Gemeindehaushalt (materiell)
147
wonnen haben. In formeller Hinsicht ist die
Anlehnung charakteristisch, die das früher ausge-
bildete Etats-, Kassen- und Rechnungswesen des
Staats der Ausbildung entsprechender Formen
für die Haushaltsführung der Gem auch da ge-
währt hat, wo die Regelung dieser Formen im
allgemeinen der Autonomie der Gem überlassen
geblieben ist. Immerhin prägt die große Ver-
schiedenheit, wie sie zwischen den verschiedenen
Gem ihrer besonderen rechtlichen Entwicklung,
ihrem Umfange und ihrer Leistungsfähigkeit, sowie
den Richtungen ihres Erwerbs= und Kulturlebens
nach besteht, sich auch in ihrem Haushalte aus. Der
Gegensatz gegen den Haushalt des Staats
ergibt lich namentlich aus der größeren Begrenzt-
heit der Aufgaben und Mittel, aus der Unterord-
nung unter die Zwecke und Rechtsordnung des
Staats und endlich aus dem Anspruche auf
finanzwirtschaftliche Unterstützung des letzteren,
die in neuerer Zeit vor allem als ein gewisser
Ausgleich für die immer stärkere Uebertragung
staatlicher Ausgaben auf die Gem notwendig
ge worden ist.
I. Der Hanushalt in materieler Beziehung
*#2. Wirtschaftliches Prinzip. Der Auffassung
der Gem als einer rechtlichen und wirtschaftlichen
Persönlichkeit von vorausgesetzter ewiger Dauer
entspricht als Prinzip der Wirtschaftsführung die
Forderung, daß Aufgaben und Mittel sich in be-
ständigem Gleichgewicht halten. Wird in
den auf der Ausdehnung der Aufgaben beruhen-
den Anforderungen über das Maß der dauernd
verfügbaren Kräfte hinausgegriffen, so leidet hier-
durch die Leistungs= und Lebensfähigkeit der Gem
Abbruch. In der Auffassung dieses auch für die
Gem in früherem Sinne maßgebend ge-
wesenen Prinzips der Gleichgewichtserhaltung
hat sich jedoch eine wesentliche Umwandlung voll-
zogen. Der älteren Auffassung entsprach es, daß
die Leistungen der Gem sich nach dem Maße der
vorhandenen Mittelrichteten und gewissermaßen
als auf dem Vermögensbesitz bezw. den nutzbaren
Rechten ruhende Lasten erschienen. Die Ausdeh-
nung der staatlichen Aufgaben auch in dem dem
Wirkungskreise der Gem überwiesenen Anteile
hat aber im Gebiete der Gen Wirtschaft zu einer
erweiterten Betätigung des zwangswirtschaft-
lichen Gedankens geführt, vermöge deren in der
Regelung des Haushalts von den Aufgaben
ausgegangen und jenes Gleichgewicht für gesichert
gehalten wird, wenn die aus den Aufgaben her-
vorgehenden Anforderungen sich innerhalb des-
jenigen Maßes halten, bis zu dem in Ergänzung
der der Gem aus ihrer Privatwirtschaft zufließen-
den Einnahme und vorbehaltlich der Beihilfe der
größeren Verbände und des Staats die Kräfte der
Mitglieder zwangsweise mit Nachhaltigkeit
in Anspruch genommen werden können. In
der Form eines Rechtssatzes ist das Prin-
zip der Erhaltung des materiellen Gleich-
gewichts in der Gesetzgebung der deutschen
Staaten übrigens nicht zum Ausdruck gelangt,
doch liegt es der rechtlichen Behandlung mannig-
facher Materien wie z. B. der Erhaltung des
Grundstockvermögens, der Aufnah-
me von Anleihen ufw. zu Grunde.
Mit diesem Prinzip des materiellen Gleichge-
wichts ist nicht zu verwechseln die Forderung der
jeweiligen Balanzierung des einzelnen
Haushaltsplans, Voranschlags usw., wel-
che den Nachweis des materiellen Gleichgewichts
allein noch nicht verbürgt, weil hier im Wege der
vorherigen Ansammlung von Mitteln, der Inan-
spruchnahme des Kredits und der Verschiebung
von Ausgaben, Uebertragungen von Einnahmen
und Ausgaben in andere Finanzperioden möglich
sind usw.
Der früher vorwaltenden Naturalwirt-
schaft entsprach es, daß die laufenden Verwuf-
gaben großenteils durch unmittelbare Verwendung
von Gem Vermögen bezw. von Diensten der Gem-
Angehörigen (sog. Naturaldienste Gemein-
dedienste) Erfüllung fanden. Mit der Aus-
breitung der Geldwirtschaft ist jene Art
der Befriedigung der administrativen Bedürfnisse
in den Stadt Gem und vielfach auch in den Land-
Gem zur Ausnahme geworden. Ueberall besteht
das Bestreben, derartige Leistungen, wo sie noch
bestehen, in die Geldwirtschaft der Gem tunlichst
aufzunehmen und sie nach ihrem Geldwert in
Ansatz zu bringen. Die nahezu ausschließlichen
Elemente des Haushalts bilden daher heute
Geldausgaben und Geldeinnahmen;
es wird sich demnach rechtfertigen, auf diese
die folgende Darstellung zu beschränken.
##3. Ausgaben; freiwillige und Pflichtans-
gaben. I. Die Ausgaben bestimmen sich nach dem
Bedarf. Dieser gliedert sich seiner wirtschaftlichen
Natur nach einesteils in persönlichen (Besoldungs--)
und Sachbedarf, andernteils in Verwaltungs-
und Erwerbsbedarf (Betriebsausgaben), endlich
in allgemeinen und Spezialbedarf. Schwieriger
durchführbar ist eine Scheidung des Bedarfs, je
nachdem er durch Aufgaben von allgemeinem
über den Kreis der Gem hinausgehenden Inter-
essen oder durch Aufgaben bedingt wird, die in
Interessen lediglich des örtlichen Gemeinlebens
ihren Grund haben, da beiderlei Interessen oft
ineinander greifen und das Maß, in dem sie bei
den einzelnen Leistungen der Verwaltung be-
teiligt sind, sich nur selten genau oder in einem
arithmetischen Verhältnis darstellen läßt.
II. Eine besonders wichtige Unterscheidung be-
ruht auf folgender Erwägung: Da die Er-
haltung des Gleichgewichts zwischen Ausgaben
und Einnahmen der Ausdehnung der ersteren
eine gewisse Grenze setzt, so können die Anforde-
rungen an den Haushalt der Gem regelmäßig nur
nach Maßgabe ihrer Notwendigkeit und Dringlich-
keit bezw. des Grades ihrer Nützlichkeit zur Be-
rücksichtigung gelangen. Die Beurteilung ihrer
Zulassung ist daher eine relative, von der
Rücksichtnahme auf die vorhandenen Mittel be-
einflußte, welche regelmäßig innerhalb des Kreises
der Selbstbestimmung der Gem sich abwickelt.
Nur insoweit die Erfüllung öffentlicher Aufgaben
absoluter Natur in Frage steht, pflegt die
Selbstbestimmung ausgeschlossen bezw. durch
Aufstellung eines Minimalmaßes der Leistung
beschränkt und daher auch die Aufwendung der
Mittel, deren es zur Hervorbringung jener Lei-
siung bedarf, zu einer Rechtspflicht der Gem ge-
altet zu sein, deren Erfüllung im VerwWege
erzwungen werden kann. Den Gesetzge-
kungen aller deutschen Staaten ist das Institut
10 *