Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

— — —— —„ — — —— 
850 
Freiwillige Gerichtsbarkeit (Urkunden) 
  
  
d) des reinen gerichtlichen Ur- 
kundamts,, das kein Notariat neben sich hat: 
in Oldenburg, Sachsen--Weimar, Schwarzburg- 
Rudolstadt und den beiden Lippe. 
Das Reichsrecht hat unter diesen Umständen 
als die ordentliche Form der öffentlichen Urkunde 
die gerichtliche oder notarielle be- 
zeichnet, von deren Beobachtung es die Gültig- 
keit einer Anzahl der wichtigsten Rechtsgeschäfte 
abhängig macht, darunter die Grundstücks-Ver- 
äußerungen (§ 313 BGB), Schenkungs-Verspre- 
chen (5 518), Eheverträge (§F 1434), Annahme an 
Kindesstatt (§ 1770), Testamente (§ 2231; jedoch 
ist auch das eigenhändige Privat-Testament zu- 
gelassen), Erbverträge (§ 2276), Erbverzichte 
(§5 2371), Erbschaftskäufe (§ 2371, 2033), Ge- 
sellschafts-Verträge der Aktien-Gesellschaften (§8 
182, 321 HE#), der Gesellschaften mit beschränk- 
ter Haftung (§2 Gv. 20. 4. 92), der Versicherungs- 
Vereine auf Gegenseitigkeit (5 17 Gv. 12. 5. 01). 
Die in diesen Vorschriften zugelassene Wahl zwi- 
schen der gerichtlichen und der notariellen Form 
ist aber zu verstehen mit Rücksicht auf die landes- 
rechtlichen Urkund-Verfassungen, nach welchen es 
sich bestimmt, ob nur die notarielle oder nur die 
gerichtliche Form oder beide neben einander zu- 
gelassen sind. a 141 Ec z. BGB hat dies aus- 
drücklich klargestellt. 
2. Neben den Gerichten und Notaren sind in 
beschränktem Umfange zur öffentlichen Beurkun- 
dung befugt: 
A. Kraft Reichsrechts: 
a) das Grundbuchamt (welches aller- 
dings in den meisten Bundesstaaten mit dem Ge- 
richte zusammenfällt): zur Beurkundung aller 
Grundbuch-Erklärungen (5 29 GB0O) und, unter 
Ausschluß der Gerichte und Notare, zur Entgegen- 
nahme der Auflassung und Erbbaurechts-Bestel- 
lung (§#| 925, 1015 BGB); doch kann in letzterer 
Beziehung das Landesrecht auf Grund des Vor- 
behalts im a 143 Ech z. B#B an die Stelle des 
Grundbuchamts andere Behörden oder die Notare 
setzen, und es hat davon in einem solchen Maße 
Gebrauch gemacht, daß die grundbuchamtliche 
Auflassung in den meisten Bundesstaaten als aus- 
schließliche nicht besteht. Es ist vielmehr neben ihr 
die gerichtliche oder notarielle Auflassung zuge- 
lassen in Sachsen, Bayern, Baden, Elsaß-Lothrin= 
gen, Hessen, Sachsen-Weimar, Sachsen-Meinin- 
gen, Reuß j. L., Schwarzburg-Rudolstadt, Anhalt, 
Oldenburg, Bremen, Lübeck, Mecklenburg. In 
Württemberg ist das Notariat Grundbuchamt, die 
Auflassung also von selbst notariell, übrigens auch 
vor dem Ratsschreiber und in beschränktem Um- 
fange vor dem Amtsgerichte zulässig. In Rhein- 
preußen ist die gerichtliche und notarielle, im übri- 
gen Preußen nur die grundbuchamtliche Auflas- 
sung zugelassen; 
b) das Register-Gericht (bezw. sein 
Gerichtsschreiber): zu Beurkundungen und Be- 
glaubigungen innerhalb seines Bereichs (§§5# 12, 
196 HG, z8 107, 159, 161 GF); 
c) die Gemeinde- und Gutsvor- 
steher: zur Beurkundung von Not-Testamenten 
(8 2249 BGB a 150 Ec# z. Bs); 
4) Gerichts= und Postbeamte: zur 
Aufnahme von Wechsel= und Scheck-Protesten 
(a 87 WechselO in der Fassung v. 30. 5. 08; 
Schecke# v. 11. 3. 08); 
  
