehmigung der Tarife 
und aller Aenderungen der Regierung 
vorzubehalten (s. oben § 2). Größere allge- 
meine Untersuchungen (Enqusten) wur- 
den vom Reich veranstaltet — 1872 über die 
Frage der Differentialtarife infolge 
eines Antrags des Reichstages (Krönig, Differen- 
tialtarife 52 ff) und 1875 über die Grundzüge 
eines einheitlichen Frachttarifsy- 
stems (Beschl v. 13. 2. 75; Ulrich, EWe- 
sen S 253, 255 ff); auch 1901/02 über die Wir- 
kung der im Deutsch-Russischen Handelsvertrage 
— Schlußprotokoll zu a 19 — verabredeten 
russisch-deutschen Tarise auf den Verkehr nach 
den Hafenplätzen Danzig, Königsberg und Memel 
(s. oben & 4). — Vor Genehmigung der allgemei- 
nen Tariferhöhung von 1874 wurde von Preu- 
hen beim Reiche angefragt, ob etwa in Rücksicht 
auf a 45 RV einer solchen Erhöhung Bedenken 
entgegenstehen. Nach vorangegangener durch das 
Rceichseisenbahnamt geführter Untersuchung wurde 
vom B durch Beschl v. 11. 6. 74 erklärt, daß 
„vom Standpunkt des Rciches gegen eine mäßige, 
im Durchschnitt den Betrag von 20 % nicht über- 
schreitende Erhöhung der Er unter gewissen Vor- 
aussetzungen, insbesondere dann nichts zu erinnern 
sei, wenn alsbald — in näher bezeichneter Frist — 
ein einheitliches Tarissystem zur Einführung ge- 
blange.“ Mit derselben Frage beschäftigte sich der 
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