Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
510 
—— 
einer gewählt vom Vorstand der Handelskammer, 
von den Inhabern der in das Handelsregister ein- 
getragenen Firmen (chinesische Firmen werden 
nicht eingetragen) und den im Grundbuche ein- 
getragenen, jährlich mindestens 50 Dollar Grund- 
steuer zahlenden Grundeigentümern (auch der 
chinesischen). Nur deutsche Reichsangehörige sind 
wählbar; die Wahl ist geheim. Dem Gouverne- 
mentsrat sind zur Beratung vorzulegen: a) die 
Vorschläge für den jährlichen Haushaltsetat, so- 
weit nicht der Gouverneur aus politischen oder 
militärischen Gründen Ausnahmen anordnet; 
b) die Entwürfe der vom Gouverneur zu erlassen- 
den oder von ihm in Vorschlag zu bringenden Ver- 
ordnungen. Dem Gouverneur steht es frei, dem 
Gouvernementsrat auch andere Angelegenheiten 
u unterbreiten. Den Mitgliedern ist rechtzeitig, 
in der Regel mindestens drei Tage vor der Sitzung, 
von der Tagesordnung Kenntnis zu geben. Der 
Gouverneur kann aus politischen oder militäri- 
schen Gründen die Aufnahme von Anträgen der 
Mitglieder in die Tagesordnung und deren Be- 
ratung ablehnen. Nach Ermessen des Gouverneurs 
oder auf Verlangen eines Bürgerschaftsvertreters 
ist eine Abstimmung herbeizuführen, die jedoch 
den Gouverneur nicht bindet. Den Inhalt der 
Beratungen haben die Mitglieder auf Verlangen 
des Gouverneurs geheim zu halten. Das Sitzungs- 
protokoll wird, soweit es nicht Geheimangelegen- 
heiten betrifft, im Amtsblatt veröffentlicht. 
Die Handelskammer tezur Mitglied- 
schaft berechtigt sind nur die Inhaber der ins 
Handelsregister eingetragenen Firmen) ist zur 
Zeit noch ein Privatverein ohne Behördeneigen- 
schaft, hat jedoch einen Bürgerschaftsvertreter zu 
wählen und wird zur Auskunftserteilung in Han- 
delsangelegenheiten (namentlich auch bei der Füh- 
rung des Handelsregisters) herangezogen. 
Die chinesische Bevölkerung hat 
weitgehende Selbständigkeit in der Verwaltung 
der Angelegenheiten der Gemeinden des Land- 
bezirks, bei denen das Gouvernement lediglich im 
Interesse der Sicherheits= Sanitäts- und Wege- 
polizei eine Aufsicht ausübt. Zur Mitwirkung bei 
der Verwaltung des chinesischen Stadtteils von 
Tsingtau und zur allgemeinen Unterstützung des 
Gouvernements in chinesischen Angelegenheiten 
war durch V des Gouverneurs v. 15. 4. 02 das 
„Chinesische Komitee“ eingesetzt. Dieses ist, da es 
den gehegten Erwartungen nicht entsprach, durch 
V v. 18. 8. 10 aufgelöst und zur Beratung des 
Gouvernements ein aus 4 Chinesen bestehender 
Ausschuß eingesetzt, deren Mitglieder durch die 
nach Provinzen getrennten Kaufmannsgilden 
vorgeschlagen und vom Gouverneur ernannt 
werden. Die „Chinesische Handelskammer ist ein 
seit Mitte 1909 bestehender privater Verein, dem 
die chinesische Regierung für die Tätigkeit mit 
Zustimmung der Sch G-Verwaltung gewisse amt- 
liche Funktionen beigelegt hat. Die Satzungen 
sind im Amtsblatt von 1910 (S 213) abgedruckt. 
III. Stenern und Zölle. 
a) Die direkten Steuern sind wenig ausgebildet 
und beschränken sich auf eine 6 Prozent des Wer- 
tes betragende Grundsteuer. Eine allgemeine 
Einkommensteuer wird nicht erhoben. Dagegen 
bestehen Gewerbesteuern (in der Form der Ge- 
bühren für Lösung von Gewerbescheinen) und 
Gebühren der verschiedensten Art. Die Gebühr 
  
Kiautschon 
—— — — . – — — — 
für die Erlaubnis zum Opiumrauchen (V des 
Gouverneurs v. 16. 2. 12 Al 81) verfolgt keine 
fiskalischen Zwecke, sondern will das Opium- 
rauchen erschweren und allmählich unterdrücken 
(Verbot des Mohnanbaus im Schutzgebiete, 
strenge Zollvorschriften). Ferner Luxussteuern 
(für Wagen und Hunde). 
