Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

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Gemeinde (II. Grundlagen) 
  
auf öffentliche Unterstützung hingieng mit dem des 
Bürgerrechts zusammen. Die nicht zur Bürger- 
schaft gehörigen Einwohner nahmen als bloße 
Schutzverwandte der Gem an den Kommunal-= 
rechten nicht teil, an den Lasten meist nur in ge- 
ringem Maße. In neuerer Zeit hat das Bürger- 
recht seine frühere Bedeutung bei den Fortschritten 
des Verkehrs, bei der Durchführung der Frei- 
zügigkeit (1) und Gewerbefreiheit (J Gewerbe-- 
polizei!] eingebüßt. Bei der GemO v. 11.3. 50 
unterscheidet man eine Bürgergemeinde, 
welche alle Vollbürger umfaßt und eine Ein- 
wohnergemeindec, welche alle, innerhalb 
des Stadtbezirkes einen Wohnsitz besitzenden Per- 
sonen in sich schließt. Dem entspricht das „Bür- 
gerrecht" auf der einen, das „Einwohnerrecht“ 
auf der anderen Seite. Das Recht der Stadt- 
einwohner oder der Angehörigen der Stadt Gem 
— mit Ausnahme der serviceberechtigten Per- 
sonen des aktiven Militärstandes — umfaßt die 
Befugnis zur Mitbenutzung der öffentlichen Gem- 
Anstalten. Ihr entspricht die Pflicht zur Teil- 
nahme an den städtischen Gem Lasten. Dagegen 
besteht das Bürgerrecht in der aktiven Wahlfähig- 
keit sowie in der Befähigung zur Uebernahme 
unbesoldeter Aemter der Gem Verwaltung und 
Gem Vertretung. Nach dem Landgemeinde- 
recht sind „Gemeindeangehörige“ alle, die im 
Landbezirk einen Wohnsitz haben, dagegen „Ge- 
meindeglieder“ die eigentlichen Vollbürger. In 
Preußen besteht jetzt die sog. Einwohner Gem, 
die in den Städten der östlichen Provinzen, in 
Schleswig-Holstein, in der Stadt Frankfurt a. M., 
in Westfalen, der Rheinprovinz, Hannover, Hessen- 
Nassau und in den hohenzollernschen Landen 
durch die betr. Gem Verfassungsgesetze gesichert 
ist. Der heutige Inhalt des städtischen Einwohner- 
rechts ist die Befugnis zur Mitbenutzung der öffent- 
lichen Gem Anstalten und zur Teilnahme an den 
städtischen Gem Lasten „nach den bestehenden Be- 
stimmungen“, insbesondere nach den Vorschriften 
des KommAbg und der kommunalen Verfas- 
sungsgesetze. Dieses hiermit inhaltlich gekenn- 
zeichnete Bürger= und Einwohnerrecht ist eines 
verwaltungsrechtlichen Schutzes 
teilhaftig geworden durch die positiven Bestim- 
mungen der §§ 10, 11 und 18 des Zust G. 
In Bayern'#Heimat) ist das Gem Bürger- 
recht verschieden in den rechtsrheinischen Lan- 
desteilen und in der Pfalz. Dort wird das Bür- 
gerrecht durch Verleihung erworben, die durch 
eine Reihe von Voraussetzungen bedingt ist. Ge- 
wisse Personen sind zum Erwerbe des Bürger- 
rechtes verpflichtet. Mit ihm sind folgende Be- 
fugnisse verbunden: Mit dem Bürgerrechte wird 
von Personen, die das Heimatrecht in der Gem 
nicht bereits besitzen, auch dieses erworben, sodann 
können die Gem Bürger in Gem Versammlungen 
stimmen und zu GemAemtern wählen, wenn sie 
im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte und nicht 
im Konkurse sind; Frauen, Minderjährige und 
andere Unselbständige sowie juristische Personen. 
müssen sich in Ausübung ihres Stimm= und Wahl- 
rechtes vertreten lassen. In der Pfalz besitzen die- 
jenigen volljährigen selbständigen Männer, die in 
der Gem heimatberechtigt, wohnhaft und mit un- 
mittelbarer Staatsstener veranlagt sind, deren 
Bürgerrecht kraft Gesetzes. Im rechtsrheinischen 
Bayern heimatberechtigte Personen, dic in einer 
  
