Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gemeindeschulden 
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Aufnahme der Anleihe durch Ausgabe von auf 
den Inhaber lautenden und daher für 
einen weiteren Umlauf und Gläubigerkreis be- 
rechneten Schuldtiteln bewirkt wird, da den wei- 
ten Kreisen, die an dem Verkehr mit derartigen 
Schuldurkunden beteiligt zu sein pflegen, eine in 
das einzelne gehende Beurteilung der Sicherheit 
nicht zugemutet werden kann. Der Umstand, daß 
es sich hier um wichtige Interessen der Solidität 
und Begquemlichkeit des Effektenverkehrs über- 
haupt handelt, begründet die Forderung einer 
besonders strengen Prüfung, für die nicht bloß 
Gesichtspunkte der Bevormundung der betreffen- 
den Gemeinden, sondern auch allgemeine polizei- 
liche und finanzpolitische Gesichtspunkte maß- 
gebend sind. In neuerer Zeit namentlich kommt 
für die Genehmigung derartiger Inhaberobliga- 
tionen der Gesichtspunkt der Konkurrenz hinzu, 
die den Staatspapieren aus einer zu großen und 
unzeitigen Ausgabe von Stadt-Obligationen er- 
wachsen kann. Zu den formellen Vorbedingungen, 
die für die Ausgabe von Papieren auf den In- 
haber seitens der Gem zu erfüllen sind, gehört 
daher allgemein Erlangung einer auf den kon- 
kreten Fall bezüglichen Genehmigung des Staa- 
tes, deren Erteilung abgesehen von der Erfül- 
lung der in # 2 gedachten materiellen Erfor- 
dernisse und insbesondere des Nachweises, daß 
neben der Verzinsung auch die in angemes- 
sener Zeitperiode zu bewirkende Tilgung der 
Anleihe gesichert sei, die Erfüllung derjenigen 
Anforderungen voraussetzt, welche die Ein- 
fügung der betreffenden Papiere in das 
System des Effektenverkehrs mit sich bringt. 
Die Ausgabe von Inhaberobligationen war 
in Preußen bis zum Erlaß des BGB an Aller- 
höchste Genehmigung geknüpft. Seitdem wird 
nach der Ausf. B zum B# v. 16. 11. 99 
à 8 die Genehmigung auf Grund Kgl Ermächti- 
gung von dem Min Inn und der Finanzen erteilt. 
Für die Schuldverschreibungen, Zinsscheine und 
Talons, sowie die Genehmigungsurkunde sind 
durch Erl der beiden Minister v. 31. 1. 00 be- 
stimmte Muster vorgeschrieben, von denen nicht 
ohne Grund abgewichen werden soll. Erteilung 
der Genehmigung und Bedingungen sind im 
Reichs= und Staatsanzeiger zu veröffentlichen. 
Inhaberpapiere mit Prämien dürfen die 
Gem nicht ausgeben (RG v. 8. 6. 71). 
Emissionssormen. Bei der Enission von 
Stadtobligationen kommen im allgemeinen ähnliche For- 
men wie beim Staat vor. Meist ist es die der beschränkten 
Subskription. Es werden mehrere Banken aufsgefordert, 
Preis= und Provisionsofferten zu machen. Die Banken 
kann man nicht umgehen, zumal der städtische Anleihemarkt 
so wie so eingeschränkt ist. Die Bankiers setzen dann die 
Obligationen allmählich ans Publikum ab. Infolge starker 
Anspannung sind für die Bankiers gewisse Schwierig- 
keiten der Unterbringung entstanden, daher haben in den 
letzten Jahren oft 3, 4, 5 bis 12 Banken eine Offerte nur 
als Konsortium abgegeben, weil einzelne das Risiko 
nicht übernehmen wollten. Dadurch wird es ihnen zu- 
gleich leichter, Bedingungen zu diktieren. Demgegenüber 
sind neuerdings die Städte in die Erörterung der Frage ein- 
Letreten, ob sie sich nicht durch Zusammenschluß und ein- 
beitliches Borgehen eine stärkere Position gegen- 
über Emissionsbanken und ein weiteres Absatzgebiet, einen 
besseren Markt durch Ausgabe eines gemeinsamen Papiers, 
  
schaffen können. Die größeren Stadtobligationen werden 
zwar an der Berliner Börse gehandelt, aber man wird sehr 
häufig bei einzelnen im Börsenzettel keine Kurse angegeben 
kinden, weil Käufer fehler. Eine größere Einheitlichkeit 
durch Schaffung eines einbeitlichen Kommunal= 
schuldpapiers würde daher gewiß von großem VBor- 
teil sein. Eine solche Einrichtung wird schon seit Jahren viel- 
sach gefordert (Städtetage), ist aber bisher mur im Königreich 
Sachsen durchgeführt, wo freilich die Berhältnisse gleich- 
mäßiger und einfacher liegen, wie z. B. in Preußen. Ge- 
wisse Schwierigkeiten liegen aber darin, daß die großen 
Städte, deren Obligationen an sich schon umsatzfähiger sind, 
ein geringeres Interesse an einer solchen Einrichtung haben. 
