Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

Korrigendenwesen 
  
  
ter kommt vereinzelt die Verbindung mit Zucht- 
haus- und Gefängnis- und sogar mit Jugendlichen- 
Abteilungen der Fürsorgeerziehung (Sachsen 
und Elsaß---Lothringen) vor. 
Die Arbeitshausstrafe wird im allgemeinen in 
Gemeinschaftshaft verbüßt; nur in einem Teile der 
Anstalt sind auch einige Einzelzellen vorhanden, 
sei es zur Unterbringung noch verhältnismäßig un- 
verdorbener Insassen, sei es zur Isolierung ge- 
fährlicher oder widerspenstiger Elemente. Eine 
Klasseneinteilung der Korrigenden besteht in einer 
Reihe von Anstalten Preußens und anderer Bun- 
desstaaten mit Maßgabe, daß die Rückfälligen der 
II. Klasse angehören, während die zum erstenmale 
Eingelieferten die I. Klasse bilden und im übrigen 
ein Aufrücken möglich ist. 
Der Arbeitsbetrieb ist in fast allen 
Anstalten intensiv und erklärt die Furcht der ar- 
beitsscheunen Elemente vor dem Arbeitshause. 
Dabei ist indessen als wesentlich mildernd der meist 
sehr große Umfang der Außenarbeit in Betracht 
zu ziehen. In den meisten Anstalten wird den 
Korrigenden ein Teil des Arbeitsertrages als Ar- 
beitsprämie gutgeschrieben, teils um ihren Fleiß 
anzuspornen, teils zur Erleichterung ihres Fort- 
kommens nach der Entlassung. 
Was die Verpflegung anlangt, so wird 
zwar von einzelnen Seiten der dürftigen Be- 
schaffenheit derselben ein Teil der Furcht vor dem 
Arbeitshaus zugeschrieben. Indessen steht die 
Verpflegung zweifellos in den meisten Anstalten 
hinter derjenigen im Gefängnis nur wenig zurück; 
sie ist immerhin eine zur Erhaltung der Gesund- 
heit und Leistungsfähigkeit genügende. 
Seelsorge und Unterricht fehlen 
auch im Arbeitshause nicht, wenn sie auch nicht 
so weiten Spielraum beanspruchen wie im Ge- 
fängnis und Zuchthaus. 
Zur Aufrechterhaltung der Zucht und Ord- 
  
