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Kiautschon
fallen lassen muß. Hierzu gehören die Konsular-
gerichtsbarkeit und die Zulassung von Missions-
gesellschaften
3. Rechtsverhältnisse der chinesischen Be-
völkerung. Eingeborene des K.G im Sinne der
Sch Gesetzgebung (z. B. § 4 Sch G) sind die
darin ansässigen Chinesen. Wo in Erlassen der
K. Verwaltung die Ausdrücke „Chinesen"“ oder
chinesische Bevölkerung“ gebraucht werden, sind
sie lediglich im ethnologisch-kulturellen, d. h.
im Sinne der Zugehörigkeit zu einer der chine-
sischen Staatsgewalt unterworfenen oder unter-
worfen gewesenen Rassen, soweit sie im Banne
der chinesischen Kultur stehen, zu verstehen. Da-
zu gehören außer den eigentlichen Chinesen auch
die Stämme der sog. Außenländer (Mandschurei,
Mongolei, Turkestan, Ili) einschl. Tibet und die
halbwilden Stämme an den Grenzen.
Die rechtliche Stellung der Chinesen im Sch G
gibt (abgesehen von denjenigen, denen etwa auf
Grund des & 9 Schutzgeb G die Reichsangehörig-
keit verliehen werden sollte, was bisher noch nicht
vorgekommen ist) zu zahlreichen Zweifeln Anlaß.
Ihre Einreihung unter den in der Entwicklung be-
griffenen und nach der genaueren Bestimmung
harrenden Begriff der „Schutzgebietsangehörig-
keit" begegnet der Schwierigkeit, daß nach chinesi-
scher Rechtsauffassung ein Chinese seine Staats-
angehörigkeit niemals formlos, sondern nur auf
Antrag verlieren kann — ein Rechtssatz, der Aus-
druck gefunden hat in dem Anfang 1909 publizier-
ten Gesetz über Erwerb und Verlust der chinesi-
schen Reichsangehörigkeit (deutsche Uebersetzung
im Ostasiatischen Lloyd v. 21. 5. Oh S 1017 ffj.
Völkerrechtliche Grundlage der Rechtsstellung
der Chinesen im K.G bildet der à 5 des Staats-
vertrages mit China: „Der im Pachtgebiet woh-
nenden chinesischen Bevölkerung soll, voraus-
gesetzt, daß sie sich den Gesetzen und Verordnungen
entsprechend verhält, jederzeit der Schutz der deut-
schen Regierung zuteil werden; sie kann, soweit
nicht ihr Land für andere Zwecke in Anspruch ge-
nommen wird, dort verbleiben"“. Der Ansicht
Köbners, die Eingeborenen von K. ständen in
keiner Beziehung zu der chinesischen Staats-
gewalt, ist daher nur beizutreten für diejenigen
Chinesen, die im Sch G geboren sind und wohnen,
d. h. den tatsächlichen Mittelpunkt ihrer Existenz
haben. Mit der Lösung der tatsächlichen Be-
ziehungen zum Sch G erlischt aber auch die
Sch GAngehörigkeit. Die deutsche Regierung
dürfte weder gewillt, noch tatsächlich in der Lage
sein, Sch GeChinesen, die z. B. nach Südafrika oder
der Mandschurei auswandern, diplomatisch zu
schützen. In wesentlicher Uebereinstimmung mit
der Praxis der Gerichte und des Gouvernements
wird man folgende Sätze als geltendes Recht be-
zeichnen dürfen:
I. Die im Sch G geborenen Chinesen haben, so-
lange sie dort ihren Wohnsitz haben a) ihren ordent-
lichen Gerichtsstand vor den Gerichten des Sch G
(ob vor den ordentlichen oder vor den für Chinesen
errichteten Sondergerichten, hängt bei einem
Zivilprozeß davon ab, ob nur Chinesen oder auch
andere daran beteiligt sind), nicht dagegen bei
Aufenthalt außerhalb des Sch G in einem deut-
schen Ronsulargerichtsbezirk vor diesem Konsular-
gericht (so zutreffend Peters S 36 — sie würden
die ordentliche deutsche Gerichtsbarkeit günstiger