Von staatsaufsichtlicher Seite aus betrachtet ist zwar an- 
zuerkennen, daß bei einer solchen Einrichtung die Bewe- 
gung auf dem Obligationenmarkte insofern eingeschränkt 
wird, als z. B. die Tilgungssummen der einen Stadt statt 
zum Rückkauf zur Ausleihung an andere Gem verwendet 
werden können. Andererseits aber werden vermutlich in 
viel stärkerem Maße kleinere Bedürfnisse der einzelnen 
Städte zur Obligationenausgabe führen, da sie vereint 
Summen darstellen, für welche die Ausgabe von Stadt- 
obligationen lohnend wird. Auch die den Staatspapie- 
ren erwachsende Konkurrenz ist nicht außer Auge zu 
lassen. 
Ueber die Form der Bildung eines Zentralinstituts, 
ob dasselbe als Aktienbank, oder im Anschluß an eine Spar- 
kassenverbands-Zentrale, an eine große Hypothekenbank I71, 
Depositenbank eingerichtet werden soll, ebenso, ob man 
Städtebanken gründen soll, wie Breslau, Chemnitz usw. 
besteht unter den Theoretikern und Praktikern noch große 
Meinungsverschiedenheit. Siehe darüber u. a. Kutzer, Zur 
Organisation des Kredits der deutschen Städte in den 
Schriften des Vereins für Sozialpolitik Bd. 127 S 219 ff. 
Nähere Ziffern über die Emissions= und Einführungskurse 
deutscher Stadtanleihen 1897—1907 s. im Denkschriften- 
band zur Reichsfinanzreform IV B II S 62 ff. 
Tatsächlich ist die Benutzung der Form der 
Inhaberpapiere für Gem Anleihen bei weitem 
die häufigste und wichtigste geworden. Schon 
1876 waren in Preußen von ungefähr 170 Städten 
mit über 10 000 Einwohner 63,5% der Anleihen. 
Inhaberobligationen. Im Jahre 1907 entfielen 
von den 5114 Mill. Mk. Schulden der deutschen 
Städte mit mehr als 10 000 Einwohnern auf 
Inhaberobligationen 3390 Mill., auf andere lang- 
fristige Anleihen 1254 Mill. Mk., auf sonstige 
Schulden 471 Mill. Mk. 1907 wurden allein an 
der Berliner Börse 346 Anleihen von 132 deut- 
schen Städten nebst Anleihen von 10 preußischen 
Provinzen und 4 preußischen Kreisen gehandelt 
(Freund 21). 
II. Aber es gibt noch andere Arten der Dar- 
lehensgeldbeschaffung, wie sie namentlich in 
mittleren und kleineren Städten 
und auf dem Lande eine große Rolle spie- 
len. Denn kleinere Gem können Obligatio- 
nen schon deshalb nicht ausgeben, weil 
meist die anzuleihenden Summen zu klein sind. 
Erst bei Beträgen über 1 Million wird die 
Sache rentabel, wegen der Ausfertigungs- 
und Provisionskosten. Vor allem kommen als 
Geldleiher in Betracht die Prov.-Hilfs- 
kassen, Landesbanken, Landeskre- 
ditkassen ], Stiftungen, die Versiche- 
rungsanstalten, Knappschafts kas- 
sen JI, früher der Reichsinvalidenfonds. 
Neuerdings nimmt sich die Seehandlung (I 
der Sache besonders an. Auch Hypothe-
	        
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