Heimatrecht (Bayern)
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reich brachte das Gesetz über Heimat, Vereheli-
chung und Aufenthalt v. 16. 4. 68 (GBl 357).
Ueber die Beschränkungen der Verehelichungs-
freiheit bei Einspruch der Heimatgemeinde # Nie-
derlassung.
Beim Eintritte Bayerns in das Reich behielt
ersteres sich als Sonderrecht vor, daß die Zustän-
digkeit des Reichs zur Gesetzgebung über Heimat-
und Niederlassungsverhältnisse sich auf Bayern
nicht erstrecke (RV a 4 Ziff. 1). Demgemäß traten
die Ru über die Aufhebung der polizeilichen Be-
schränkungen der Eheschließung v. 4. 5. 68 (Bl
149) und über den Unterstützungswohnsitz v. 6.
6. 70 (BGBl 360) für Bayern nicht in Kraft.
Doch machte der Eintritt Bayerns in das Reich
Aenderungen des H. G durch eine Nov. v. 23.2.72
(GBlI 214) nötig. Die weiteren Aenderungen sind
in die letzte Gesetzes-Fassung v. 30. 7.99 (GVBl
470 ff) eingearbeitet.
Eine G Vorlage wegen Einführung des Unter-
stützungsW G in Bayern unter Aufhebung des
HG steht unmittelbar bevor ½).
s 2. Begriff und Arten der Heimat. Heimat
ist das Verhältnis der Zugehörigkeit zu einer be-
stimmten Gemeinde. Die Wirkungen dieser Zu-
gehörigkeit lassen sich rechtswissenschaftlich nicht
mit einer allgemeinen Formel ausdrücken. Das
Gesetz (a 14) sagt: „Die Heimat in einer Gemeinde
gewährt a) das Recht, in dem Gemeindebezirke
sich aufzuhalten, b) für den Fall eintretender
Hilfsbedürftigkeit Ansprüche auf Unterstützung
durch die Gemeinde nach Maßgabe des Gesetzes
über die Armenpflege.“ Indessen trifft letztere
Wirkung nicht durchweg zu. Nur die erstere, daß
dem Heimatberechtigten der Aufenthalt in der
Gemeinde aus polizeilichen Gründen nicht ver-
wehrt werden kann, ist eine allgemeine und be-
grifflich notwendige Folge der Heimat. Von der
cigentlichen oder wirklichen Heimat
unterscheidet sich die uneigentliche oder
vorläufige. Letztere begründet keine Zuge-
hörigkeit zur Gemcindc, sondern nur das Auf-
enthaltsrecht in der eben crörterten Weise. Heimat
schlechtweg bezcichnet die wirkliche Heimat. All-
gemeine Voraussetzung der letzteren ist der Besitz
der Staatsangehörigkeit (a 10, 11, 15). Das Ge-
schlecht begründet, wo das Gesetz nicht anders be-
stimmt, keinen Unterschied hinsichtlich der Heimat-
fähigkeit. Eine mehrfache Heimat ist unmöglich
(a 15 Ziff. 1). Die eigentliche wie dic uncigentliche
Heimat ist entweder eine selbständigce oder
eine unselbständige. Der Bestand der
ersteren kann nur durch Momente berührt werden,
dic in der Person des Heimatinhabers eintreten;
der Bestand der letzteren ist von der Heimat eines
anderen abhängig und wird daher von deren Ver-
änderungen mit ergriffen. Die unselbständige
Heimat hat ihren Grund im Familienverbande.
Sic ist eine ursprüngliche für die Kinder,
eine erworbene für die Ehefrauen. Die
selbständige Heimat entsteht entweder durch
Umwandlung aus der unselbständigen oder un-
abhängig von letzterer durch Neuerwerb.
Begründung der wirklichen Heimat.
I. Seine ursprüngliche Heimat hat jeder
Bayer da, wo sein ehelicher Vater, bezw. seine un-
1) „Zur Resorm des bayerischen Armen- und Heimat-
wesens", im Reichs. Arbeitsblatt 1911 S. 780 f.
eheliche Mutter heimatberechtigt ist. Den ehelichen
Kindern werden die Kinder gleichgeachtet, die nach
dem bürgerlichen Rechte die rechtliche Stellung
von ehelichen Kindern haben (a 1, 11 Abs 4).