e) die Standesbeamten: zu Beurkun- 
dungen innerhalb ihres Bereichs, zu welchen auch 
das bei Anzeige der Geburt abgegebene Vater- 
schafts-Anerkenntnis gehört (5 167 GFG); 
f) die Kriegs= und Ober-Kriegs- 
gerichtsräte für Militär im Felde und Ma- 
rine außerhalb eines inländischen Hafens (G v. 
28. 5. 01); 
8) jeder Offizier zur Aufnahme privilegier- 
istarischer Testamente (§F 44 RMil G v. 2. 5. 
h) die Konsuln: für Rechtsgeschäfte von 
Reichs-Angehörigen in demselben Umfange wie 
die Notare (mit einer kleinen Abweichung bei den 
Wahlkonsuln: § 16 Kons G#v. 8. 11. 67); über- 
dies haben sie in gewissem Umfange die Befug- 
nisse der Standesbeamten (5 13 das.), und, wo 
ihnen Gerichtsbarkeit zusteht, die der Gerichte 
(§7 Gv. 7. 4. 00); in vielen Staatsverträgen sind 
ihnen Befugnisse zur Mitwirkung bei Ordnung 
von Nachlässen eingeräumt. 
B. Kraft Landesrechts: 
a) die Gerichtsschreiber im größten 
Teile des Reichs zur Siegelung und Inventur 
von Nachlässen, in Sachsen und einigen kleineren 
Gebieten auch zur Unterschrifts-Beglaubigung; 
b) die Ratsschreiber und Grund- 
buch-Hilfsbeamten in Württemberg und 
Baden zur Beurkundung von Grundstücks-Ver- 
äußerungen und Auflassungen, sowie Abschrifts- 
und Unterschrifts-Beglaubigung; 
c) die Gemeindebehörden (in beson- 
derer Zusammensetzung unter dem Namen Dorf- 
gerichte, Ortsgerichte, Gerichtsschöppen u. ähnl.) 
in Preußen, Sachsen, Hessen, Mecklenburg und 
einigen kleineren Staaten zur Siegelung von Nach- 
lässen, Schätzung von Grundstücken, zuweilen auch 
in beschränktem Umfange zur Unterschrifts-Be- 
glaubigung und Grundstücks Veräußerung: 
d) die Gerichtsvollzieher in Preußen 
und vielen anderen Staaten zur freiwilligen 
Fahrnis-Versteigerung, zu Siegelungen und In- 
venturen u. dergl.; 
e) Schätzer und Versteigerer in eini- 
gen Ländern zu den durch ihren Namen angedeu- 
teten Verrichtungen; 
1) gewisse Verwaltungs-Behörden 
und Beamte zu Beurkundungen innerhalb 
ihres Bereichs (so Enteignungs-, Ansiedelungs--, 
Auseinandersetzungs-Behörden); überhaupt ist in 
den meisten Staaten jede Behörde, die bei einer 
Grundstücks-Veräußerung beteiligt ist, zu deren 
Beurkundung befugt. 
3. Die Form der öffentlichen Ur- 
kunde ist in der Hauptsache durch das Reichs- 
recht, und zwar überaus einfach, geordnet. Ein 
Protokoll ist aufzunehmen, das Ort und Tag, die 
Bezeichnung der Parteien und der Urkundperson 
sowie die Erklärung der Parteien enthält, vorge- 
lesen, genehmigt und von Parteien und Urkund- 
person unterschrieben wird (§§5 168 bis 182 GFG). 
Zeugen (oder an ihrer Statt ein zweiter Notar, 
bei gerichtlichen Urkunden ein Gerichtsschreiber) 
sind nur für taube, blinde, stumme, schreibens- 
unkundige Parteien, sowie bei Testamenten und 
Erbverträgen zuzuziehen (§§ 2232 ff). Nicht ein- 
mal der Unterschrift der Parteien bedürfen die 
Urkunden über Beschlüsse der General-Versamm- 
1 lungen von Attien-Gesellschaften (§## 259, 320
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.