Gemeindehaushalt (materiell)
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ruhen, unterschieden. Als dritte und zwar heute
wichtigste Einnahmegruppe kommen dann diejeni-
gen Einnahmen hinzu, welche der öffentlichen
Wirtschaft angehören, d. h. die zwangswirtschaft-
lichen Beiträge oder Gebühren und Steuern,
als vierte die außerordentlichen Ein-
nahmen (Anleihen und Veräußerungen) (hier-
über siehe das Nähere unter „Gemeinde-
abgaben“ sowie „Gemeindevermögen" und „Ge-
meindeanleihen“ S 1I14, 118, 140).
Hier sollen nur die zu A und B bezeichneten
Einnahmequellen Erörterung finden.
A. Was die aus Nutzung des Gem Bermögens
und sonstigen privat wirtschaftlichen Quellen
fließenden eigenen Einnahmen der
Gem anbetrifft, so sind die aus früher vorwie-
genden Einnahmequellen, nämlich Gemeinde-
grundstücken, Forsten, Kapitalien, fließenden Ein-
nahmen im Verhältnis zu den Ge-
samteinnahmen verhältnismäßig eher im
Rückgange als in der Zunahme begriffen,
eine Erscheinung, die ja auch bei den Staats-
einnahmen allerwärts hervortritt. Dagegen
spielen neuerdings eine nicht unbedeu-
tende vielfach steigende Rolle die Einnah-
men aus gewissen von den Gem übernomme-
nen privatwirtschaftlichen, namentlich gewerb-
lichen Betrieben, wie Gas-, Elektrizitätswerken,
Trambahnen, Omnibuslinien, Kleinbahnen usw.
Der möglichst rentablen Ausgestaltung dieser ge-
werblichen Unternehmungen wird in der neueren
Gem Abgabengesetzgebung besondere Bedeutung
beigemessen. So bestimmt u. a. das Pr. Komm-
AbgG 8 3, daß gewerbliche Unternehmungen der
Gem grundsätzlich so zu verwalten sind, daß durch
die Einnahmen mindestens die gesamten
durch die Unternehmung der Gem erwachsenden
Ausgaben, einschließlich der Verzinsung und Til-
gung des Anlagekapitals aufgebracht werden.
Nur, wenn die Unternehmung zugleich einem
öffentlichen Interesse dient, sind Ausnah-
men zugelassen.
Die hauptsächlichsten bei uns vorkommenden
Betriebe sind Einrichtungen, welche wichtige und
unentbehrliche Verbrauchsartikel massenhaften
Konsums (Gas--, Wasser-, Elektrizitätsanstalten,
Ueberlandzentralen) oder öffentliche Dienste und
Nutzungen zur Verfügung stellen, namentlich Ver-
kehrsbeförderung (Straßenbahnen, Kleinbahnen,
Omnibusse), Marktstände, Lagerstätten, Schlacht-
höfe, (städtische) Sparkassen usw.
Bei all diesen Einrichtungen pflegen mit der
Gewinnabsicht wichtige ösfen liche Inter-
essen vermischt zu sein, wodurch sich zugleich die
der privaten Initiative bereitete Konkurrenz
rechtfertigen läßt. Die Ausführung der meisten
dieser Anlagen durch die Gem gibt die Gewähr,
daß allen Stadtteilen und Interessentengruppen
die Vorteile der Anlage gleichmäßiger zuteil
werden, sowie daß nicht eine zu gewinnsüchtige
Ausnutzung dieser Erwerbsquellen trotz ihres mo-
nopolartigen Charakters erfolgt. Diese Betriebe
eignen sich ferner, weil der Betricb größtenteils
thypisch und der Reglementierung fähig, und we-
niger der Konjunktur unterworfen ist, für Leitung
durch öffentliche Körperschaften und deren Be-
amte. Auch regelt sich der Betrieb durch die Gem
insofern leichter als durch Privatgesellschaften, weil
er meist auf eine Benutzung der im GemEigentum
stehenden Plätze und Straßen angewiesen ist und
sich zugleich eng mit vielen anderen Gem Aufgaben
(öffentliche Reinigung, Beleuchtung, Feuerlösch-
wesen usw.) berührt.
