Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

Haftung Dritter (rechtliche Eingliederung) 
  
der Strafansprüche gegen den Täter und gegen 
den Teilnehmer, derzufolge durch Befriedigung 
des einen Anspruchs auch der andere erlischt; 
bei der subsidiären H. ferner die Bedingtheit des 
Strafanspruchs gegen den Teilnehmer durch die 
Nichtbefriedigung des Strafanspruchs gegen den 
eigentlich Schuldigen. Anomal ist endlich, daß die 
Beihilfe auch wenn nur durch Unterlassung be- 
gangen (Nichtverhinderung des Delikts) und auch 
wenn nur fahrlässig begangen, strafbar ist. In- 
dessen wird sich schwerlich behaupten lassen, daß 
diese Umstände mit der Strafnatur der H. gerade- 
zu unvereinbar wären. Daß von 2 Strafansprü- 
  
chen der eine durch Befriedigung des anderen mit- 
untergeht oder der eine durch Nichtbefriedigung 
des anderen bedingt erscheint, mag irrationell, 
die Ausdehnung der Strafbarkeit auf negative und 
fahrlässige Teilnahme mag ungewöhpnlich sein. 
Ein wirklicher Widerspruch gegen die Grundlagen 
des Strafrechts liegt darin aber nicht. 
Demnach sind die hier in Rede stehenden Haf- 
tungsgesetze in Strafgesetze überzuführen, die als 
Ergänzung zu § 49 StGm, sich etwa auf folgendes 
Schema bringen lassen: 
.In den Fäallen eines Zolldelikts usw. wird derienige, 
der schuldhaft an einem solchen durch Tat oder durch Unter- 
lassung teilgenommen hat, mit der Geldstrase, die der Haupt- 
täter (loder — im Falle der Teilnahme 2. Grades: der Teil- 
nehmer 1. Grades) verwirkt hat, belegt, falls diese Geld- 
strase nicht von dem eigentlich Schuldigen erlegt wird“ 
(so bei subsidiärer Haftung); oder 
„In den Fällen usw. wird der Teilnehmer (nähere An- 
gabe wie oben) mit der den eigentlich Schuldigen tressen- 
den Geldstrase derart mitbelegt, daß beide solidarisch dafür 
haften“ (so bei Solidarhaftung). 
(Das Schema wäre dann natürlich für die ein- 
zelnen Haftungsfälle durch Aufnahme der wei- 
teren, namentlich der Persönlichkeitserfordernisse 
— Eltern, Vormünder usw. — zu spezialisieren.) 
5) Bei der zweiten Gruppe von 
Haftungsfällen muß dagegen die straf- 
rechtliche Erklärung abgelehnt werden. Hier 
könnte es sich, wenn überhaupt um Strafe, dann 
nur um die Figur der „Strafe ohne Schuld" 
handeln. Solche kennt nun zwar (leider) das gel- 
tende Recht immer noch als einen Ueberrest von 
Barbarei, auf den aber die Auslegung nur da 
hinauskommen darf, wo andere Erklärungsver- 
suche versagen. In den einschlägigen Fällen ist 
es nun recht wohl möglich, eine Erklärung außer- 
halb des Strafrechts zu geben. Zwar die H. des 
Dritten für die Geldstrafe für ein zivilrechtliches 
Institut, etwa als gesetzlich ausgezwungene Bürg- 
schaft, zu erklären, geht nicht an. Denn nicht aus 
dem bürgerlichen Rechtsverkehr Gleichgeordneter 
entspringt der Anspruch, sondern aus dem öffent- 
lichen Interesse. Genauer gesagt aus dem In- 
teresse an möglichster Stärkung der Staats- 
finanzen. Dies liegt schon darum zutage, 
weil es sich durchweg nur um H. auf Geld- 
jahlung oder (bei der H. nur mit einem Schiff, 
oben 3J2 Z 1b) auf ein geldwertes Objekt handelt. 
Im Interesse der Staatsfinanzen würde es un- 
liebsam empfunden werden, wenn der von der 
Geldstrase erhoffte, wenn auch nicht ihr Wesen 
bildende Gewinn zum lucrum cessans würde, 
und um gegen den Ausfall sichergestellt zu sein, 
  
