Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

Einflüsse widerstandsfähiger zu machen. Also muß 
dies durch gesteigerte Vielfältigkeit der Zusammen- 
setzung erreicht werden. Wir finden deshalb in 
der einzigen K Elemente vereinigt, die in den 
größeren Staaten durch das Zweis System ge- 
Landtag (Zusammensetzung) 
  
l 
trennt sind. Sie wird teils nach Unter-, teils nach 
Oberhaus-Art besetzt. Wir finden besondere Wäh- 
lerklassen der Höchstbesteuerten, der Geistlichkeit 
und wissenschaftlichen Berufsstände (z. B. Braun- 
schweig), erbliche Mitglieder (in Reuß j. L. der 
Besitzer des Paragiats Reuß-Köstritz) und beson- 
ders auch vom Landesfürsten frei ernannte Mit- 
glieder (Anhalt, Sondershausen, Reuß ä. L., 
Schaumburg-Lippe). 
Ueber die Zusammensetzung der zweiten K 
Wahlrecht. 
Die Erste Kammer ist in allen deutschen 
Staaten, sogar im Reichslande, vorwiegend Nicht- 
wahlkammer. Anfänglich fehlte das Wahlprin- 
— —— 
zip überhaupt. Die K der Reichsräte in Bayern hat 
heute noch keine Wahlmitglieder. In Preußen be- 
steht Wahl in Form von Präsentation. Die evange- 
lischen Stifter Brandenburg, Merseburg, Naum- 
burg, die Grafenverbände der Provinzen, gewisse 
Familien des Großgrundbesitzes, die Landschafts- 
bezirke, die größeren Städte und die Universitäten 
besitzen solche Vorschlagsbefugnis. Am meisten 
gewählte Mitglieder finden sich in den ersten 
Kammern des Reichslandes und Badens. Bei 
den L. Reformen der jüngsten Zeit in Baden (1904), 
Württemberg (1906), Hessen (1911) war Voraus- 
setzung für die demokratischere Gestaltung des 
Unterhauses die Erweiterung der Budgetrechte 
der I. K. Die II. K verlangte für dieses Entgegen- 
kommen wieder teilweise Umgestaltung des Ober- 
hauses in eine Wahl K. Vorwiegend ist die I. K 
überall Ernennungs-K sei es daß die Mitgliedschaft 
— — — —— 
— ———— — . — —–— 
Beschränkung des Rechtes. Beschränkung besteht 
innerhalb Deutschlands in Sachsen (höchstens 5), 
Württemberg (höchstens 6), Baden (bis zu 6), 
Elsaß-Lothringen (nicht mehr als gewählte Mit- 
glieder). In Hessen „soll“ der Landesfürst nicht 
mehr als 12 berufen. Nur Preußen besitzt heute 
noch ein nicht einmal durch Sollvorschrift beengtes 
Ernennungsrecht. In Bayern war das Ernen- 
nungsrecht von Anfang an, also seit 1818 be- 
schränkt: die lebenslänglichen Reichsräte dürfen 
1/ der erblichen nicht übersteigen. Auch die hessische 
Verfassung hatte ihre Sollvorschrift von Anfang 
an. Damals war der Zweck der Einengung ledig- 
lich die Sorge, daß der Charakter der Adels K 
gewahrt bleibe. Bedeutsam ist noch: auch in 
Sachsen, Württemberg und Hessen erfolgt die Er- 
nennung auf Lebenszeit, in Baden und Elsaß- 
Lothringen nur auf die L. Periode (X Wahlrechtl. 
Im einzelnen ist die Zusammensetzung fol- 
gende: 
Das preußische Herrenhaus hat 300—350 
Mitglieder in 4 Kategorien: I. die königlichen 
Prinzen, soferne sie der König — was nicht ge- 
schieht — ins Herrenhaus beruft; II. Mitglieder 
mit erblicher Berechtigung (gegen 100): 1. Haupt 
durch Ernennung zu einem Amte, sei es daß sie 
durch unmittelbare Ernennung zum Oberhausmit- 
gliede erworben wird. In allen Staaten, außer 
Elsaß-Lothringen, wird die Zugehörigkeit teilweise 
auch durch Geburt, also erblich begründet. Diese 
Oberhäuser sind daher zugleich Adels K. Alle nicht- 
gewählten Mitglieder lassen sich mit einem in 
Oesterreich üblichen Ausdruck gut als Virilisten 
zusammenfassen. 
Für Wahl und unmittelbare Ernennung ist von 
Bedeutung, ob sie auf Lebenszeit oder auf Wahl- 
perioden erfolgen. Altes Prinzip ist Wahl und Er- 
nennung auf Lebenszeit (so in Preußen, Bayern), 
junges Ernennung auf Perioden (Württemberg, 
Baden, Elsaß-Lothringen). In Sachsen überwiegt 
das erste, in Hessen jetzt das zweite Prinzip. Die 
Vertreter der neuen Berufskörperschaften werden 
Überall auf Zeit gewählt. 
Wichtiger ist, ob der Landesherr ein unbeschränk- 
tes Recht des Pairsschubs besitt. Be- 
schränkung dieses Rechtes bedeutet erstens Siche- 
rung des Uebergewichts der erblichen Mitglieder. 
In parlamentarisch regierten Staaten bewirkt 
der Pairsschub Erhöhung der Macht des Unter- 
hauses. In der konstitutionellen Monarchie kann 
er auch gegen das Unterhaus angewendet werden. 
Jede Begrenzung der Zahl der Mitglieder, die 
der Landesfürst frei ernennen darf, ist daher 
zweitens gleichbedeutend mit einer Stärkung des 
Einflusses der II. K. Jusbesondere wird sie bei 
Durchstimmen und Durchzählen eher vor Nieder- 
lagen bewahrt. Das neuere Prinzip ist daher 
– — 
  
