1. Gemeindebezirk — 2. Gemeindemitglieder
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Stadt tritt mit der Eingemeindung ein. Sachliche
und dingliche Befreiungen sind nicht grundsätzlich
gegeben. Nach dem festgestellten Rechtsgrundsatze
muß die Frage bejaht werden, ob die für die ein-
verleibende Stadt geltenden Ortsstatute, Regu-
lative und sonstigen öffentlichrechtlichen Ordnun-
gen in den Bezirken der einverleibten Gem ohne
weiteres in Kraft treten. Meist wird dies auch
ausdrũcklich in Eingemeindungsverträge aufge-
nommen. Es können aber nach preußischem
Rechte Befreiungen von der Steuerpflicht erfolgen
einmal durch Gesetz, sodann durch Eingemein-
dungsvertrag, wenn er ein Teil des Gesetzes ist.
Sonst aber ist eine steuerliche Befreiung grundsätz-
lich unzulässig, da durch Verträge, die ein Steuer-
privileg einräumen, das objektive Recht, insbeson-
dere die Bestimmung des § 20 Komm Abg, daß
die direkten Gem Steuern auf alle Pflichtigen nach
festen und gleichmäßigen Grundsätzen zu verteilen
sind, verletzt erscheint. Das Urteil des O## #v.
13. 5.90 (Bd. 19 S24) ist vor dem Komm bgG
ergangen. Eine Ausnahme ist nach §# 21 daselbst
möglich. Die auf besondern Rechtstiteln beruhen-
den Befreiungen einzelner Grundstücke von Gem-
Steuern bleiben in ihrem bisherigen Umfange fort-
bestehen. Die Gem sind aber unter gewissen Vor-
aussetzungen auch zur Ablehnung berechtigt.
Unter jenen Rethtstiteln sind privatrechtliche, wie
Vertrag, Verjährung, Verleihung, aber auch
öffentlichrechtliche zu verstehen, wie Gemeinheits-
teilungsrezesse, Abgabenregulierungspläne und
Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten
über die Regelung der Gem Abgabenpflicht der
einer Eingemeindung unterworfenen Grundstücke.
— Wenn eine Erhöhung der kommunalen Pflich-
ten durch die Eingemeindung auf seiten der ein-
verleibten Ortschaft entsteht, so ist gesetzlich (abge-
sehen von der Last der Armenpflege) ein Ent-
schädigungsanspruch zwischen den beteiligten Kom-
munalverbänden nicht gegeben (O# G v. 29. 5. 86,
Bd. 13 S204). Dagegen ist vorgesehen eine Aus-
gleichung der öffentlichen Interessen der Betei-
ligten G 3 östl. 2G6O, O Gv. 8. 1.00 im Verw Bl
22, 167).
4) Hinsichtlich der Städteverfassung
hat die Eingemeindung keine, wohl aber hinsicht-
lich der Behörden und Beamten Wirkungen. Was
zunächst jene angeht, so fallen bei einer Einge-
meindung auch ihre Organe, die Behörden, weg.
Magistrat und Stadtverordnetenversammlung
hören auf, zu funktionieren. Die Mitglieder des
ersteren jedoch treten nicht obne weiteres in den
Magistrat der vergrößerten Gem ein, vielmehr ist
hier einerseits die Uebernahme sämtlicher Rechte
und Pflichten der vergrößerten Stadt gegenüber
den von der einverleibten Gem angestellten Ma-
gistratsmitgliedern gegeben, anderscits aber — in
Ermangelung von besonderen vertraglichen Ab-
machungen, Entschädigungen und Pensionierun-
gen — eine Pflicht vorhanden, in den Behörden-
organismus der vergrößerten Stadt dann einzu-
treten, wenn dort eine der bisherigen gleichwertige
Stellung geboten wird. Die Frage wird insbeson-
dere praktisch dann, wenn einem bisher selbständi-
gen Bürgermeister oder einem Mitgliede des
gleichberechtigten kollegialen Gem Vorstandes zu-
gemutet wird, eine Stellung anzunehmen, die
einen Verzicht auf die Selbständigkeit und die
Gleichberechtigung im Kollegium bedeutet. Die
finanzielle Ausstattung des Amtes ist durchaus
nicht allein maßgebend. Ein bisher selbständiger
Bürgermeister ist daher nicht verpflichtet, Bei-
geordneter der vergrößerten Gem zu werden,
kann vielmehr die Auszahlung seines Gehalts von
dieser auch ohne Eintritt in einen neuen Be-
hördenkörper beanspruchen, muß aber seine Dienste
zur Verfügung stellen. Die gegenteilige Be-
hauptung des Min E v. 10. 4. 10, MBli V 240, ist
durch nichts begründet.