  
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beitshausstrafe unentbehrlich im Kampfe gegen 
Bettel, Landstreicherei und Müßiggang. 
II. An dem Verfahren ist verbesserungsbedürftig 
in erster Linie die Teilung der Funktionen unter 
das Gericht und die Landes PolBehörde. Die 
Annahme, daß die letztere in irgend welcher Rich- 
tung besser unterrichtet sei als das Gericht, ist hin- 
fällig. Das Gericht entscheidet auf Grund direkten, 
mündlichen Verfahrens und persönlichen Ein- 
drucks, die Landes Pol Behörde auf Grund der 
Akten. Es sollte also dem Gericht auch die Ueber- 
weisung ins Arbeitshaus zufallen. 
Weiter ist zur Erzielung einer einheitlichen 
Handhabung der Strafvollstreckung erforderlich, 
daß in Preußen die Arbeitshäuser Staatsanstalten 
werden. Soll die Arbeitshausstrafe mit den übri- 
gen kriminellen Strafen in Verhältnis und Zu- 
sammenhang treten, so ist unerläßlich, daß die mit 
dem Vollzug der übrigen Strafen befaßten Be- 
hörden auch die Arbeitshäuser verwalten. 
Im übrigen wird eine erfolgreiche Bekämpfung 
des Bettels, der Landstreicherei und des Müßig- 
gangs nur durch das Zusammenwirken einer Reihe 
anderer Maßnahmen möglich sein, als da sind: 
bessere Jugenderziehung, ernstliche Bekämpfung 
des Alkoholmißbrauchs durch den Staat und eine 
wirkliche Durchführung der Armengesetzgebung, 
welche bei uns in wesentlichen Punkten nur auf 
dem Papiere steht (vgl. Verhandl. auf der 31. 
Jahresversammlung des Deutschen Vereins für 
Armenpflege 1911). 
III. Der Vorentwur f führt unter den „sichernden 
Maßnahmen“ die Unterbringung in ein Arbeitshaus auf 
die Dauer von 6 Monaten bis zu 3 Jahren aus (5 42). Diese 
Maßregel soll dann eintreten, wenn die strafbare Handlung 
auf Liederlichkelt oder Arbeitsscheu zurückzuführen ist und 
wenn die Unterbringung erforderlich erscheint, um den 
nung kommen in den Arbeitshäusern im allge- 
meinen dieselben Disziplinarstrafen in Anwendung 
wie in den Gefängnissen (| und Zuchthäusern. 
Prügelstrafe besteht außer in Sachsen nur noch in 
einigen kleineren Bundesstaaten als äußerstes 
Mittel. 
Endlich wird hinsichtlich der Fürsorge für 
die entlassenen Korrigenden in der Mehr- 
zahl der Staaten nach denselben Grundsätzen ver- 
fahren wie in den Gefängnissen (J] und Zucht- 
häusern, nämlich nach Kräften dafür gesorgt, daß 
der Entlassene, sofern er danach verlangt, alsbald 
in eine seinen Kräften und Fähigkeiten entsprechen- 
de Arbeit tritt. Die Erfahrung lehrt freilich, daß 
die entlassenen Korrigenden nur zum kleinen Teile 
von der ihnen gewidmeten Fürsorge Gebrauch 
machen; die meisten fallen wieder in das frühere 
Vagabundenleben zurück. 
#§ 4. Bedeutung der Arbeitshausstrafe; Kritik; 
Vorentwurf zum Bürgerlichen Strafgesetzbuch. 
I. Das Arbeitshaus verhindert, daß das Bettler- 
und Landstreichertum zu einer unerträglichen 
Plage anwächst und sichert die Gesellschaft vor 
gefährlichen Elementen. Der scharfe Arbeits- 
zwang, die dürftige Verpflegung, vor allem aber 
die unbestimmte Dauer der Nachhaft, sowic die 
Möglichleit der Verlängerung der Detentions- 
dauer machen die Arbeitshausstrafe zu einer ge- " 
fürchteten, gefürchteter als eine gleich lange Zucht- 
hausstrafe. Nach Lage der Verhältnisse ist die Ar- 
Berurteilten wieder an ein gesetzmäßiges Leben zu gewöh- 
nen. Auf diese neue Arbeitshausstrase kann neben der 
Strafe oder auch an ihrer Stelle erkannt werden. Es han- 
delt sich also um eine reine Kriminalstrase. Auf Grund der 
Entsch des Gerichts hat die Landespolizeibehörde für die 
Unterbringung zu sorgen. Hat der Verurteilte die Hälfte 
der bestimmten Frist in der Anstalt zugebracht, sich gut ge- 
führt und fleißig gearbeitet, so kann ihn die Landespolizei- 
behörde vorlänfig entlassen unter Anwendung der Vor- 
schriften des Vorentwurfs über die vorläufige Entlassung. 
Gegen die Wandlung im Wesen der Korrektionshäuser, 
welche der Vorentwurf boabsichtigt, wenden sich neuerdings, 
unabhängig voneinander, der Arbeitshausdirektor v. Jarotzku 
und Professor R. v. Hippel. v. Jarotzky will das Arbeits- 
haus, das seinem Wesen und seiner geschichtlichen Entwick. 
lung nach ganz außerhalb des Rahmens der Freiheitsstrafe 
stehen müsse, wieder seiner ursprünglichen Bestimmung 
(vgl. die Anfänge im Frankreich des ersten Napolcon!) zu- 
rückgegeben wissen, die öffentliche Armenpflege durch 
zwangsweise nutzbringende Beschäftigung der gewohnbeits- 
mäßigen Bettler und Landstreicher zu unterstützen; anderer- 
seits will er die harmlosen und lenksamen Arbeitshäueler 
nicht mit schweren Verbrechern untermischt sehen. v. Hippel 
befürchtet, daß die Vermischung der Korrigenden mit schwe- 
ren Verbrechern sittliche Seuchenherde gefährlicher Art her- 
beifsübren werde und verlangt ebensalls Festhaltung der 
Sonderstellung der Arbeitshäuser. 
IV. Die guten Dienste, die das Arbeitshaus zweifsellos 
geleistet hat, haben die Erkenntnis von der allgemeinen Ver- 
wendbarkeit der Arbeitshausstrase geweckt und den Strafgesetz- 
Entw für die Schweiz zu der Bestimmung veranlaßt, daß 
das Gericht ganz allgemein anstatt oder neben der Ge-
	        
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