22 Gefängniswesen
steher liegt ob die Dienstaufsicht über sämtliche
bei den G angestellte Beamte, er leitet die Ver-
waltung und verteilt die Dienstgeschäfte, insoweit
sie nicht durch die GO oder durch den Oberstaats-
anwalt zugewiesen sind. Der Vorsteher hat
darüber zu wachen, daß jeder Gefangene nach
Maßgabe des Haftzweckes behandelt werde und
daß insbesondere die Strafen nach dem Gesetze
und den Verw Vorschriften, unter tunlichster För-
derung des sittlichen Wohles des Gefangenen und
unter Vorbereitung desselben zu einem geord-
neten Leben nach der Rückkehr in die Freiheit,
vollstreckt werden. Er entscheidet über die Ver-
teilung der Gefangenen in die Hafträume und
bestimmt, ob jene in Einzelhaft oder in die Ge-
meinschaftshaft zu bringen sind. Der Vorsteher
hat die tägliche Nachweisung der Belegung ent-
gegenzunehmen und mindestens einmal in der
Woche, von Zeit zu Zeit auch nachts, das G zu
revidieren. Er hat die Disziplinargewalt über die
Strafgefangenen und stellt die Anträge auf vor-
läufige Entlassung. Untersuchungsgefangene stehen
unter der Disziplinargewalt des Untersuchungs-
richters, bezw. des Amtsrichters oder des Vor-
sitzenden des erkennenden Gerichts. Am Schlusse
des Rechnungsjahres hat der Vorsteher einen ta-
bellarischen Bericht zu erstatten und außerdem
über wichtige Vorgänge unverzüglich besondere
Anzeige zu machen. — Dem Inspektor
(bezw. den Inspektoren) liegt die ausführende
Leitung des Strafvollzugs und die hauswirt-
schaftliche Verwaltung ob, so namentlich: 1. die
Sorge für die sichere Verwahrung der Gefange-
nen, die innere Ordnung des G und die Aussicht
über die Gebäude; 2. die Aufnahme und Ent-
lassung der Gefangenen, sowie deren vorläufige
Verteilung in die Hafträume; 3. die besondere
Kontrolle über die Aufseher; 4. die Verwaltung
und die Führung des Inventars; 5. die Sorge
für den Transport von Gefangenen nach anderen
Anstalten; 6. die Beschaffung angemessener Ar-
beit für die Gefangenen und die Verwaltung der
Arbeitskasse; 7. die Führung der Bücher, Listen,
Nachweisungen usw. In großen G sind diese Ge-
schäfte unter mehreren Inspektoren, auch Ober-
inspektoren, verteilt. — Dem Gefangen-
aufse her liegen ob: a) die unmittelbare Be-
aussichtigung der Gefangenen: b) die Schließer-
geschäftez c) die Ausführung der Hausordnung;
d) die Sorge für die Reinlichkeit der Räume,
Utensilien und der Gefangenen, sowie der Wäsche
und Kleidungsstücke;e) die Wartung erkrankter
Gefangener. Den Aufsehern können auch ein-
zelne minder wichtige Geschäfte des Inspektors
mit Genehmigung des Oberstaatsanwalts über-
tragen werden.
Nach § 3 Abfs 2 der Grundsätze werden zur Be-
wachung der weiblichen Gefangenen
in den größeren Anstalten ausschließlich, in den
kleineren, soweit tunlich, weibliche Bedienstete
verwendet (Aufseherinnen, Hausmütter, Ober-
aufseherinnen, Werkmeisterinnen). An Stelle
des Inspektors tritt dann eine gebildete Frau als
„Oberin“. So mehrfach mit Erfolg in Preußen
bei beiden Ressorts.
