Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
Fürsorgeerziehung 
  
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gung. Es muß von Amts wegen prüfen, ob 
denen Staaten einen verschiedenen Charakter ge- 
Ueberweisung nötig ist oder nicht. Eine Anregung wannen. Dennoch hat lange Zeit hindurch keines 
wird jedoch von Einfluß sein. Deshalb verlangt 
die Anklagebehörde in Preußen vor der Haupt- 
verhandlung von den Ortsbehörden eine Aeuße- 
rung darüber, ob FE zweckmäßig sei. Und bei den 
Iugendgerichten werden pädagogische Sachver- 
ständige über diese Frage gehört. Ordnet das 
Strafgericht die FE an, so benachrichtigt die 
Strafvollstreckungsbehörde die Verw Behörde. 
Diese hat dann meist die Landespolizeibehörde in 
Kenntnis zu setzen. Letztere bestimmt den Voll- 
zug, die Art und den Ort der Unterbringung. Die 
Kosten trägt meist der Staat, während er bei der 
planmäßiges einheitliches 
landesrechtlichen FE z. B. in Preußen nur einen 
dieser Gesetze es vermocht, aus den verschiedenen 
Arten der öffentlichen E ein lückenloses Ganzes 
zu schaffen, welches grundsätzlich alle von der 
Verwahrlosungsgefahr bedrohten jungen Men- 
schen umfaßt. Man übersah, daß es sich in allen 
Fällen um Erreichung eines und desfsel- 
ben auf dem Gebicte der Erziehung lie- 
genden Zieles handelt: „das fürsorgebedürftige 
Kind zu einem brauchbaren Mitglied der Gesell- 
schaft zu erziechen“. Infolgedessen ist es notwen- 
dig, alle Zweige der öffentlichen EFürsorge so zu 
Zuschuß zahlt und der Rest von den größeren 
Kommunalverbänden getragen wird. 
StEnur von AnstaltsE spricht, besteht Streit 
über die Zulässigkeit der Familienunterbringung. 
Die die Zulässigkeit bejahende Ansicht verdient 
aus praktischen Gründen den Vorzug. 
§ 4. Fürsorge-Erziehung nach Landesrecht. 
I1I. Im allgemeinen. Nach der Auf- 
fassung des Gesetzgebers (Mot 4, 800) ist das im 
BGB geregelte Familienrecht Privatrecht, 
das neben §8§ 1666, 1838 Bn aber noch mögliche 
weitere FeRecht öffentliches Recht, 
steht wenigstens mit dem öffentlichen Recht im 
engsten Zusammenhange und „beruht auf sozial- 
politischen Gründen“. Deshalb überweist das 
Einführungsgesetz zum Bn das FéE- 
Recht der Landesgesetzgebung in a 135: 
„Unberührt bleiben die Landes-Vorschriften über die 
Zw.E Minderiähriger. Die Zw. E ist jedoch, unbeschadet 
der Vorschriften der ## 55, 56 St EB nur zulässig, wenn 
sie von dem Vorm. Ger. angeordnet wird. Die Anordnung 
kann außer den Fällen der 1# 1666, 1838 BGB nur erfol- 
gen, wenn die Zw.E zur Verhütung des völligen sittlichen 
Verderbens notwendig ist. 
Die Landesgesetze können die Entscheidung darüber, ob 
der Minderjährige, dessen 3w.E angeordnet ist, in einer 
Familie oder in einer Erziehungs- oder Besserungsanstalt 
unterzubringen sei, einer Verw Behörde übertragen, wenn 
die Unterbringung auf öffentliche Kosten zu erfolgen hat.“ 
Jedes landesrechtliche FEGesetz mufß sich inner- 
halb der durch a 135 gezogenen Grenzen halten, 
braucht sic aber nicht völlig auszufüllen. Das 
landesrechtliche FE#l# kann also nicht etwa, wie 
das schweizerische Zivilgesetzbuch, die FE zwar 
gefährdeter, aber noch unverdorbener Kinder 
dann anordnen, wenn die Inhaber der elterlichen 
Gewalt diese Gefahr nicht verschulden. 
