Handelskammern (Aufgaben, Organe)
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in der Organisation der dortigen Handelsvertre-
tungen. So kam es, daß gerade hier Versuche mit
der Schaffung von besonderen Detaillistenkammern
gemacht wurden (Hamburg 1904, Bremen 1907).
Die Hamburger Detaillistenkammer hat sehr gute Arbeit
geleistet (Bortragswesen für Kleinkaufleute). Aber auch
diese Kammer warnte, die in Hamburg gemachten guten
Erfahrungen zu verallgemeinern. In anderen Bezirken
werde der Detailhandel finanziell nicht kräftig genug sein
einzelne Kammern zu schaffen; auch werde er dann unter
der Konkurrenz der KHK zu leiden haben, in denen er sich
heute zur Geltung bringen könne. — Auch die preuß. Regie-
rung äußerte sich ablehnend; sie meinte, der Begriff des
„Kleinhandels“ sei nicht sestgestellt, auch sei es unrichtig, die
Handelsinteressen-Bertretung zu sehr zu zersplittern.
3. Verwaltende Tätigkeit. Die
HK dienen mit ihren Verw Funktionen auch den
Regierungen. Sie könnten dazu noch mehr in
Anspruch genommen werden, wenn das Gebiet
des ganzen Reiches in leistungsfähige HK aufge-
teilt wäre. Heute aber muß die Regierung, wenn
sie beispielsweise statistische Erhebungen durch die
HK machen läßt, nebenher doch für einige Ge-
biete noch andere Behörden (die Polizei) in An-
spruch nehmen. So zieht sie es meist vor, von der
Mitwirkung der HK Abstand zu nehmen.
Fast ausnahmslos werden die HK als verwal-
tende und neben den Staatskommissaren aufsicht-
führende Organe des Staates bei der Börse
verwendet (Börs. G 85 1, 3, 9). Einzelheiten im
HKJahrbuch 1910 S 11.
In einigen Seehafen-Städten haben die HK
oder KK Hafeneinrichtungen [I nebst
Eisbrechern und Packhofsanlagen ufsw.
in Besitz und Verwaltung. Auch der Betrieb son-
stiger gewerblicher Anlagen (z. B. einer
Konditionieranstalt) kommt vor.
Der Verkehr der Handelskam-
mern mit den Gerichten hat sich in
letzter Zeit sehr stark entwickelt: Vorschläge für die
Ernennung der Handelsrichter, Anfragen der Ge-
richte über Neueintragungen von Firmen, Be-
nennung von Sachverständigen für anhängige
Streitsachen.
In folgenden Staaten erhielten die HK durch
Gesetz oder Verordnung das Recht der öffentlichen
Anstellung und Beeidigung von
Gewerbetreibenden nach §s 36 GewoO:
Preußen, Bayern, Württemberg (nur Bücher-
revisoren), Baden, Hessen, Weimar, Oldenburg,
Braunschweig, Meiningen, Altenburg, Rudol-
stadt, Sondershausen, Reuß j. L., Bremen, Ham-
burg. In Baden erfolgt die Becidigung durch die
Bezirksämter, in Meiningen durch die Landräte,
in Bremen durch den Senat, in Hamburg durch
den Präses der Deputation für Handel, Schiffahrt
und Gewerbe (Jahrb. 1910). Einige Staaten be-
helfen sich mit den gerichtlichen Becidigungen.
In Anhaltliegt die Entscheidung bei der Regierung.
Die Sachver ständigen, um die es sich handelt,
sind namentlich: Bücherrevisoren, Handelschemiker, Dis-
pacheure, Probenehmer für Zucker, Düngemittel, Futter-
mittel, Getreide, Holz usw. und Messer und Wäger. Sollen
Handelssachverständige generell vor Gericht vereidigt wer-
den, so sind in Preußen die Hn# vorher zu hören (Pr. Just.=
Min Vfg v. 19. ö. o1; die von den Öd#beeidigten Sach-
verständigen sind in die bei den Gerichten ge führten Listen
der gerichtlichen Sachverständigen aufzunehmen (Win Vfg
v. 25. 3. 02); es genügt auch bei ihnen die Berufung auf
entsprechendem Hilfspersonal).
den allgemeinen der H.tf geleisteten Eid zur Bekräftigung
ihres dem Gericht abzustattenden Gutachtens (Min Vfg v.
