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gegen ein rechtskräftiges, den Beamten freispre-
chendes Urteil zu Unrecht ein Rechtsmittel zuge-
lassen ist (Pr Verw Bl 20, 158). Dagegen ist der K.
unzulässig bei Klagen auf Erteilung der Voll-
streckungsklausel und in der Zwangsvollstreckungs-
instanz, sobald die Rechtsmittelfrist abgelaufen ist.
5. Der K. muß von der vorgesetzten
Zentral= oder Provinzialbehörde
des Beamten erhoben sein, und zwar der
z. Z. der Tat vorgesetzten Behörde (DJ.3 2, 495;
5, 398). Zu den Zentralbehörden rechnen die
Ministerien, Staatsministerium, Staatsrat, Ober-
rechnungskammer; zu den Provinzialbehörden die
Oberpräsidenten, Regierungen (vgl. Mli VB 1874,
151 deren Zuständigkeit bezügl. ländlicher Be-
amten; OV 31, 439 bezügl. Gendarmen (NI),
Pol Präsident zu Berlin, Oberstaatsanwälte, Pro-
vinzialschulkollegien, Oberzolldirektionen, Ober-
bergämter, Generalkommissionen, Eisenbahndirek-
tionen (Gv. 17. 6. 80) (wohl aber nicht auch das
Eisenbahnzentralamt trotz § 6 VerwOrdnung v.
10. 5. 07 (GS 821), Direktion für die Verwaltung
der dirckten Steuern, Direktion der Rentenbanken,
Universitäten, Eichungsinspektionen, nicht aber
die Medizinalkollegien und Selbst Verw Behörden
wie Provinzialausschüsse oder Landesdirektoren,
Generallandschafts= und Hauptritterschaftodirel-
toren. Bei Provinzialbehörden, die aus mehreren
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Abteilungen bestehen (z. B. Regierungen; nicht
aber Oberzolldirektionen, bei denen Abteilungen
nur für den inneren Geschäftsbetricb gebildet
sind, OVG 59, 439) muß der K.Beschluß vom
Plenum gefaßt sein (6+ 4 Abs 2 G v. 8. 4. 47).
II. In zweiter Linie prüft das OV# bei seiner
Vorentscheidung, ob der K. auch begründet
ist d.h. ob dem Beamten eine Amtsüberschreitung
nicht zur Last fällt. Bei der großen Vergünstigung,
welche die K. Erhebung für den Beamten darstellt,
kann der K. nur dann für begründet erklärt werden,
wenn zweifelsfrei festzustellen ist, daß dic
angefochtene Amtshandlung nicht begangen oder
rechtlich zulässig gewesen ist (OVG#9, 438; 10,
380). Die Folge hiervon ist, daß das K. Verfahren
bei einem Strafprozeß zu einer Anwendung des
Grundsatzes in dubio pro reo keinen Raum bietet
und daß bei einem Zivilprozeß, in welchem die
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Feststellung einer erheblichen Tatsache von der
Leistung eines dem Beamten zugeschobenen Eides ô
abhängt, der K. für unbegründet erklärt werden
muß, da zur Abnahme eines Parteieides nur der
Prozeßrichter befugt ist, dem O VG also die Mög-
lichkeit fehlt, den Sachverhalt seinerseits aufzu-
klären und zweifelsfrei festzustellen, ob einc Ueber-
schreitung der Amtsbefugnisse des Beamten vor-
liegt oder nicht. — In gleichmäßiger Praxis be-
trachtet das O VWG ferner als Gegenstand seiner
Vorentscheidung nur die Feststellung, ob der
Beamte objektiv sich einer Ueberschreitung
schuldig gemacht hat, d. h. ob seine Handlung mit
dem einschlagenden objektiven Recht im Einklang
steht (O BGG 14, 420; so auch R i. Jur. Wochen-
schrift 1909, 197 und RG 70, 102); die Beant-
wortung der Frage nach dem subjektiven
Verschulden des Beamten dagegen bleibt
Len Prozeßrichterüberlassen. Daraus
olgt:
1. Der K. Richter hat nicht zu prüfen, ob dem
Beamten der Schutz des § 193 StöhB zukommt,
ob er aus Notwehr (OV 10, 380; in OB 32,
Konflikt
449 wird aber geprüft, ob erlaubte Selbstverteidi-
gung gemäß 8 227 ff BGB vorliegt), in entschuld-
barer Art, in gutem Glauben oder bewußt (Pr-
Verw Bl 26, 11) gefehlt hat, ebensowenig ob der
Klageanspruch oder die Strafverfolgung verjährt
ist (Pr BerwBl 10, 615; 22, 131) und ob der
Rechtsweg zulässig ist (OVG 8, 403; 14, 423:2
Pr VerwBl 23, 150, Inanspruchnahme gemäß §& 6
Gv. 11. 5. 42 und § 131 LV).