der fürstlichen Familie Hohenzollern, 2. Häupter 
der reichsständischen Familien, 3. die Fürsten, 
Grafen und Herren, die 1847 zur Herrenkurie ge- 
hörten, 4. durch besondere königliche Verordnung 
mit diesem Rechte Beliehene; III. auf Lebens- 
zeit berufene Mitglieder (ungefähr 50): 1. In- 
haber der 4 großen Landesämterl/I|, 2. aus beson- 
derem Allerhöchsten Vertrauen berufene; IV. in- 
folge von Präsentation berufene (über 170). 
Die bayerische K der Reichsräte (90—100 
Mitglieder) ist zusammengesetzt aus den königlichen 
Prinzen, den Kronbeamten IX, den 2 Erzbischöfen, 
den Standesherren, 1 vom König auf Lebenszeit 
berufenen Bischof, dem Präsidenten des (rechts- 
rhein.) protestantischen Oberkonsistoriums und den 
vom König erblich oder lebenslänglich besonders 
ernannten Reichsräten. Die sächsische lI. K. 
zählt ohne die königlichen Prinzen 46 Mitglieder: 
I. Prinzen, II. Vertreter der evang. Stifter 
Meißen, Wurzen, des kath. Stifts Bautzen und 
der Universität, der evangelische Oberhofprediger 
und der Leipziger Superintendent, III. 5 Stan- 
desherren, 1V. Rittergutsbesitzer, 12 auf Lebens- 
zeit gewählte, 10 vom König auf Lebenszeit be- 
rufene, V. 8 Städtevertreter, VI. 5 vom König 
frei ernannte Mitglieder. Auch in Württem- 
berg besitzt die I. K Mitglieder durch: 1. Geburt 
(Prinzen), 2. Vererbung (20 Standesherren), 
3. geistliches Amt (Präsident des Konsisto= 
riums der Landessynode, Vertreter des bischöf- 
lichen Ordinariats, d. h. des Bischofs und Dom- 
kapitels), 4. Ernennung auf Lebenszeit, 5. Wahl. 
Dieselben 5 Berufungsgründe haben Baden 
und Hessen. Die durch geistliches Amt beru- 
fenen sind der Landesbischof und ein Prälat. 
In Baden muß der Großherzog weiter 2 höhere 
Richter ernennen. In Elsaß-Lothringen 
gibt es 1 richterliches Mitglied schon kraft Amtes 
(Oberlandesgerichtspräsident) und nicht bloß wie 
in Baden und Hessen 2, sondern 4 Mitglieder 
durch kirchliches Amt (2 Bischöfe, Präsident der 
lutherischen und der reformierten Kirche). 
Von den auf die L. Periode gewählten 
Mitgliedern entfallen:
	        
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