e) Die Wirkung der Eingemeindung auf die
Ortskrankenkassen ist insofern negativ,
als diese ihre rechtliche Existenz nicht dadurch ver-
lieren, daß der Gem Bezirk, für den sie errichtet
wurden, einer andern Gem einverleibt wird
(VerwBl 23, 327).
5. Besonderheiten bezüglich des Einge-
meindungsrechtes ergeben sich nach den verschiede-
nen Kommunalverfassungsgesetzen innerhalb der
Einzelstaaten und innerhalb derselben auch pro-
vinziell. So ist z. B. für Bayern die rechtsrheini-
sche und die pfälzische GemO, für Württemberg
die Gem O v. 28. 6. 06 und die Bezirksordnung
vom gleichen Tage maßgebend usw. Auf diese
partikularrechtlichen Besonderheiten kann hier nur,
ebenso wie auf die sie behandelnde Literatur,
verwiesen werden.
Lüteratur: Karner, Die Beränderung von
GemBezirken durch Einverleibung. Bldm Pr. 1907 Nr.
145—250; Seydel StR 2, 43; Frank, Das Eing---
meindungsrecht in Württemberg, Diss., Leipzig 1908;
Haller, Veränderung der Gem Bezirke, in der Gürttem-
bergischen 8 für Rechtspflege und Verwaltung 1, 316;
Stephan, Die Beränderung von Gem Grenzen und
ihre Rechtsfolgen. Verwarch 11, 331; Loening, Ein-
gemeindung und Eingemeindungsverträge, VerwBl 29, 658.
Stier-Somlo, Hat ein Bürgermeister die Berpflichtung,
eine Beamtenstellung in einer eingemeindeten Kommune
zu übernehmen? Pr#eam 3 1910, S 197, 213, 233 (und
Kommunalarchiv 1910). Siehe auch die Lehrbücher des
einzelstaatlichen Verw Rechts. Stier-Lomlo.
2. Gemeindemitglieder
(Gemeindeangehörige, Gemeindebürger)
A. Ueberblick
Der Inhalt des Bürgerrechts hat im Laufe der
Zeit gewechselt. Am Ausgang des Mittelalters
wurde das Bürgerrecht, das ursprünglich nur in
dem Rechte auf Nutzung des Gem Vermögens,
auf Benutzung der Gem Anstalten und auf Teil-
nahme an der Gem Verwaltung ging, mannigfach
erweitert.
In Preußen galt noch auf Grund der
Revidierten StO von 1831 das auf das Lü-
bische Recht zurückweisende Bürgerrechtssystem.
Danach waren zum Bürgerrecht berechtigt wie
verpflichtet nur diejenigen, die eine bürgerliche
Nahrung hatten oder im Besitze eines Bürger-
hauses waren, nicht aber die Einwohner geringerer
Klasse und auch nicht diejenigen, die von der städti-
schen Gerichtsbarkeit ausgenommen waren, wie
Beamte, Militär usw. Das Recht der Nieder-
lassung und Verehelichung, das Recht zum Grund-
erwerb und Gewerbebetrieb in der Gem, sowie