  
  
pfälzischen Gem wohnen, können die Verleihung 
des Bürgerrechtes in gewissen Fällen beanspru- 
chen. 
Auch in Sachsen besteht die Einwohner- 
Gem. Der Wohnsitz bewirkt die Gem Mitglied- 
schaft. Es muß jedoch Selbständigkeit hinzutreten. 
Die Forensen sind jedoch auch Gem Mitglieder. 
Dem Bürgerrecht in Preußen entspricht der Kreis 
der Stimmberechtigten. Die Stimmberechtigung 
schließt in der Stadt sich nicht unmittelbar an die 
Gen Mitgliedschaft an, vielmehr wird hier noch der 
Erwekb des Bürgerrechts durch Verleihung voraus- 
gesetzt. 
Auch nach württembergischem Rechte 
sind die Gem Bürger gegenüber den übrigen 
Gem Einwohnern bevorzugt; es steht ihnen das 
Recht der Teilnahme an den Wahlen zu den 
Gem Aemtern, das Stimmrecht in sonstigen Gem- 
Angelegenheiten und die Fähigkeit, Mitglied des 
Gem Rats und Bürgerausschusses zu werden, zu; 
ferner das Recht zur Teilnahme an den perfön- 
lichen Gem Nutzungen. Hierzu sind im wesent- 
lichen nur die sog. aktiven Bürger berechtigt. Den 
Gegensatz zu den persönlichen Gem Nutzungen 
bilden die auf privatrechtlichem Gebiete beruhen- 
den Nutzungsrechte, z. B. die sog. RealGemechte. 
Endlich hat der Gem Bürger ein Anrecht auf 
Schutz gegen Ausweisung. Auch nach badi- 
schem Recht bildet innerhalb der Gem Ange- 
hörigen der sog. Ortsbürger eine bevorzugte Klasse. 
Lüteratur: Stier-Somlo, Der verwaltungs- 
rechtliche Schutz des Bürger= und Einwohnerrechtes in 
Preußen, 1904; v. Sutner, Staats- und VerwRecht des 
Königreichs Bayern, 1909, S 70, 84 ff; Otto Mayer, 
Sächsisches Staatsrecht, 1909, S 281 f; Bazille, Staats- 
und Verwecht des Königreichs Württemberg, 1908, S 70; 
Göz, Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg, 1908, 
S 273 ff; Walz, Das Staatsrecht des Großherzogtums 
Baden, 1909, S 177 f. Stier-Somlo. 
B. Einzelne Staaten 
(Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg. 
Baden, Hessen, Elsaß-Lothringen vol. unten Gemeinde- 
organisation S. 89, 93, 97.) 
Preußen 
5 1. Einwohner. 1 2. Bürgerrecht. s 3. Abweichungen 
von dem Prinzip der Einwohnergemeinde. 4 4. Forensen, 
juristische Personen; Ehrenbürger. 
## 1. Einwohner. Das heutige Recht baut sich 
— abgesehen von den im §& 3 zu erörternden Aus- 
nahmen — für Stadt und Land gleichmäßig auf 
dem Begriff der Einwohner Gem auf. Wer inner- 
halb der Gem einen Wohnsitz hat, gehört danach 
als „Einwohner" oder „Angehöriger“ zu ihr und 
ist demgemäß zur Teilnahme an den Gem Nutzun- 
gen (OVG 21, 20) sowie zur Mitbenutzung ihrer 
öffentlichen Einrichtungen und Anstalten nach 
Maßgabe der dafür bestehenden Bestimmungen 
ebenso berechtigt, wie er zur Teilnahme an ihren 
Abgaben und Lasten verpflichtet ist. Einzugs- 
oder Eintrittsgeld oder eine sonstige besondere 
Abgabe darf für die Niederlassung in der Gem 
nicht erhoben werden: G v. 2. 3. 67. Ueber Ab- 
weisung eines neu Anziehenden JX Freizügigkeit.
	        
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