Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
Inseln — Interessensphären 
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insbesondere im Sinne der Förderung der Lan- 
deskultur verstanden — dem Antragsteller das 
ausschließliche Eigentum zuweist, unter Tilgung 
der Ansprüche der anderen. 
3. Inseln im Strome. Nach gemeinem 
Rechte würde hier das gleiche Verfahren Platz 
greifen wie bei den J. im Privatflusse. Durch die 
Annahme eines J.Regals wird diese Auffassung 
hier und da durchbrochen. Ein entschiedener Ge- 
gensatz tritt aber vor allem da hervor, wo der 
Gedanke eines öffentlichen Eigentums des 
Staates am Strom durchgeführt ist (franz. Recht, 
bayer. Wassergesetz). Wenn danach der Strom, 
insbesondere das Strombett, dem Staate gehört, 
so ist die Folge davon, daß dieses Eigentum auch 
an der daraus entstehenden J. sich fortsetzt. Nur 
ist die rechtliche Natur des Eigentums an der J. 
eine andere: es gehört nicht dem öffentlichen 
Rechte an, wie das am Strome selbst; denn die J. 
dient nicht wie dieser unmittelbar dem öffentlichen 
Zweck. Sie ist daher gewöhnliches privatrecht- 
liches Eigentum des Staates, gleich dem Grund 
und Boden einer aufgehobenen Straße; sie ist 
veräußerlich, ersitzbar und belastbar nach den 
Regeln des Be(B. 
Das preußische Recht läßt die besonderen ört- 
lichen Ordnungen bestehen, welche die J. im 
öffentlichen Fluß für den Staat in Anspruch neh- 
men. Sovweit solche nicht vorhanden sind, sollen 
die Regeln über die J. im Privatflusse auch hier 
zur Anwendung kommen. Das Interesse an der 
Ausdehnung des Kulturbodens hat auch hier 
überwogen. Nur in einem Punkte kommt gleich- 
wohl die besondere Zugehörigkeit des öffentlichen 
Flusses auch an seinen J. zur Erscheinung. Die 
Verwaltung hat das Recht, zur Verbesserung 
des Wasserlaufes die darin liegenden J. zu be- 
seitigen (J Ströme § 51. Der Eigentümer 
wird grundsätzlich entschädigt. Aber beim öffent- 
lichen Flusse nur dann, wenn die J. seit wenig- 
stens 50 Jahren in Privatbesitz und Kultur ge- 
wesen ist. Die J. bleibt also hier noch während 
50 Jahren zur freien Verfügung des Staates im 
Interesse des Strombaues. 
Duellen: 1. 7 13, 1. 29, I. 30 pr. D. 41, 1; Preuß. 
ALK Il. 941242 ff; Bayer. Wasser G 23. 3. 07 a 13, 22; Sächs. 
Wasser G v. 12. 3. 00 5 9; code civll a 560, 561; Bad. Was. 
ser G v. 26. 6. 99 # 7 u. 8; Württ. Wasser G v. 1. 12.00 a 14. 
Kiteratur: Henrici, #r Lohre vom J. Erwerb 
in Iherings Jahrb. f. Dogm. 13, 57f f; Schenkel, 
Das bad. Wasserrecht 191 ff; Schelcher, Komm. z. 
Sächs. Wasser G 38 f. Otto Mayer. 
Interessensphären 
I. Begriff. J. („Macht“-Sphäre, Hinterland, 
spheres of influencec, zönes d’influencec) ist das 
an ein Kolonialgebiet stoßende Landgebiet, das 
zum Teil noch nicht durch Grenzfeststellung, son- 
dern nur durch eine vorläufige, nach Längen= und 
Breitegraden berechnete Demarkationslinie um- 
grenzt wird, und auf das sich inhaltlich sog. Ab- 
grenzungsverträge der staatliche Einfluß des Ko- 
lonialstaates unter Ausschluß der Geltendmachung 
der Staatsgewalt anderer interessierter Kolonial- 
mächte erstrecken darf. 