2. Hat der Beamte im Rechts irrtum gehan-
delt, so kann der K., mag der Irrtum auch noch so
entschuldbar sein, niemals für begründet erklärt
werden (OVG 14, 420 und 427; 19, 449; 23, 422;
46, 449). — Ausnahmsweise ist der K. aber be-
gründet, wenn der Beamte bei Feststellung und
Beurteilung rein tatsächlicher Verhältnisse
geirrt hat (OVGs, 414; 14, 420; 32, 443), ferner
wenn er gesetzliche Vorschriften abweichend von
der Uebung ausgelegt hat und seine Ansicht von
den höchsten Gerichtshöfen bei ihren Entscheidun-
gen nicht geteilt wird (O VG 46, 449; vgl. Schel-
long Verwlrch 18, 67). In diesen Fällen liegt
eine Ueberschreitung der Amtsbefugnisse nur dann
vor, wenn der Bcamte bei pflichtmäßiger Prüfung
der obwaltenden Umstände und des bestehenden
Rechtes nicht zu der Ueberzeugung von der Zu-
lässigkeit seines Vorgehens hat kommen dürfen
oder wenn er willkürlich (OVG 55, 465) gehandelt
hat. Ebenso ist ausnahmsweise trotz Verstoßes
gegen das objektive Recht der K. dann begründet,
wenn der Beamte einen ihm gegebenen Befehl
ausge führt hat, den er nach der bestehenden Dienst-
verfassung nicht daraufhin hat prüfen dürfen, ob
, erodem bestehenden Recht entspricht (OVG 14,
420;
57, 497 Waffengebrauch bei Tumult;
Pr VerwBl 28, 45 Anweisung der Orts Polizei
gemäß § 1 Gv. 11. 3. 50).
III. Die Vorentscheidung des O#
ergeht durch Urteil auf Grund münd-
licher Verhandlung l(anders das Reichs-
gericht, vgl. unten # 5 a. E.), zu welcher die
Parteien des gerichtlichen Verfahrens geladen
und von welcher die beteiligten Minister so-
wie die Rechtsanwälte benachrichtigt werden
(Wortlaut des Urteiles oben 8 2 Nr. 2). Da es
sich um eine Vor entscheidung, nicht um ein
Endurteil im Sinne von 5 100 L BG handelt, ist
gegen das Urteil eine Klage auf Wiederaufnahme
des Verfahrens unmöglich (OVG 25, 424). Das
den K. für begründet erklärende Urteil kann auch
nicht als rechtskräftiger Freispruch im Sinne von
&90 St angesehen werden, da das Verfahren
lediglich infolge Bejahung einer Vor frage ein-
gestellt wird; wohl aber wird es einen An-
spruch auf Entschädigung für unschuldig erlittene
Untersuchungshaft gemäß G v. 14. 7. 04 (Rhl
321) gewähren. — Vor Fällung des Urteiles kann
der Gerichtshof die Fortsetzung des gerichtlichen
Verfahrens bis zu einem bestimmten Ziele (und
zmwar auch bis zum Erlaß eines nicht endgültigen
Urteiles als des notwendigen Abschlusses der
mündlichen Verhandlung: A. M. Oppenhoff,
Ressortverh. 408 Anm. 60 und Friedrichs LV#
660 Anm. 1) anordnen, auch kann er noch etwa
erforderliche tatsächliche Ermittlungen durch Ver-
waltungs= oder Gerichtsbehörden reranlassen
(5 2). In letzterer Beziehung ist jedoch zu bemer-
ken, daß es nicht möglich, auch nicht Aufgabe des
K.Nichters ist, an Stellc des ordentlichen Richters