Gemeindeschulden
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Luch, soweit sich finanzwirtschaftlich die Auf-
nahme von Anleihen rechtfertigen lassen sollte,
wird man ein gewisses Maß schon deshalb
beobachten müssen, weil jede durch Anleihe
geschaffene Einrichtung erheblich teurer zu
stehen kommt, als eine aus bereiten Mitteln ge-
deckte, weil noch auf lange Jahre hinaus Zinsen
für die Anleihe gezahlt werden müssen. Fonds-
ansammlungen sind daher in gewissen
Grenzen für Schul= und ähnliche Bauten gut-
zuheißen (Most 48; Zahn, Die Bildung von
Reservefonds in den Großstädten behufs Ein-
schränkung der Schuldaufnahmen, Fin.-Arch
Bd. 24. S. auch Preuß. Min E v. 23. 8. 07,
Bayerische Berw Vorschriften v. 11. 8. 07 Ziff. 3;
Hess. v. 13. 8. 08 Ziff. 1: Württemb. Verw.
v. 8. 8. 07). Bei Betriebsanlagen ist eine aus-
giebige Gestaltung von Erneuerungsfonds
zu empfehlen. Der Erleichterung der Mittelbeschaf-
fung und Schonung der gegenwärtigen Gene-
ration durch Anleihen steht außer der Verteue-
rung auch der weitere Nachteil gegenüber, daß
durch solche im voraus erfolgende Belastung künf-
tiger Finanzperioden die spätere Finanz-
wirtschaft gebunden, die spätere steuer-
zahlende Generation mehrbelastet und hierdurch
der für Befriedigung neu hervortretender oder
erweiterter Anforderungen verbleibende Spiel-
raum verringert wird. Dieser Nachteil wiegt um
so schwerer, je weiter die Belastung sich in die
Zukunft hinaus erstreckt und je weniger daher
eine Vorausberechnung des neu hinzutretenden
Bedarfes möglich ist, bezw. je mehr der Gang
der Entwicklung auf eine Erweiterung des Be-
darfes hinweist. Es ist daher ein berechtigtes
Bestreben der Gesetzgebung, die Anleiheaufnah=
men der Gem auf Fälle dringender Notwendig-
keit oder erheblichen Nutzens zu beschränken
und sie zugleich so zu regeln, daß das Maß der
von der Gem zu bringenden Opfer möglichst ver-
mindert und eine zu erhebliche Beeinträchtigung
der dieser Finanzwirtschaft auch für die Zukunft
nötigen freien Bewegung vermieden werde. Hier-
zu dienen teils Vorschriften, welche die Anleihe-
aufnahmen der Gem von gewissen mate-
riellen Voraussetzungen abhängig machen (52)
oder ein den Mißbrauch jenes Auskunftsmittels
verhütendes Genehmigungs-Verfahren — sor-
melle Garantien (5 3) — anordnen, teils po-
sitive Veranstaltungen, welche eine dem Bedürf-
nisse der Gem sich anpassende Kreditgewährung
schaffen (z. B. in England: Public Works Loans).
Da Veranstaltungen der letzteren Art in Deutsch-
land bislang nur in verhältnismäßig geringem
Umfange ausgebildet worden sind, bleiben hier
zunächst nur jene erstgenannten beiden Formen
der Einwirkung zu behandeln. Einer besonderen
Erwähnung bedürfen dabei die Grundsätze, welche
für die in der Form der Inhaberpapiere
Eusstnepmenden Anleihen maßgebend sind (un-
n 8 4).
52. Materielle Erfordernisse. Als allgemeiner
Satz des VerwRechts bezw. der Verw Praxis
gilt, daß Anleiheaufnahmen seitens der Gem
nur in Fällen dringender Not oder
erheblichen Nutzens zulässig sind. Ebenso
pflegt die Zulässigkeit der Anleiheaufnahme von
der Vorbedingung der Aufstellung und Fest-
setzung eines die Rückzahlung der Darlehnssumme
binnen einer nicht zu weit in die Zukunft sich er-
streckenden Zeitperiode sichernden Tilgungs-
planes abhängig gemacht zu werden, eine Vor-
bedingung, die auch für die Eingehung anderer
die Gem auf längere Zeit belastender Schulden
zu gelten pflegt. Die Form der in den Großstaa-
ten üblichen „.unkündbaren“ Renten ist hiernach
bei uns den Gem noch allgemein verschlossen.
