Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Feuerversicherung 
ten. Friedrich der Große entwickelte die So- 
zietät weiter und dehnte sie auf das platte Land 
aus. 
So entstanden in Preußen überall die 
sog. Sozietäten, welchen zum Teil der 
Vers Zwang für Gebäude eingeräumt wurde. Der 
Betrieb lag bei Städten oder Ständen. 
Eine Aufzählung der zur Zeit vorhandenen (29) 
preußischen Sozietäten findet sich u. a. im Jahr- 
buch für die öffentlichen F VAnstalten Deutschlands 
1910. Viele dieser Sozietäten sind zu hoher Blüte 
elangt. Besonders dürften hervorzuheben sein die 
Feuelschietat der Stadt Berlin mit 5 Milliarden 
Mk. Vers Summe, die Schlesische Prov.-F. Sozie- 
tät zu Breslau (3 491 425 610 Mk. Vers S0ummeh), 
die Brandkasse zu Hannover (2 652 813 334 Mk.), 
die westfälische Feuersozietät in Münster 
(2 916 612 140 Mk.), die Sozictät für Posen 
(1 637 663575 Mk.), die Feuersozietät der ost- 
preußischen Landschaft (1 146 154 090 Mk.), die 
westpreußische Sozietät, die Städte-Feuersozietät 
der Prov. Brandenburg, die Land-Feuersozietät 
für Brandenburg, die Pommerische Feuersozietät 
zu Stettin, die Sozietäten für die Stadt Stettin 
und Stralsund, die Magdeburger Land-Feuer- 
sozietät, die Land= und Städte-Feuersozietäten 
für die Prov. Sachsen zu Merseburg, die Schles- 
wig-Holsteinische Landes-Brandkasse zu Kiel, die 
Hessische Brandversicherungsanstalt in Cassel, die 
Nassauische in Wiesbaden und andere. Eine 
eigentliche Provinzialanstalt besteht in der Rhein- 
Provinz mit einer Vers Summe von 4 820 600 514 
Mark. Fast alle genannten Anstalten betreiben 
neben der Immobiliar= auch die Mobiliar Vers. 
Nur bei denjenigen Sozietäten, bei welchen der 
VersBwang noch besteht (Hessen-Cassel u. Nassau), 
mußte von dem Betrieb der Mobiliar Versf abge- 
sehen werden. 
Gleichzeitig mit den preuß. Sozictäten ent- 
standen in den übrigen deutschen Staaten zu- 
meist durch den Staat selbst geleitete Anstalten 
für die Immobiliar F V, so für Bayern (1799), 
Sachsen (1729), Württemberg (1754), 
Baden (1758) und Hessen (1777). 
Den sämtlichen voraufgeführten VerfAnstalten 
kommt die Eigenschaft von öffentlichen 
Anstalten zu, die sich von den Privat Verf Anstalten 
dadurch unterscheiden, daß sie keine Erwerbs- 
zwecke verfolgen und vom Staat, der Provinz 
oder Gemeinde verwaltet werden. 
Bei den deutschen öffentlichen VersfAnstalten 
sind versichert: Immobilien mit 62 036 041 876, 
Mobilien mit 7 443 481 003 Mk.; im Ganzen 
beträgt die Vers Summe 69 478 622 879 Mk. 
& 3. Rechtliche Stellung der Feuerversiche- 
rmugdanstalten. Die Verhältnisse der Privat- 
Verf sind geregelt durch das R v. 12. 5. 0l1 über 
die privaten VerfUnternehmungen, durch wel- 
ches der Geschäftsbetrieb dieser letzteren der stän- 
digen Beaufsichtigung des Kais. Aufsichtsamts 
für Privat Verf unterworfen wird. Die Unterneh- 
mungen bedürfen zum Geschäftsbetrieb der Er- 
laubnis der Aussichtsbehörde. Die öffentl. An- 
stalten unterliegen den Bestimmungen des Auf- 
sichtsgesetzes nicht. 
