Gemeindehaushalt (formell)
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dieser Kichtschnur festzustellen. Voraussetzung der
Erhaltung einer normalen Wechselbeziehung zwi-
schen beiden Tätigkeiten ist eine der Einrichtung des
Voranschlags und der Rechnung sich anpassende
Kassen= und Buchführung, deren Formen
daher den für Voranschlag und Rechnungslegung
geltenden im allgemeinen untergeordnet sind.
Wie bei der Finanzwirtschaft überhaupt, so ist
auch bei der Aufstellung des Voranschlages und
der Rechnungslegung das Interesse der Ge-
meinde und indirekt der einzelnen Gem-
Mitglieder in der umfangreichsten Weise betei-
ligt. Dieser Natur der Sache entspricht es, daß
für beide Operationen der Schwerpunkt in die
Beschlußfassung der Gemeindeor-
gane gelegt und insbesondere der Mitwirkung
der Gemeinde vertretung bezw. der Gem-
Mitglieder der weiteste Spielraum eröffnet, sowie
das Prinzip der Oeffentlichkeit in der
größten Ausdehnung zur Geltung gebracht
wird. Die Gesetzgebungen aller deutschen
Staaten tragen diesem Gesichtspunkte Rechnung.
In zweiter Reihe konkurriert aber mit dem In-
teresse der Gem auch das des Staats. Dessen
Aufgabenerfüllung hat zur Voraussetzung, daß
die finanzwirtschaftliche Leistungsfähigkeit der
Gem erhalten bleibt, daß ein angemessener
Teil dieser Leistungsfähigkeit für die Sicherstel-
lung der den Gem zugeteilten Aufgaben zur Ver-
wendung gelangt und daß, soweit es sich um
Gem Besteuerung und Anleihegenehmigung han-
delt, die staatlichen Besteuerungs= und Schuld-
interessen nicht durch die Steuer-- und Schulden-
politik der Gem zu sehr benachteiligt werden.
Daher sind Einrichtungen erforderlich, um den
Staat über die Ergebnisse der Voranschlagsauf-
stellung und der Rechnungslegung informiert zu
erhalten bezw. ihm eine der Auffassung des vor-
mundschaftlichen Berufs der Staatsorgane, wie
solcher in geringerem oder höherem Grade in der
Gesetzgebung vielfach zum Ausgangspunkt ge-
nommen worden ist, entsprechende Einwirkung
zu sichern. Natürlich pflegt sich diese Einwirkung
mehr aufs den Inhal t als die Form zu erstrecken.
Dafür weist auch letztere, den örtlichen Bedürf-
nissen entsprechend, eine große Mannigfaltigkeit
auf. Namentlich das Prinzip der Etatseinheit,
der Vollständigkeit usw. ist durchaus nicht gleich-
mäßig in allen Gem durchgeführt. Sind diese
Grundsätze und deren Durchführung auch für die
kleineren Gem Wesen nicht von der Bedeutung
wie für den Staat, so gewinnen sie doch mit Stei-
gerung der Einwohnerzahl, der Gen Wirtschaft
und der Einnahmen und Ausgaben der Gem
immer größere Bedeutung. In Erkenntnis der
großen Bedeutung eines gut geregelten formellen
Etats-, Kassen= und Rechnungswesens sind denn
auch neuerdings namentlich in den größeren
Städten besondere Finanz= und Komptabilitäts-
ordnungen ergangen, die oft von großer Sach-
und Fachkenntnis zeugen und einen guten Schritt
vorwärts auf diesem wichtigen, aber zugleich nicht
einfachen Gebiet bedeuten (S. namentlich Frank-
furt a. M. Finanzordnung, neue Komptab.
Grundsätze der Stadt Königsberg i. Pr. vom
4. 4. 07. Hier und anderwärts hat eine der staat-
lichen Komptabilität kaum nachstehende Regelung
des sormellen Etats-, Kassen= und Rechnungs-
wesens stattgefunden).
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A. Voranschlag (Budget, Haushalts-
etat)
##6. Wirtschaftliche und rechtliche Bedeutung.
Der Voranschlag dient zunächst als von der Ver-
waltung vorgelegter Entwurf dem Zwecke der
Information, indem er die voraussichtlichen
Einnahmen und Ausgaben für eine bestimmte
Zeitperiode nebeneinander stellt und dadurch die
für die Beurteilung der Finanzlage und die Orien-
tierung über das Maß der verfügbaren Deckungs-
mittel erforderliche Grundlage gewährt. Als fest-
gestellter Etat hat er zugleich die Aufgabe, für die
Wirtschaftsführung der betr. Finanzperiode eine
Direktive zu bilden, und zwar in formeller,
wie in materieller Hinsicht: in formeller
Hinsicht, indem er für die Einreihung der Finanz-
operationen in die Buch= und Kassenführung den
Rahmen vorzeichnet: in materieller Hin-
sicht, indem er den Wirtschaftsplan, den Plan der
anzustrebenden finanzwirtschaftlichen Ergebnisse
und der vorzunehmenden Rechts- und Wirt-
schaftsakte feststellt. Insofern die Führung der
Gen Wirtschaft in den Händen anderer Faktoren
liegt, als diejenigen sind, von denen die Feststel-
lung des Voranschlags ausgeht, pflegt er für die
ersteren zugleich die Ermächtigung zur Vor-
nahme jener Akte zu enthalten, was ihm die Eigen-
schaft einer den ausführenden Organen erteilten
Vollmacht gibt, eine Eigenschaft, die vor-
zugsweise im Bereiche der Ausgabewirtschaft her-
vortritt. Letzterer Auffassung des Voranschlags
entspricht es, daß es zur Leistung von Ausgaben,
die in jenem nicht vorgesehen sind bezw. den da-
selbst ausgeworfenen Betrag überschreiten, regel-
mäßig besonderer vorgängiger oder nachträg-
licher Genehmigung der zur Feststellung des
Voranschlags berufenen Organe bedarf (außer-
etatsmäßige Ausgaben, Etatsüberschreitungen).
#7. Erfordernis periodischer Boranschlags-
aufstellung: Finanzperiode. Für jede öffentliche
Wirtschaftsführung von gewissem Umfange bil-
det die periodische Feststellung eines Voranschlags
die unumgängliche Voraussetzung eines geord-
neten Zustandes, von der nur bei einem ganz ge-
ringen Umfange der betr. Finan#w#irtschaft ab-
gesehen werden kann. Die Gesetzgebungen stim-
men daher darin überein, daß sie entweder für
alle größeren oder überhaupt für alle
Gemeinden solche Voranschlagsausstellung
vorschreiben: nur ausnahmsweise ist die Auf-
stellung eines Voranschlags für längere Perioden.
vorgeschrieben oder zugelassen.
In den östlichen Provinzen Preußens ist
durch & 119 der LGO v. 3. 7. 91 die Aufstellung
eines Voranschlags auch für die Land Eem obli-
gatorisch geworden, mit der Masgabe jedoch, daß
einzelnen Gem die Festsetzung eines Voranschlags
nachgelassen werden darf, wenn deren Verhält-
nisse dies unbedenklich erscheinen lassen. Von
dieser Ermächtigung wird vorzugsweise bei sehr
unbedeutendem Umfange des GemHauehalts
und bei mangelnder Befähigung Gebrauch zu
machen sein. Die Voranschlagsperiode wird ge-
bildet durch das Rechnungsjahr oder durch eine
von der Gem Versammlung bezw. Gem Vertretung
festzusetzende Rechnungeperiode, die jedoch die
Dauer von drei Jahren nicht übersteigen darf.
Die Feststellung ist vor Beginn der Rechnungs-