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Freiwillige Gerichtsbarkeit (Urkunden)
d) des reinen gerichtlichen Ur-
kundamts,, das kein Notariat neben sich hat:
in Oldenburg, Sachsen--Weimar, Schwarzburg-
Rudolstadt und den beiden Lippe.
Das Reichsrecht hat unter diesen Umständen
als die ordentliche Form der öffentlichen Urkunde
die gerichtliche oder notarielle be-
zeichnet, von deren Beobachtung es die Gültig-
keit einer Anzahl der wichtigsten Rechtsgeschäfte
abhängig macht, darunter die Grundstücks-Ver-
äußerungen (§ 313 BGB), Schenkungs-Verspre-
chen (5 518), Eheverträge (§F 1434), Annahme an
Kindesstatt (§ 1770), Testamente (§ 2231; jedoch
ist auch das eigenhändige Privat-Testament zu-
gelassen), Erbverträge (§ 2276), Erbverzichte
(§5 2371), Erbschaftskäufe (§ 2371, 2033), Ge-
sellschafts-Verträge der Aktien-Gesellschaften (§8
182, 321 HE#), der Gesellschaften mit beschränk-
ter Haftung (§2 Gv. 20. 4. 92), der Versicherungs-
Vereine auf Gegenseitigkeit (5 17 Gv. 12. 5. 01).
Die in diesen Vorschriften zugelassene Wahl zwi-
schen der gerichtlichen und der notariellen Form
ist aber zu verstehen mit Rücksicht auf die landes-
rechtlichen Urkund-Verfassungen, nach welchen es
sich bestimmt, ob nur die notarielle oder nur die
gerichtliche Form oder beide neben einander zu-
gelassen sind. a 141 Ec z. BGB hat dies aus-
drücklich klargestellt.
2. Neben den Gerichten und Notaren sind in
beschränktem Umfange zur öffentlichen Beurkun-
dung befugt:
A. Kraft Reichsrechts:
a) das Grundbuchamt (welches aller-
dings in den meisten Bundesstaaten mit dem Ge-
richte zusammenfällt): zur Beurkundung aller
Grundbuch-Erklärungen (5 29 GB0O) und, unter
Ausschluß der Gerichte und Notare, zur Entgegen-
nahme der Auflassung und Erbbaurechts-Bestel-
lung (§#| 925, 1015 BGB); doch kann in letzterer
Beziehung das Landesrecht auf Grund des Vor-
behalts im a 143 Ech z. B#B an die Stelle des
Grundbuchamts andere Behörden oder die Notare
setzen, und es hat davon in einem solchen Maße
Gebrauch gemacht, daß die grundbuchamtliche
Auflassung in den meisten Bundesstaaten als aus-
schließliche nicht besteht. Es ist vielmehr neben ihr
die gerichtliche oder notarielle Auflassung zuge-
lassen in Sachsen, Bayern, Baden, Elsaß-Lothrin=
gen, Hessen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Meinin-
gen, Reuß j. L., Schwarzburg-Rudolstadt, Anhalt,
Oldenburg, Bremen, Lübeck, Mecklenburg. In
Württemberg ist das Notariat Grundbuchamt, die
Auflassung also von selbst notariell, übrigens auch
vor dem Ratsschreiber und in beschränktem Um-
fange vor dem Amtsgerichte zulässig. In Rhein-
preußen ist die gerichtliche und notarielle, im übri-
gen Preußen nur die grundbuchamtliche Auflas-
sung zugelassen;
b) das Register-Gericht (bezw. sein
Gerichtsschreiber): zu Beurkundungen und Be-
glaubigungen innerhalb seines Bereichs (§§5# 12,
196 HG, z8 107, 159, 161 GF);
c) die Gemeinde- und Gutsvor-
steher: zur Beurkundung von Not-Testamenten
(8 2249 BGB a 150 Ec# z. Bs);
4) Gerichts= und Postbeamte: zur
Aufnahme von Wechsel= und Scheck-Protesten
(a 87 WechselO in der Fassung v. 30. 5. 08;
Schecke# v. 11. 3. 08);
e) die Standesbeamten: zu Beurkun-
dungen innerhalb ihres Bereichs, zu welchen auch
das bei Anzeige der Geburt abgegebene Vater-
schafts-Anerkenntnis gehört (5 167 GFG);
f) die Kriegs= und Ober-Kriegs-
gerichtsräte für Militär im Felde und Ma-
rine außerhalb eines inländischen Hafens (G v.