  
  
— 
II. Der Bestand an deutschen Interessen- 
Foeee Der geographische Bereich der deut- 
chen J. läßt sich genau nicht bestimmen. Ohne 
Zweifel aber gehören dazu noch jetzt folgende 
Länderstrecken: in Südwestafrika das Ovambo- 
land im Nordwesten der Kolonie und der Caprivi- 
zipfel im Nordosten östlich des Okawangoflusses; 
in Ostafrika das Gebiet zwischen dem Kiwu und 
dem oberen Tanganika auf der einen und dem 
Viktoriasee auf der anderen Seite, in dem die 
Sultanate Urundi und Ruanda gelegen sind; 
letztere sind durch V des Gouverneurs v. 7. 3. 06 
für Weiße vollkommen gesperrt; in ihre innere 
Organisation soll, um Unruhen zu vermeiden, in 
absehbarer Zeit von seiten der deutschen Regie- 
rung in keiner Weise eingegriffen werden. — Die 
50 km--Zone, welche das Schutzgebiet Kiaut- 
schou (M in einem Halbkreise umschließt und die 
„Interessenzone“ genannt wird, ist eine J. im 
rechtlichen Sinne nicht. 
III. Die Rechtsnatur der Interessensphären. 
Zur Erklärung der Rechtsnatur der J. kann die 
in fast allen, die Existenz der J. begründenden 
sog. Abgrenzungsverträgen gleichlautend sich wie- 
derholende Bestimmung folgenden Inhalts heran- 
gezogen werden. „Jede der beiden Mächte wird 
sich jeglicher Einwirkung in der J. der anderen 
enthalten und keine Macht wird in der J. der 
anderen Erwerbungen machen, Verträge schlie- 
ßeen, Souveränitätsrechte oder Protektorate über- 
enehmen oder den Einfluß der anderen hindern 
oder streitig machen.“ Hieraus hat die herrschende 
Meinung den juristischen Charakter der J. dahin 
bestimmt, daß sie der Souveränität des Kolonial-= 
staates noch nicht unterworfen, noch kein Kolo- 
nialstaatsgebiet, sondern erst „de signiertes 
Staatsgebiet ' seien, Gebiet für zukünf- 
tige Okkupationen und Schutzherrschaften. Es 
wird ihnen somit nur eine rein völkerrechtliche 
Bedeutung zugesprochen, den Abgrenzungsver- 
trägen also nur die Wirkung der Begründung 
eines ausschließlichen Rechts zur Okkupation, ein 
Jus excludendi alium gegeben. (So insbes. La- 
band und Liszt, denen sich die meisten angeschlos- 
sen haben.) Wenn auch die staatsrechtliche Ge- 
walt in den J. noch nicht aufgerichtet sei, so bil- 
deten die J. doch eine völkerrechtliche Reserva- 
tion des Deutschen Reiches zur Entfaltung seiner 
Herrschaft und seien dazu bestimmt, allmählich in 
wirkliches Kolonialland umgewandelt zu werden. 
— Anderer Ansicht sind diejenigen, welche den 
juristischen Unterschied zwischen „Kolonie“ 
und „Interessensphäre“ leugnen, letztere ebenso 
wie die eigentliche Kolonie der Souveränität des 
Kolonialstaates als unterstehend erachten und 
nur einen rein tatsächlichen Unterschied 
zwischen den beiden Gebietsarten zugeben wol- 
len, der darin bestehe, daß die virtuell vorhandene 
Kolonialstaatsgewalt von der kolonisierenden 
Macht nur noch nicht aufgerichtet sei (so insbes. 
Ph. und Alb. Zorn u. a.). Eine Mittelmeinung 
(Fleischmann) sieht in den J. Verträgen nicht 
schon die Anerkennung der Gebietshoheit, wohl 
aber die persönliche Zusage eines Verhaltens sei- 
tens des Mitkontrahenten, wie wenn die Ge- 
bietshoheit bestünde. Jedenfalls muß anerkannt 
werden, daß die J. eine Uebergangsbildung des 
Rechts, einen nasciturus darstellt, für den ein
	        
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