Die folgenden Zahlen zeigen den Boranschlag der eigenen 
Einnahmen des Schutzgebietes für das Etatsjahr 1912 
tin Mark): aus Landverkänfen 70 000, Grundsteuern 
155 000, Anteil an den Einnahmen des chinesichen See- 
zollamtes 550 000, Ertrag aus der Beteiligung an der Be- 
schaffung von Wohnhäusern 90 000, Erträgnisse der Forst- 
wirtschaft 60 000, Abgaben und Konzessionsgebühren 
236 700, verschiedene Berwaltungseinnahmen 559 080, zu- 
sammen 1 720 7800 M. Dazu kommen die Brutto-Ein- 
nahmen aus den fiskalischen Erwerbsbetrieben (Werft nebst 
Dock, Elektrisltätswerk, Kajenbetrieb, Schlachthof und 
Wasserwerk) mit 4 521 813 M. 
b) Sehr eigenartig sind die Zollverhält- 
nisse (Uebereinkunft des deutschen Gesandten 
in Peking mit dem General-Inspektor der chine- 
sischen Seezölle v. 17.74.99, geändert am 1. 12.05; 
V des Gouverneurs v. 2. 12. 05). Das Sch G war 
bis 31. 12. 06 Freihafen, ist aber mit Ausnahme 
des Freihafenbezirks jetzt chinesisches Zoll-Inland 
mit gewissen Vorrechten vor den dem Handel ge- 
öffneten chinesischen Häfen. Alle in das Sch G 
über See eingeführten oder von dort ausge führten 
Waren unterliegen den chinesischen Ein= und Aus- 
fuhrzöllen (Ausnahmen: Gegenstände für mili- 
tärische Zwecke; Maschinen, Werkzeuge und Ge- 
räte für Fabrikation und Landwirtschaft; Bau- 
materialien und Einrichtungen für öffentliche und 
fiskalische Anlagen; Postpakete im Werte bis 20 
mex. Dollar). Die im Sch G hergestellten Fabri- 
kate unterliegen nur insoweit der Verzollung, als 
China zu einem Zolle auf die darin verarbeiteten 
Rohwaren berechtigt ist; dadurch sind der Industrie 
des Sch G günstige Aussichten eröffnet. Die Er- 
hebung der Zölle geschieht durch das in Tsingtau 
stationierte Chinesische Seezollamt. Da die Ab- 
sicht der vertragschließenden Staaten dahin ging, 
den Zollanteil, der auf die für das Sch G felbtt 
bestimmten Waren entfällt, dem Sch GFiskus 
zuzuwenden, so erhält dieser von China 20 Prozent 
der einkommenden Einfuhrzölle (April 1911/12: 
Mark 441 501). 
IV. Währungs= und Bankpolitik. Die kom- 
plizierten Währungsverhältnisse im eigentlichen 
China haben dazu geführt, daß in den meisten 
offenen Häfen Nordchinas als effektives Zah- 
lungsmittel der mexikanische Dollar gilt, dessen 
Kurs mit dem Silberpreis schwankt und gewöhn- 
lich mit durchschnittlich 2 Mark angenommen 
wird (Anfang 1903: 1,66 Mark, Ende 1906: 
2,38 Mark). Dieser Kurs ist durch V des Gouver- 
neurs festgelegt für die Zahlung der nach dem 
Konsulatstarif zu erhebenden Gebühren (V vom 
29. 3.09) und für die Wertberechnungen auf Grund 
der gerichtlichen Kostengesetze und der 8PO 
(V vom 21. 6. 04). Als Scheidemünzen sind an 
Stelle der früher gebräuchlichen minderwertigen 
Silber= und Kupfermünzen der chinesischen Pro- 
vinzen die auf Grund der V des Gouverneurs 
v. 11. 10. 09 amtlich ausgeprägten Scheidemünzen 
aus Nickel im Werte von 5 und 10 Cents im Um- 
lauf. Sie werden von der Gouvernementskasse 
  
  
zu jedem Betrage in Zahlung genommen und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.