26. 4. 01; sämtliche einschlägigen Min Berfügungen sind
abgedruckt im „Verzeichnis der Bücherrevisoren“" , Magde-
burg 1908).
Die HK erstatten ferner den Gerichten auf An-
frage Gutachten über Preise und Handels-
gebräuche. Die rechtschöpfende Tätigkeit hat
auf diesem Gebiete bei einigen HK einen großen
Umfang angenommen; sie sind auch dazu über-
gegangen, sowohl die in ihrem Bezirk bestehenden.
Handelsgebräuche zu kodifizieren als auch die von
ihnen erstatteten gerichtlichen Gutachten über
Handelsgebräuche zu sammeln und herauszu-
geben (vgl. Behrend-Gutsche, Handelsgebräuche
im Großhandel Magdeburgs, Einleitung).
Die Entwickelung der von HK eingerichteten
freien Schiedsgerichte ist sehr ungleich-
mäßig.
Da, wo die Einrichtung generell für die Gewerbe des
OABezirks getroffen wurde, bleibt sie unbeachtet; selbst da,
wo sie auf bestimmte Gewerbszweige zugeschnitten wurde,
fand sie nur selten Zuspruch. Anders dort, wo die Benutzung
solcher Schiedsgerichte durch einen vom Großhandel gu
eingeführten Schlußschein obligatorisch gemacht wurde.
Einzelne solcher Schiedsgerichte haben trotz Ausschaltung
aller Quantitätsstreitigkeiten, die durch Sachverständigen-
Kommissionen entschieden werden, fährlich mehrere hundert
Prozesse zu entscheiden. Man geht dabei neuerdings vom
System der Schiedsrichter--Ernennung durch die Parteien
(Arbitrage) ab und läßt die Schiedsrichter und den Vor-
sitzenden durch die 5 K ernennen (Magdeburg).
Die Auskunfterteilung an Firmen
wird von einigen großen HK besonderen „Ver-
kehrsbureaus“ oder „Zollauskunftstellen“ übertra-
gen (Berlin, Leipzig). Benachbarte HK pflegen
an diese Auskunftstellen Anschluß zu suchen.
Wichtige Verwüufgaben erfüllen die HK auf
dem Gebiete des kaufmännischen und
gewerblichen Unterrichtswesens I#l:
Erhaltung und Verwaltung oder auch nur pe-
kuniäre Unterstützung von olbligatorischen kauf-
männischen Fortbildungsschulen, von Handels-
fachklassen, von Vortragskursen, von Handwerks-
meisterkursen (im Interesse der Industrie) und
von Handelshochschulen.
Der Lehrlingshaltung lI, namentlich in
Fabriken, haben leider noch sehr wenige HK
ihre Aufmerksamkeit geschenkt. In einigen HK
und KK ist das Unterstützungswesen
und Stipendienwesen erfreulich ent-
wickelt. Zum Teil üben die Handelsvertretungen
dabei (z. B. Königsberg und Magdeburg) noch
Rechte früherer Innungen aus.
Eine Anzahl von HK verleihen Ehrenur-
kunden.
Die Veröffentlichungen der H ha-
ben an Wert gewonnen, je mehr sich das Interesse
von den der Vergangenheit gewidmeten Jahres-
berichten ab= und monatlichen Veröffentlichungen
zuwendet (s. Behrend, Arch f. Sozialp. 20, 431 ff).
s 9. Das Sekretariat (Syndikus). Erweite-
rung des Kreises der Mitwirkenden; Handels-
gremien; Fachkommissionen; Beteiligung an
Vereinen; Zweckverbände; Handelskammer-Ver-
einigungen.
1. Sekretariat. Die meisten HK verfü-
gen über ein Sekretariat und ein Bureau (mit
An der Spitze