greift sich der Staat neben dem Geldstrafzahlungs- 
schuldigen einen solid|arisch oder subsidiär verhaf= 
teten Dritten. Ob sich dies mit unseren Anschau- 
ungen von Gerechtigkeit vereinigen läßt, ist hier 
nicht zu prüfen. Jedenfalls sollte es nicht 
verschleiert werden, daß ohne den fiskalischen Ge- 
sichtspunkt schwerlich jiemand auf den Gedanken 
verfallen wäre, unschuldige Dritte für die Geld- 
strafen Schuldiger mit= oder nachhaften zu lassen. 
Damit ist zugleich der H., soweit sie nicht Ver- 
schulden voraussetzt, ihre Stelle im Rechtssystem 
angewiesen: sie ist eine rein ver waltungs- 
rechtliche Erscheinung, genauer gesagt eine 
solche des öffentlichen Vermögensrechts. Die dem 
Individuum auferlegte Zahlung ähnelt einer 
Steuerleistung. Es handelt sich um Deckung 
eines Aussalls, die an sich die Gesamtheit 
der Steuerzahler träfe. Ist der Staat aber nicht 
gesonnen, den Betrag auf Alle umzulegen, und 
hält er nach Einzelnen Umschau, die er mit der 
Leistung belasten könnte, so fällt erklärlicherweise 
der Blick zunächst auf die Umgebung des Täters, 
Angehörige, Dienstherren usw. 
Entgegen der hier vertretenen Auffassung, die 
die auf Verschulden gegründete H. dem Straf- 
recht, die vom Verschulden unabhängige dem 
VerwzRecht zuweist, wird meist die H. für Geld- 
strafe in toto entweder als verwaltungsrechtliche 
oder als strafrechtliche Erscheinung aufge faßt. 
Eine andere Auffassung (Goldschmidt) sucht den 
Strascharakter der H. auch bei Fehlen der Schuld 
durch die Konstruktion zu retten, daß es sich nicht 
um eine „strafrechtliche Strafe“, sondern um eine 
„verwaltungsrechtliche Strase“, eine „Verwal- 
tungsstrafe“ handle. Aber die Theorie von der 
„Verwaltungsstrafe“, die, neben anderen Eigen- 
tümlichkeiten, namentlich eine schuldhafte Tat 
nicht voraussetze, ist nur geeignet, die Sachlage 
zu verschleiern, indem sie ebenso willkürlich wie 
mißbräuchlich den Namen „Strafe“ für eine Er- 
scheinung verwendet, die gerade ein völliges aliud 
ist. Und wenn dann diese Verw Strafe im Gegen- 
satz zur „Justizstrafe“" unter den höheren Begriff 
der „Selbsthilfe der Verwaltung" gebracht wird, 
so wird dadurch nicht nur nichts erklärt, sondern 
der angebliche „Straf“-Charakter erst recht ad 
absurdum ge führt. 
Auch die Deutung der H. als einer strafrecht- 
lichen sormellen „Garantenhaftung“ (Oetker) 
vermag nicht zu befriedigen. Diese Lehre 
geht dahin, daß der Dritte zwar nicht mit 
einer Rechtspflicht, das Delikt zu hindern, 
durch den Staat belastet, und zwar nicht in Ge- 
stalt der H. für eine Rechtspflichtverletzung ge- 
straft werde, daß aber die H. Vorschriften an das 
eigene Interesse des Dritten appellierten und ihn 
so zum „Garanten" gegen die Deliktsbegehung 
machten, mit der Folge, daß er gegebenenfalls 
einfach Strafe wegen Nichthinderung im Sinne 
der rein relativen Strafrechts-(Präventions-Thoeo- 
rien erleide. Aber dieser Garantiegedanke würde 
doch unerklärt lassen, weshalb der Garant nur 
dafür einstehen soll, daß die in Frage stehenden 
Verfehlungen nicht schuldhaft und straf- 
bar begangen werden; denn das Interesse des 
Staates geht doch schlechtweg dahin, daß die 
betr. Becinträchtigungen objektiv unter- 
bleiben. Unerklärt würde ferner bleiben, weshalb 
der Staat nicht bei den ungleich wichtigeren De- 
likten, die Freiheits- oder Todesstrafe nach sich 
zichen, Garanten aufstellt, die für Nichthinderung
	        
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