Die Staaten, welche die obengenannten Erfor-
dernisse in die Gestalt eines Rechtssatzes gebracht
haben, bilden die Minderheit. Am präzisesten und
vollständigsten hat der in Rede stehende Grundsatz
Ausdruck gefunden in den Gem, für das rechts-
rheinische Bayern (a 61) und für die Pfalz
(à 45): „Die Aufnahme eines Anlehens kann nur
zur Abtragung aufgekündeter Kapitalien oder zur
Bestreitung unvermeidlicher oder zum dauernden
Vorteile der Gem dienender Ausgaben stattfinden,
wenn die Deckung dieser Ausgaben aus anderen
Hilfsquellen nicht ohne Ueberbürdung der Gem-
Angehörigen geschehen kann“ a 62 bezw. 46:
„Für alle Gem Schulden müssen Tilgungspläne
vorgelegt werden, welche auf nachhaltigen Ein-
nahmen für die Verzinsung und Tilgung beruhen
und der vorgesetzten Berw Behörde vorzulegen
sind. Mit Ausnahme außerordentlicher Notfälle
darf ohne vorgängige Feststellung und Vorlage
des Tilgungsplanes kein neues Anlehen aufge-
nommen werden.“ Vgl. ferner die Ministerial-
entschließung v. 11. 10. 07 über die gemeind-
liche Anleihewirtschaft (MAl 48, 2). Aehnlich
in Württemberg GempO v. 1906 a 128.
Die säch si ssche rev. StO und LGO v. 1873
sagt in § 13 nur: „Die etwa vorhandenen oder
künftig entstehenden Schulden der Gem sind ohne
Angriff des Stammvermögens zu tilgen und ist
zu diesem Zwecke für jede Schuld ein Tilgungs-
plan festzustellen.“
Die badische Gem v. 19. 10. 06 ordnet in
5101 an, daß Anleihen — soweit es sich nicht um
Kapitalaufnahmen zur Abtragung aufgekündigter
Kapitalien oder um schwebende Schulden handelt
— nur „nötig werden können, wenn die ordentl.
Einkünfte der Gem erschöpft und u einer un-
vermeidlichen, höchstnützlichen Aus-
gabe keine anderen zweckmäßigeren außerordent-
lichen Einnahmen aufzufinden sind“.
Die Vorschriften in Bayern und Baden wird
man als erschöpfend gefaßt nach dem in 8 1
Gesagten nicht anerkennen können. Ueberhaupt
wird es schwer sein, in einem kurzen Gesetzes-
paragraphen alle die Fälle zu erschöpfen, in denen
Anleihen zulässig und zweckmäßig sein können.
In Preußen sind denn auch die materiellen
Fälle, in denen kommunale Anleihen ausgenom-
men werden dürfen, nicht im Gesetzes-
wege, sondern durch Verwaltungsvor-
schriften, namentlich durch den grundlegen-
den Erlaß v. 1. 6. 91 (MBli V 84) und spä-
tere Ergänzungen v. 6. 8. 92 (a. a. O. 321),
14. 8. 02 (a. a. O. 174), 23. 8. 07 (d. a. O. 261),
11. 1. 08 (a. a. O. 11) festgelegt. Darnach sollen
Anleihen nur zugelassen werden, wenn der Zweck
ein gemeinnütziger ist, wenn die Anlage nicht nur
der Gegenwart, sondern auch der ferneren Zu-
kunft zugute kommt, und wenn es sich endlich um
eine außerordentliche Ausgabe handelt, die nicht
in kurzen Zeiträumen periodisch wiederkehrt.
Dabei darf man natürlich nicht auf die Einzel-