Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Kaufmannsgerichte 
Handels Min v. 12. 4. 92 (OMBl 164) — „die Beisitzer- 
stellen unter den verschiedenen, im Bezirk des Gew G (bezw. 
Kfm O) bestehenden, oder anläßlich der Wahlen sich bildenden 
gewerblichen Gruppen und Interessentenkreisen der im 
übrigen nach wie vor in getrennten Wahlkörpern wählenden 
Arbeitgebern und Arbeitern nach dem Verhältnis der 
Stimmenzahl jeder Gruppe zur Gesamtstimmenzahl des 
betrefsenden Wahlkörpers verteilt werden, wodurch auch 
denjenigen Gruppen die Möglichkeit der Erlangung einer 
Beisitzerstelle gegeben wird, die an sich nur eine Minderheit 
von Stimmen auf sich vereinigen.“ 
Das einfachste System ist dasjenige der Ver- 
hältniswahl mit gebundenen Listen. Die 
Wahlhandlung wird dadurch vorbereitet, daß durch 
die einzelnen Wählergruppen Vorschlagslisten bei 
der zuständigen Behörde eingereicht werden. 
Diese Listen, welche die sämtlichen zu wählenden 
Beisitzer anzugeben haben, müssen von einer be- 
stimmten Mindestzahl von Wahlberechtigten un- 
terzeichnet sein. Sie werden veröffentlicht. Die 
Wähler sind „gebunden“, am Wahltage für die 
unveränderten Vorschlagslisten in der Weise zu 
stimmen, daß sie nicht die Namen der in der 
Liste aufgeführten Personen, sondern nur die 
„Bezeichnung“ der Liste angeben, wie z. B. 
Liste A oder Liste I oder II usw. 
Manche Statuten sehen, um namentlich zu 
verhüten, daß kleinere Gruppen ganz ausfallen, 
die Möglichkeit vor, daß Listen „verbunden“ 
werden. Hierdurch läßt sich auch bewirken, daß, 
wenn die kleineren Gruppen etwa die Teilungs- 
zahl nicht erreichen, ihre Stimmenziffern den 
mit ihnen verbundenen Gruppen zugute kommen. 
Es ist übrigens zulässig, in den Statuten vorzu- 
schreiben, daß bei der Abstimmung die Namen 
aus verschiedenen Listen entnommen oder daß 
Namen auf einer Liste gestrichen oder durch andere 
Namen ersetzt werden dürfen. Das sog. Märkische 
Statut und das Statut des Gew# Frankfurt 
a. M. sehen ferner Ergänzungslisten vor, 
auf welchen die den Vorschlagslisten nicht zuzu- 
zählenden Stimmen gesammelt werden. Mit 
Ergänzungslisten scheint man keine guten Erfah- 
rungen gemacht zu haben. 
Ueber „die Anwendung der Verhältniswahl bei den 
Gewerbe- und Kaufmannsgerichten“ eingehend Ernst Cahn 
in dem Jahresbericht des Sozialen Museums in Frankfurt 
a. M. für 1907; namentlich für die Ermittlung des Wahl- 
  
  
ergebnisses siehe Jahrbuch d. Ksme Berlin 1, 344 ff, III, 
891 ff und RArbvBl 1, 308. 
8 4. Zustäundigkeit. Die KfmG sind zuständig 
zur Entscheidung von Streitigkeiten aus dem 
Dienst= oder Lehrverhältnisse zwischen Kaufleuten 
einerseits und ihren Handlungsgehilfen oder 
Handlungslehrlingen andererseits. Handlungs- 
gehilfen aber, deren Jahresarbeitsverdienst an 
Lohn oder Gehalt den Betrag von 5000 Mk. über- 
steigt, sowie die in Apotheken beschäftigten Ge- 
hilfen oder Lehrlinge unterstehen der Zuständig- 
keit der ordentlichen Gerichte. 
Die Kfm G sind nur berufen zur Entscheidung 
von Streitigkeiten, welche die im § 5 Nr. 1—6 
des Kfmec genannten Gegenstände betreffen. 
Nr. 6 behandelt Streitigkeiten anläßlich der 
Konkurrenzklausel, durch welche der Handlungs- 
gehilfe oder Handlungslehrling für die Zeit nach 
Beendigung des Dienst-- oder Lehrverhältnisses 
in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt wird. 
  
