Gerichtsverfassung
tigen Gerichtsbarkeit, für die das GVG und die
Reichsprozeßordnungen maßgebend sind. Die
Einzelstaaten können jedoch diese „besondere“
Gerichtsbarkeit den ordentlichen Gerichten über-
weisen oder belassen, sind dann aber befugt, von
der im GVe geregelten Zuständigkeit und von
dem in den Prozeßordnungen vorgeschriebenen
Verfahren abzuweichen ( 3 EG GV, +5 3 Ec
3PS. 3 St PO). Die besonderen Gerichte auf
dem Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit sind
reichsgesetzlich weder bestellt noch zugelassen, sie
beruhen auf Landesgesetz (Jahrb. d. Pr. Gerichts-
verfass. § 29).
III. Hinsichtlich der Personen, die der in-
ländischen Gerichtsbarkeit unterliegen, ist die
Zuständigkeit des Reichs insofern ausschließlich,
als die Einzelstaaten nicht befugt sind, Befreiungen
von der ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit zu
schaffen. Daß fremde Staaten und ihre
Landesherrn von der inländischen Ge-
richtsbarkeit befreit bleiben, ist zwar nirgends
gesetzlich ausgesprochen, aber in der Staatspraxis
und Rechtsprechung unbestritten (Edg. Loening,
Gerichtsbarkeit über fremde Staaten und Sou-
veräne, 1903; Kann, Rechtsverfolgung gegen ausl.
Staaten IW 1910 S176). Das R wies aus die-
sem Grunde eine Klage ab, die ein Deutscher ge-
gen den belgischen Eisenbahnfiskus aus einem
Lieferungsvertrag erhoben hatte (R Z 62, 165).
Ebenso hatte der Kompetenz-Konflikt Erfolg, als
im Jahre 1910 ein gewisser Hellfeld russische
Bankguthaben in Berlin pfänden ließ lnäheres
Erxterritorialität 1 7191. Reichsgesetzlich sind aber
lediglich folgende Personen teils aus völkerrecht-
lichen, teils aus staatsrechtlichen Gründen der
ordentlichen streitigen Gerichtsbarkeit entzogen.
1. Nach #§# 18 ff GVG erstreckt sich die inlän-
dische Gerichtsbarkeit nicht aus dic Chefs und Mit-
glieder der bei dem Deutschen Rociche be-
glaubigten Missionen, die Familienmit-
glieder, und das Geschäftspersonal dieser Personen,
sowie auf solche ihrer Bediensteten, welche nicht
Deutsche sind. Sind diese Personen, abgesehen
vom Dienstpersonal, Angehörigc eines Einzelstaats,
so sind sie nur insofern von der inländischen Ge-
richtsbarkeit befreit, als der Staat, dem sie ange-
hören, sich der Gerichtsbarkeit über sie begeben
hat. Die von der inländischen Gerichtsbarkeit
befreiten Personen können nicht vor deutschen
Gerichten verklagt werden und unterliegen auch
nicht dem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbar-
keit, z. B. in Nachlaß- und Vormundschaftssachen.
Sie können nicht ohne weiteres als Zeugen oder
Sachverständige geladen werden. Zustellungen
an sie erfolgen nur auf diplomatischem Wege.
Auch in ihrer Wohnung darf keine Hand-
lung der Gerichtsbarkeit ohne ihre Zustimmung
vorgenommen werden, die sich gegen eine nicht
befreite Person richtet (Zustellung an den
deutschen Kutscher des russischen Botschafters,
Au#fd. Pr. Just Min v. 20. 1. 93; vgl. auch ZPO
#il203, der in diesem Falle öffentliche Zustellung
zuläßt). Diese Befreiung von der Gerichtsbar-
keit erstreckt sich jedoch nicht auf den ausschließ-
lichen din lichen Gerichtsstand in bürger-
lichen Rechtsstreitigkeiten (RG#B 41, 387).