.Wenn in früherer Zeit namentlich Gasanstal-
ten, Trambahnen usw. vielfach von Privatgesell-
schaften eingerichtet sind, so sind doch schon seit
den letzten Jahrzehnten Neuanlagen meist von den
Gem ausgeführt und private Anlagen von ihnen
später übernommen worden. Heute wird bei allen
den genannten Betrieben die privatgesellschaft-
liche Form immer mehr die Ausnahme.
Gemeindliche Gewerbebetriebe, die ledig-
lich Gemeinzwecke verfolgen, sind im allge-
meinen heutzutage selten. Sie finden ch vorwie-
gend als Annexe landwirtschaftlicher oder forstwirt-
schaftlicher Gem Güter und werden dann meist wie
jene durch Verpachtung genutzt (Brennereien,
Sägemühlen, Torfgruben, Steinbrüche usw.).
Brauereien, Bäckereien, wie man sie in England
(Munizipal--Sozialismus) öfters findet, sind in
Deutschland glücklicherweise die Ausnahme.
Nach der Denkschrift zur Reichsfinanzreform I S 707
setzten sich die Brutto-Einnahmen in den Stadt- und Land-
Gem mit mehr als 10 000 Einw. im Deutschen Reiche im
Etatsjahre 1907 wie folgt zusammen:
I. Kämmereiverwaltung:
Steuerverwaltung 980 915,8 Mk. = 47,60%
II. allgemeine Verwaltung
und Polizeiverwaltung 644 580,8 Mk. — 3,30%
III. Berwaltung d. städtichen
Werke u. Markthallen uw. 507 112,5 Mk. = 25,93%
IV. Bildungs- u. Kunstinstit. 98 683,5 Mk. = 5,05%
V. Bauverwaltung 92 383,5 Mk. = 4,72%
VI. Armen., Waisen= u. Kran-
kenhausverwaltung 58 970,0 Mk. = 3,01%
VII. Sonstige Berw Zweige 2083 113,7 Mk. = 10,39%%
Insgesamt 1 955 758,8 Mk. = 100,00%
Handelt es sich bei den Betriebswerken (III) auch nur um
Roheinnahmen, von denen die in s Ba angegebenen Roh-
ausgaben (S. 148) in Abzug kommen, so zeigen die obigen
Ziffern doch, welche wichtige Rolle die Betriebswerke
heutzutage im öffentlichen Kommunalhaushalte spiclen.
Die deutschen Gemeinde forsten werden nach
dem Stat. Jahrb. des Deutschen Reichs von 1910 S 35
mit zusammen? 258 090 ha angegeben, wozu noch 211 015 ha
Stiftungs- und 806 214 ha Genossenschaftssorsten kommen
bei einem Gesamtforstbesitz von 13 9956 869 ha. Für Preu-
ßen gibt die Statistik von 1900 einen Gem Forstbesitz (einschl.
Stiftungs= und Genossenschaftsforsten) von 1 438 047 ba
(1893: 1 330 990 ha) bei einem Gesamtforstbesitz von
8 270 134 ha (1893: 8 192 505 ha) an.
Die Größe des gesamten Grundbesfsitzes der
Gemeinden in Deutschland überhaupt ist nicht festgestellt.
In den Städten Preußens stellten sich die Ergeb-
nisse der gewerblichen städtischen Unterneh-
mungen:
in 1000 Mk.
In Städten mit Ueberschusse Fehlbeträge
über 10 000 E. 1895 12 443 1) —
unter „ 920 ½ —
Sa. 13 363 1) –
über „ 19½0 18 541 218
unter „ 1 309 89
Sa. 19 850 307
1) Nach Abzug der Fehlbeträge.