Während das R v. 12. 5. 01 hauptsächlich die 
öffentlich-rechtliche Seite der FV betrifft, regelt 
das R v. 30. 5. 08 über den Vers Vertrag (VV) 
die Beziehungen zwischen dem Versicherer und 
  
  
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Versicherten und bildet sohin eine Ergänzung 
des B. Nach &192 V6 bleiben alle landes- 
gesetzlichen Vorschriften über Vers Verhältnisse, 
die bei einer nach Landesrecht errichteten öffent- 
lichen Anstalt unmittelbar kraft Gesetzes ent- 
stehen, sowie über Vers, die bei einer solchen An- 
stalt infolge eines gesetzlichen Zwanges genom- 
men werden, unberührt. Die zwingenden Vor- 
schriften des VV G finden auf sonstige Vers, die 
bei einer nach Landesrecht errichteten öffentlichen 
Anstalt genommen werden, keine Anwendung. 
Nur die auf die Rechte Dritter (Hypothekgläubi- 
ger) bezüglichen Bestimmungen gelten auch für 
die öffentlichen Anstalten. 
I. Die durch das VVe den öffentlichen Anstalten 
gewahrte Sonderstellung gab ursprünglich An- 
laß zu mancherlei Bedenken. Indessen wurde bei 
Beratung des Entwurfes des VVG vom Ver- 
treter des Reichsiustizamts die Erklärung abge- 
geben, daß landcsgesetzliche Normativbestimmun- 
gen für die öffentlichen Vers Anstalten erlassen 
werden, welche Gewähr dafür bieten, daß die 
Rechte der Vers Nehmer bei den preuß. öffentlichen 
FVlnstalten nicht hinter denjenigen zurückbleiben, 
welche den Vers Nehmern bei den deutschen priva- 
ten FVGesellschaften nach dem Reichsgesetz über 
den Vers Vertrag zustehen. 
Diese Zusage wurde in Preußen eingelöst 
durch das Gesetz, betr. die öffentlichen F VAn- 
stalten vom 25. 7. 1910, durch welches die Or- 
ganisation der preußischen Sozietäten und das 
ganze Vers Verhältnis bei ihnen im Interesse des 
gemeinen Nutzens geregelt wird. 
Der Inhalt dieses am 1. 10. 10 in Kraft getrete- 
nen Gesetzes ist folgender: Die Errichtung öffent- 
licher F WAnstalten bedarf Kgl Genehmigung und 
darf nur im Interesse des gemeinen Nutzens, nicht 
aber zu Erwerbszwecken erfolgen. Den Sozietäten 
werden im Interesse der Versicherten verschiedene 
Verpflichtungen auferlegt, insbesondere die Pflicht, 
alle im Sozictätsbezirke gelegenen Gebäude zur 
Vers anzunehmen (Annahmezwang). Die So- 
zietäten sind ferner verpflichtet, die Gebäude- 
versicherung auch im Falle des Eigentumswechsels 
oder nicht pünktlicher Beitragszahlung fortzu- 
setzen. Die Verf darf nur zum Zweck der Scha- 
densvergütung betrieben werden. Endlich sind 
die öffentlichen Anstalten gehalten, aus ihren 
Mitteln die Feuersicherheit und das Feuerlösch- 
wesen zu fördern und zu unterstützen. Den So- 
zietäten sind auch nach wie vor Sonderrechte in 
Bezug auf Gebühren, zwangsweise Beitreibung 
der Beiträge und die Requisitionsbefugnis gegen- 
über den Behörden eingeräumt. Dagegen ist 
ihre Geschäftstätigkeit stets auf einen bestimmten 
Bezirk eingeschränkt. Zur Sicherung des An- 
nahmezwanges steht dem Vers Nehmer gegen die 
Ablehnung der Verf das Rechtsmittel der Be- 
schwerde an den Bezirksausschuß zu. Die Sozie- 
täten haben sich die Grundlagen der Verf durch 
Schätzungen der Gebäude zu verschaffen. Jeder 
Sozietät wird ein „Verwaltungsrat" beigegeben, 
der ausschließlich aus versicherten Anstaltsmit- 
liedern besteht und in allen wichtigeren Ange- 
egenheiten gutachtlich einzuvernehmen ist. 
Mit der Annahme jenes Gesetzes im preußischen 
Abgeordnetenhause wurde von diesem eine Reso- 
lution beschlossen, welche verlangt, daß öffentliche 
Vers Anstalten, deren gesondertes Nebeneinander-
	        
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