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503 
keiten auf, die im wesentlichen den den Gew# 
zur Erledigung überwiesenen Streitigkeiten ent- 
sprechen (X Gewerbegerichte # 31. 
Bezüglich der örtlichen und der ausschließlichen 
Zuständigkeit der Kfm G gilt dasselbe wie bei den 
Gewerbegerichten (I. Ein mit einer kaufmänni- 
schen Streitsache beschäftigtes GewG und ein 
mit einem gewerblichen Prozesse befaßtes Kfm G 
haben die Sachen an das zuständige Kfm G oder 
Gew# durch Beschluß zu verweisen 
( 16 Abs 3). Hierdurch sollen Klageabweisungen 
wegen Unzuständigkeit vermieden werden. Be- 
züglich der Verweisung an die ordentlichen Ge- 
Scchte und umgelehrt siehe #s5 505 und 506 ZPO. 
Schiedsverträge, durch welche der Ent- 
scheidung der KimE künftige Streitigkeiten, 
welche zu ihrer Zuständigkeit gehören, entzogen 
und Schiedsgerichten überwiesen werden, sind 
nichtig (abweichend Gew##). 
5. Verfahren vor den Kaufmann#gerichten. 
Es gleicht dem vor den GewG. Die Berufung 
gegen die Urteile der Kfm G findet jedoch nur 
statt, wenn der Wert des Streitgegenstandes den 
Betrag von 300 Mk. übersteigt. Siehe unter 
„Gewerbegerichte“, namentlich auch über die Ein- 
wirkung des Gesetzes betr. Aenderungen des 
GV, der 8#0, v. 1. 6. O9 auf das Verfahren. 
Ist übrigens ein zuständiges Kfm G nicht vor- 
handen, so kann bei Streitigkeiten der im # 5 
Abs 1 Nr. 1 und 5 Kfm G bezeichneten Art 
(Antritt, Fortsetzung oder Auflösung des Dienst- 
oder Lehrverhältnisses, Aushändigung und Inhalt 
des Zeugnisses — Berechnung und Anrechnung 
der von den Handlungsgehilfen oder Handlungs- 
lehrlingen zu leistenden Krankenversicherungs= und 
Eintrittsgelder) jede Partei die vorläusige Ent- 
scheidung durch den Vorsteher der Ge- 
meinde nachsuchen. Zuständig ist der Vor- 
steher der Gemeinde, in deren Bezirk die streitige 
Verpflichtung aus dem Dienst= oder Lehrverhält- 
nis zu erfüllen ist oder sich die Handelsniederlas- 
sung des Kaufmanns befindet oder beide Parteien 
ihren Wohnsitz haben. Die Vorschriften des 8 76 
Abs 2, 3 und der 3/#§ 77—80 Gewößcßl finden sinn- 
gemäße Anwendung. 
6. Einigungsämter. Es gelten hier die glei- 
chen Bestimmungen wie für die GewG [NGe- 
werbegerichtel. Bisher sind Kfm nur 
selten als Einigungsämter angerufen worden. 
Während der Jahre 1906—1909 wurde nur von 
den Handlungsgehilsen allein in je einem Falle 
ein Kfm G als Einigungsamt angerusen. In allen drei 
Fällen kam es weder zu einer Vereinbarung noch zu einem 
Schiedsspruch. 1906 riefen in drei Fällen Kaufleute und 
Handlungsgehilsen das Einigungsamt an. Es erfolgten 
hier Vereinbarungen. Gleicherweise erfolgte die Anrufung 
1908 in zwei Fällen mit demselben Ergebnis. 1009 wurde 
das Einigungsamt in 2 Fällen nur von den Handlungs- 
gehilsen, in einem Falle von beiden Teilen angerufen, in 
welchem es zu einer Vereinbarung kam. 
§s# 7. Begutachtende und Anuträge stellende 
Behörden. Während die Gew# ganz allgemein 
Gutachten und Anträge „in gewerblichen Fragen“ 
abgeben bezw. erstatten können, handelt es sich 
bei den Kfm G nur um Fragen, „welche das kauf- 
männische Dienst= oder Lehrverhältnis betreffen“. 
Es wurde aber bei den Kommissionsberatungen 
über den Gesetzentwurf ausdrücklich von einem 
  
Die andern Nummern des # 5 führen Streitig= Mitgliede der Kommission festgestellt, daß unter
	        
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