Heimaterwerb durch Ersitzung erstreckt sich auf die
ehelichen Kinder nur, wenn letztere noch keine
Heimat haben (a 11 Abs 4); Heimaterwerb durch
Verleihung bei gleichzeitigem Erwerb der Staats-
angehörigkeit erstreckt sich auf die unselbständigen
ehelichen usw. Kinder (a 10 Abs 2) — hier wie dort
die Staatsangehörigkeit der Kinder vorausgesetzt.
Voreheliche Kinder solgen der Heimat der Mutter
auch dann, wenn letztere sich verehelicht, ohne daß
dadurch die Kinder legitimiert werden; ausge-
nommen sind voreheliche Kinder einer bisherigen
Landeefremden, da diese, wenn nicht legitimiert,
nicht Bayern werden (a 10 Abs 3). Die Ehefrau
folgt der Heimat des Gatten, sice müßte denn aus-
nahmsweise dessen Staatsangehörigkeit nicht teilen
(a 3 Abs 2; 4 Abs 1; 10 Abs 2; 11 Abs 4).
II. Eine Umwandlung der bisheri-
gen unselbständigen in eine selb-
ständige Heimatt tritt ein: 1. bei Kindern
durch den Tod des Vaters, bezw. der unehelichen
Mutter, bei Ehefrauen durch Auflösung der Ehe,
Aufbebung der ehelichen Gemeinschaft nach §& 1575
BB und Nichtigerklärung einer für sie gutgläu-
bigen Ehe, bei Familiengliedern durch Staats-
angehörigkeitsverlust des Familienhauptes, der
sic nicht mit ergreift (a 1 Abs 1, 4); 2. bei Männern,
welche noch die ursprüngliche Heimat besitzen,
durch Verehelichung (a 3 Absf 1).
III. Unabhängig von der bisherigen
unselbständigen Heimat wird eine
selbständige Heimat erworben in
folgenden Fällen neu: Z
a) Anstellung (a 2). „Definitiv angestellte
Beamte und Diener des Staats (nach dem Be-
amten G v. 1908 „unwiderrufliche etatsmäßige
Beamte“, ferner die Notare), der Kirche (d. h.
einer öffentlichen Religionsgesellschaft — der ka-
tholischen und protestantischen Kirche), der Ge-
meinde, einer öffentlichen Korporation oder
Stiftung erwerben die Heimat in der Gemeinde
ihrer Anstellung, Schullehrer in der Gemeinde
des Schulsitzes, Offiziere, Aerzte im Offiziersrang,
obere Beamte der Militärverwaltung in der Ge-
meinde ihrer Garnison oder ihres Amtssitzes.“
Das V.Gv. 26. 10. 87(GWVll 625) in der Fassung
des à 225 des Beamten G v. 1908 bestimmt hierzu:
„Diejenigen provisorisch ernannten Beamten (des
Staats), deren Dienstverhältnis bei Beendigung
der Reichsverwesung bereits unwiderruflich ge-
worden ist, behalten die hierdurch erworbenen
H. für sich und ihre Angehörigen auch für den
Fall, daß die von dem Reichsverweser ausgegan-
genen Ernennungen widerrufen werden sollten.“
a 2 Abs 3 regelt die H. Verhältnisse der außerhalb
Bayerns angestellten Beamten.
b) „Mit dem Bürgerrechte wird das H.
in der Gemeindc erworben.“ Hievon besteht eine
Ausnahme für die Fälle des Bürgerrechtserwerbs
nach a 18 der Gem für die Landesteile diesseits
des Rheins v. 28. 4. 69 (a 5, 28).
c) Verleihung durch die Gemein-
de. „Anspruch auf Verleihung des
H. in der Aufenthaltsgemeinde haben jene Ange-
hörigen des bayerischen Staates, welche im Alter
(D. H. der Volljährigkeit ununterbrochen 4 Jahre lang
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