Schuld muß vielmehr als Voraussetzung bestehen 
bleiben. Es ist ferner aus dem Wortlaute wie aus 
der Entstehungsgeschichte des a 135 zu schließen, 
daß das landesrechtliche FE# nicht etwa cin 
bloßes Ausführungsgesetz sein soll zu 
§6 l 1666, 1838 BGB, bestimmt dieses Reichsprivat- 
recht zu finanzieren. Das FE#G soll vielmehr 
ein sozialpolitisches Gesetz sein, also lediglich eine 
Massenerscheinung —die Verwahr- 
losung — bekämpfen, nicht auch die anders- 
gearteten Wohlge fährdungen, welche zur Anwen- 
dung des § 1666 Veranlassung geben konnten. 
Dennoch hat sich eine Reihe von Landesge- 
setzen den Charakter als Ausführungsgesetz bei- 
gelegt. Man glaubte damit gerade das dem 
Willen des Reichsrechts entsprechende zu tun. 
So kommt es, daß die FEesetze in den verschie- 
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. I. 
Da das 
Die 
  
  
organisieren und zu zentralisieren, daß sie ein 
Vorgehen bedeutet, 
ohne doch die individuelle Behandlung des Zög- 
lings zu hindern. „Die Ausführung der öffent- 
lichen E wäre völlig zu trennen von der Ueber- 
nahme der Kostenpflicht“. Dieser Zentralisation 
des öffentlichen FEWesens hat sich in neuester 
Zeit die Gesetzgebung von Hamburg genähert 
(siehe unten Hamburg §5 VIII). 
Von den übrigen Landesgesetzen unterscheiden 
sich die als „Ausführungsgesetze“ zu charakteri- 
sierenden von den anderen hauptsächlich dadurch, 
daß sie Maßregeln auf öffentliche Kosten stets 
eintreten lassen, wenn die Voraussetzungen der 
§## 1666, 1838 B# vorliegen, während die 
übrigen Gesetze außerdem das Vorliegen eines 
bestimmten öffentlichen Interesses: „Notwendig- 
keit zur Verhütung der Verwahrlosung verlangen“. 
Zu den ersteren gehören: Anhalt, Braunschweig, 
Bremen, Elsaß-Lothringen, Hessen, Lippe, Lübeck, 
Mecklenburg, Oldenburg, Reuß, Altenburg, Ko- 
burg-Gotha, Meiningen, Weimar-Eisenach, Ru- 
dolstadt, Württemberg und Sondershausen. Den 
entgegengesetzten Weg beschreiten Preußen, 
Bayern, Sachsen, sodann Baden, Hamburg und 
Waldeck. 
. Landesrecht: Einzelheiten. 
I. Preußen. Das G v. 2. 7. 00 nennt sich, gleich 
dem Gesetz für Württemberg, Waldeck und dem 
Gesetze für Sachsen: „Gesetz über die FE 
Minderjähriger“, während die übrigen Staaten 
„Zwangs“-EGesetze haben. 
1. In sachlicher Hinsicht bestimmt 8 1: 
Ein Minderiähriger, welcher das 18. Lebensjahr noch 
nicht vollendet hat, kann der FE überwiesen werden: 
1. wenn die Voraussetzungen des # 1666 oder des & 1838 
des B # vorliegen und die FE erforderlich ist, um 
die Verwahrlosung des Minderjährigen zu verhüten; 
2. wenn der Minderjährige eine strafbare Handlung be- 
Kangen hat, wegen deren er in Anbetracht seines jugend- 
lichen Alters strafrechtlich nicht verfolgt werden kann, 
und die FE mit Rücksicht auf die Beschaffenheit der 
Handlung, die Persönlichkeit der Eltern oder sonstigen 
Erzieher und die übrigen Lebensverhältnisse zur Ver- 
hütung weiterer sittlicher Verwahrlosung des Minder- 
jährigen erforderlich ist; 
3. wenn die FE außer diesen Fällen wegen Unzulänglich- 
keit der erziehlichen Einwirkung der Eltern oder sonsti- 
gen Erzieher oder der Schule zur Verhütung des völli- 
gen sittlichen Verderbens des Minderijährigen not- 
wendig ist. 
Die spätestens vor vollendetem 18. Lebens- 
jahre angeordnete FE kann dann bis zum vollen- 
deten 21. Lebensjahre dauern. Eine frühere Be- 
endigung der FE kann durch die Behörden ver- 
fügt werden, wenn der Zweck der FE erreicht, 
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