Obgleich auf die Qualitäten der GBeamten
für einen verständigen Strafvollzug mehr ankommt
als auf die besten Reglements, so bestehen doch
erst bescheidene Ansätze zu einer plan= und berufs-
mäßigen Ausbildung. Die Justizverwal-
tung in Baden und Preußen z. B. haben eine
Praxis von Juristen in den G zur Vorbereitung
auf den höheren Gienst vorgesehen. Die Unter-
beamten (Aufseher, auch Oberaufseher) werden
am besten im Gilfsdienste selbst praktisch und
theoretisch vor= und ausgebildet, aber nicht, wie
es bisher noch geschieht, sofort in erledigten etats-
mäßigen Stellen, sondern als überzählige Hilfs-
beamte. Leider ist die Qualität des Ersatzes viel-
fach ungenügend. Der Dienst ist schwer und wird
knapp bezahlt. Er ist wie der Exekutivdienst über-
haupt wenig begehrt. Auch für Kanzlei= und
Rechnungsbeamte wird eine praktische Vorberei-
tung ausreichen. Für Inspektoren und Direktoren
dagegen, sowie für die große Zahl von Juristen,
welche mit der GLeitung nebenamtlich betraut
werden, ist theoretische Vorbildung und dann
praktische Vorbereitung unter der Führung eines
erfahrenen und erprobten GBeamten dringend
geboten. Die juristische Ausbildung allein genügt
nicht, wenngleich sie viele Elemente für die Vor-
bildung des G Praktikers zu liefern imstande ist.
Psychologie, Ethik, Wirtschaftslehre, Statistik sind
für den höheren GBeamten unerläßliche Elemente
des Studiums. Freilich sind auch für die Juristen,
die sich der Strafrechtspflege überhaupt widmen,
die gleichen Studien und eine praktische Vorbe-
reitung im GDienste durchaus erforderlich. Wel-
chen Wert, darf man fragen, haben Verurteilun-
gen zu dieser oder jener Strafe, wenn diejenigen,
welche die Strafe verhängen, von ihr nicht mehr
kennen, als die wenigen Bestimmungen, die das
St GB enthält! In dieser Richtung haben sich
die in der preuß. Justizverwaltung eingeführten
alljährlichen 14tägigen Lehrkurse für Richter und
Staatsanwälte gut bewährt. Vereinzelt werden,
z. B. in der preußischen Verwaltung des Innern,
Geistliche und Aerzte als Anstaltsdirektoren aus-
gebildet und angestellt, meistens aber ehemalige
Offiziere und noch viele Untcroffiziere. Bayern
und Württemberg verwenden als Vor-
stände nur Juristen. Dieser Standpunkt erscheint
als der relativ beste. Einer einheitlichen Praxis
in den Bundesstaaten stehen mancherlei Schwierig-
keiten, z. B. unbefriedigende Rang= und Beförde-
rungsverhältnisse, im Wege. In Hamburg
ist durch Gesetz für den Direktor der Gnstalten
die Qualifikation zum Richterdienst vorgeschrie-
ben. — Vgl. Fliegenschmidt, Der Beruf des Auf-
sehers in den Strafanstalten und G, 1904; ferner:
Der Beruf des Oberbeamten, 1907.
#5 7. Die obere Leitung der Verwaltung sämt-
licher Justizecs eines Oberlandesgerichtsbezirks
steht in Preußen dem Oberstaatsanwalt zu.
Er hat die geeigneten allgemeinen Vorschriften
über den Geschäftsbetrieb und die Ordnung in
den Gefängnissen zu erlassen und die im einzelnen
Falle erforderliche Abhilfe von Amts wegen oder
auf Beschwerde zu treffen. Die zum Ressort des
Min Inn gehörigen Anstalten sind zunächst den.
Reg Präsidenten unterstellt. Die dritte Instanz
bildet in beiden Ressorts der Minister; ähnlich in
Sachsen. Wegen Württemberg vol.
oben § 5. Die Grundsätze bestimmen: „§ 38. Die
Anstalten werden mindestens alle zwei Fahre
einmal durch die Aufsichtsbehörde oder einen
Beauftragten derselben besichtigt. § 39. Be-
schwerden über die Art der Strafvollstreckung und