Gesandte /I oder andere völkerrechtliche Ver-
treter auswärtiger Staaten, die bei einem Einzel-
staate beglaubigt sind, deren Familienmitglieder
und ihr Geschäfts= oder Dienstpersonal sind im glei-
chen Umfange von der Gerichtsbarkeit dieses Staa-
tes befreit. Dasselbe gilt von diplomatischen Ver-
tretern eines Einzelstaates bei einem anderen
Einzelstaate. Ebenso sind die nichtpreußischen
Mitglieder des Bundesrats, welche nach a 10 RV
als Gesandte der Einzelstaaten beim Könige von
Preußen anzusehen sind, von der preußischen Ge-
richtsbarkeit in dem angegebenen Umfange befreit.
2. Die im Deutschen Reiche angestellten fremd-
staatlichen Konsulnl A# sind der inländischen Ge-
richtsbarkeit nur dann nicht unterworfen, wenn in
Verträgen des Deutschen Reiches mit andern
Mächten Vereinbarungen über die Befreiung der
Nonsuln von der inländischen Gerichtsbarkeit ge-
troffen sind (II 19, 21 GV).
3. Die Landesherren!J] unterstehen in ver-
mögensrechtlicher Hinsicht grundsätzlich der inlän-
dischen Gerichtsbarkeit, im übrigen aber ist ihre ge-
richtliche Verfolgung ausgeschlossen. Außerdem ist
aber reichsgesetzlich bestimmt (5 5 Ec G6,
*4 Ec St O,. 55 EGG 3LO, 57 E KO, + 189
F #, a 57 EG Be#)h, daß in Ansehung der
Landesherren und der Mitglieder der landes-
herrlichen Familien sowie der Mitglieder der fürst-
lichen Familie Hohenzollern, der vormaligen Han-
noverschen, Kurhessischen und Nassauischen Herr-
scherhäuser, nach dem R v. 25. 3. 04 auch der
Herzoglich Holsteinischen Fürstenhauses, die Be-
stimmungen der erwähnten Reichsjustizgesetze
nur insoweit Anwendung finden, als nicht be-
sondere Vorschriften der Hausverfassungen oder
der Landesgesetze abweichende Bestimmungen ent-
halten. Diese Reichsgesetze gelten daher nur
subsidiär, mit der in §95 Ech ZPO enthaltenen
Beschränkung, daß für vermögensrechtliche An-
sprüche Dritter die Zulässigket des Rechtswegs
nicht von der Einwilligung des Landesherrn ab-
hängig gemacht werden kann. In Preußen
beruht hierauf der aus Richtern des Kammer-
gerichts gebildete Geheime Justizrat (Pr.
AG GVG J 18, Pr. G v. 26. 4. 51), der für
Klagen gegen Mitglieder der Kgl Familie Preu-
ßens und der Fürstl. Familie Hohenzollern zu-
ständig ist (ihre eigenen Klagen gehören dagegen
vor die ordentlichen Gerichte). Rechtsstreitigkeiten.
unter Mitgliedern dieser Familie sind
nach der Hausverfassung zu erledigen. Gericht
der freiwilligen Gerichtsbarkeit insbesondere in
Testaments-, Nachlaß-, Vormundschafts= und
Fideikommißsachen ist für sic das Min des Kgl
Hauses (EG BGBas57, FGG + 189, Pr. FGG
à 32, Pr. G v. 26. 4. 51). Vormundschafts= und
Nachlasgerichte für die Mitglieder der vormaligen
Herrscherhäuser von Hannover, Nassau und Kur-
hessen sind in Preussen die OLG (Pr. VGa136,
137), während es für das Holsteinische Haus an
einer landesgesetzlichen Zuständigkeitsvorschrift
sehlt. Für Württemberg vgl. Württ. A#
B##B a 130, 131; für Hessen das besondere
Gesetz über den Gerichtsstand und das gericht-
liche Verfahren in Ansehung des Landesherrn
und der Mitglieder des großh. Hauses v. 7. 6. 79
und 19. 7. 99; für Bayern siche die Zitate
bei Staudinger Anm. 6 zu à 57 EG B0B (Ab-
druck der Vorschriften bei Heinsheimer, Zivil-
prozeßgesetze : 1910 S 650).
Hervorzuheben ist, daß diese Sonderstellung
der Landesherren und ihrer Familien nicht nur