gestellt sein, als im Sch G); b) sie sind in der Regel
(soweit nicht aus politischen oder Zweckmäßig-
keitsgründen Ausnahmen gemacht werden) ge-
schützt gegen die Auslieferung an China oder eine
andere fremde Macht wegen einer (innerhalb oder
außerhalb des SchG begangenen) Straftat; die
Aburteilung erfolgt durch die Gerichte des Sch G
(umgekehrt wird im allgemeinen China um die
Auslieferung solcher Sch GChinesen ersucht, die
im Sche sich strafbar gemacht haben und in China
ergriffen sind); c) sie brauchen nicht die den Aus-
ländern durch #§ 110, 3PO sowie durch § 85 des
Deutschen Gerichtskostengesetzes auferlegte Sicher-
heit wegen der Prozeßkosten zu leisten, wenn sie vor
den Gerichten des Sch G gegen einen Reichsan-
gehörigen klagen; d) sie können den Schutz der
deutschen Behörden gegen Uebergriffe fremder
Individuen oder Behörden einschließlich der chi-
nesischen anrufen; e) sie haben einen völkerrecht-
lichen Anspruch auf freie Niederlassung, solange
sie sich den Gesetzen und Verordnungen ent-
sprechend verhalten; wer das nicht tut, setzt sich
(abgesehen von der Bestrafung) der Gefahr der
Ausweisung aus, die als Nebenstrafe gegen
Chinesen ausdrücklich zugelassen ist, außerdem
aber auch als Verw Maßregel verhängt werden
kann. [I Ausweisung Band I S. 289.)
II. Mit dem Aufgeben des tatsächlichen Wohn-
sitzes im Sch G erlöschen die Rechte und Pflichten
Deutschlands gegenüber den Sch GChinesen.
III. Chinesen, die im Sch G zwar nicht geboren,
aber durch Grundbesitz oder Betreiben eines
stehenden Gewerbes oder feste Anstellung an-
sässig sind, werden für die Dauer dieser An-
sässigkeit behandelt wie die unter 1 erwähnten
mit der Maßgabe, daß während der Dauer eines
Aufenthalts auf chinesischem Gebiete die Unter-
stellung unter die deutsche Gerichtsbarkeit und der
diplomatische Schutz den chinesischen Behörden
gegenüber ruht.
Der §& 10 des Sch Gesetzes, wonach durch
Kaiserl. Verordnung Eingeborene in Beziehung
auf das Recht zur Führung der Reichsflagge (R
v. 22. 6. 99, modifiziert durch G v. 29. 5. O1)
den Reichsangehörigen gleichgestellt werden kann,
hat für K. keine erhebliche Bedeutung. Denn nach
à 5 der Zusatz-Konvention zu dem deutsch-chinesi-
schen Freundschafts-, Schiffahrts- und Handels V#
v. 2. 9. 61, v. 31. 3. 80 (RGl 1881 S 261) hat
Deutschland China das Zugeständnis gemacht,
daß weder Chinesen gehörige Schiffe sich der
deutschen, noch deutsche Schiffe sich der chinesischen
Flagge bedienen dürfen. In Konscquenz dieser
völkerrechtlichen Verpflichtung müßte daher eine
etwaige Kaiserl. Verordnung auf solche Eingeborene
beschränkt bleiben, die auch nach chinesischem Staats-
recht nicht mehr chinesische Untertanen sind.
## 4. Gesetzgebung und Verordnungsrecht.
I. Zuständigkeit. Der Reichskanzler hat
das ihm zustehende Verordnungsrecht in weitem
Umfange dem Gouverneur delegiert. Nach 8 1
der (im übrigen nicht mehr geltenden) V v. 27. 4.
98 (MVBl 151) ist der Gouverneur bis auf wei-
teres ermächtigt: a) Anordnungen zu erlassen
über 1. die Rechtsverhältnisse der Chinesen und
der Angehörigen farbiger Volksstämme, soweit
diese nicht der ordentlichen deutschen Gerichtsbar-
sonst im Auslande infolge der Unterstellung unter keit unterstellt sind, 2. die Rechtsverhältnisse an