28. 5. 01);
8) jeder Offizier zur Aufnahme privilegier-
istarischer Testamente (§F 44 RMil G v. 2. 5.
h) die Konsuln: für Rechtsgeschäfte von
Reichs-Angehörigen in demselben Umfange wie
die Notare (mit einer kleinen Abweichung bei den
Wahlkonsuln: § 16 Kons G#v. 8. 11. 67); über-
dies haben sie in gewissem Umfange die Befug-
nisse der Standesbeamten (5 13 das.), und, wo
ihnen Gerichtsbarkeit zusteht, die der Gerichte
(§7 Gv. 7. 4. 00); in vielen Staatsverträgen sind
ihnen Befugnisse zur Mitwirkung bei Ordnung
von Nachlässen eingeräumt.
B. Kraft Landesrechts:
a) die Gerichtsschreiber im größten
Teile des Reichs zur Siegelung und Inventur
von Nachlässen, in Sachsen und einigen kleineren
Gebieten auch zur Unterschrifts-Beglaubigung;
b) die Ratsschreiber und Grund-
buch-Hilfsbeamten in Württemberg und
Baden zur Beurkundung von Grundstücks-Ver-
äußerungen und Auflassungen, sowie Abschrifts-
und Unterschrifts-Beglaubigung;
c) die Gemeindebehörden (in beson-
derer Zusammensetzung unter dem Namen Dorf-
gerichte, Ortsgerichte, Gerichtsschöppen u. ähnl.)
in Preußen, Sachsen, Hessen, Mecklenburg und
einigen kleineren Staaten zur Siegelung von Nach-
lässen, Schätzung von Grundstücken, zuweilen auch
in beschränktem Umfange zur Unterschrifts-Be-
glaubigung und Grundstücks Veräußerung:
d) die Gerichtsvollzieher in Preußen
und vielen anderen Staaten zur freiwilligen
Fahrnis-Versteigerung, zu Siegelungen und In-
venturen u. dergl.;
e) Schätzer und Versteigerer in eini-
gen Ländern zu den durch ihren Namen angedeu-
teten Verrichtungen;
1) gewisse Verwaltungs-Behörden
und Beamte zu Beurkundungen innerhalb
ihres Bereichs (so Enteignungs-, Ansiedelungs--,
Auseinandersetzungs-Behörden); überhaupt ist in
den meisten Staaten jede Behörde, die bei einer
Grundstücks-Veräußerung beteiligt ist, zu deren
Beurkundung befugt.
3. Die Form der öffentlichen Ur-
kunde ist in der Hauptsache durch das Reichs-
recht, und zwar überaus einfach, geordnet. Ein
Protokoll ist aufzunehmen, das Ort und Tag, die
Bezeichnung der Parteien und der Urkundperson
sowie die Erklärung der Parteien enthält, vorge-
lesen, genehmigt und von Parteien und Urkund-
person unterschrieben wird (§§5 168 bis 182 GFG).
Zeugen (oder an ihrer Statt ein zweiter Notar,
bei gerichtlichen Urkunden ein Gerichtsschreiber)
sind nur für taube, blinde, stumme, schreibens-
unkundige Parteien, sowie bei Testamenten und
Erbverträgen zuzuziehen (§§ 2232 ff). Nicht ein-
mal der Unterschrift der Parteien bedürfen die
Urkunden über Beschlüsse der General-Versamm-
1 lungen von Attien-Gesellschaften (§## 259, 320