Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
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Landtag 
  
ihn im ganzen abstimmte. Dies ist auch geltendes 
echt geblieben. In Preußen hat sich keine ge- 
wohnheitsrechtliche Pflicht des anderen Hauses 
auf stückweise Hinübergabe des Etats entwickelt. 
3. Der Satz, das Herrenhaus darf den Etat 
nur im ganzen annehmen oder ablehnen, bedeutet 
nicht: es darf darüber nur einmal, im ganzen ab- 
stimmen, sondern bloß: die Schlußabstimmung, 
die Abstimmung, die nach außen rechtlich wirkt, 
von der also das andere Haus benachrichtigt wird, 
darf nur so oder so lauten. Das Herrenhaus darf 
den Etat nicht nur abschnittsweise beraten, sondern 
auch über die einzelnen Teile vorläufig abstimmen. 
In der Vorbereitung des Endbeschlusses soll das 
Oberhaus nicht beschränkt sein. Gewöhnlich nimmt 
die I. K die Titel dabei so an, wie sie die II. K 
beschloß. Aber sie kann auch ändern. Dann kommt 
alles darauf an, ob das Haus die Aenderung bei 
der Gesamtabstimmung bestätigt. Da dies nur 
durch Ablehnung des ganzen Etats und damit 
durch einen sehr Higenschweten Beschluß geschehen 
kann, ist die Uebung entstanden, daß die I. K 
die Regierung oder die andere K bittet, aus dem 
Entwurfe die Positionen herauszunehmen, die 
ihr die Annahme unmöglich machen, oder zur Ver- 
ständigung in einen Zusammentritt der Etatskom- 
missionen zu willigen. Was das andere Haus an- 
geht, so ließe sich freilich behaupten, die II. K 
sei rechtlich gar nicht in der Lage, ihre Schluß- 
abstimmung vor der des Oberhauses zu modifi- 
zieren; denn solange eine Vorlage die K verlassen 
habe, könne sie nicht Gegenstand einer Beratung 
und Beschlußfassung in ihr sein. Allein durch die 
parlamentarische Praxis sind nach dem Vorbilde 
Englands diese formalistischen Hindernisse beseitigt. 
4. Die Schlußabstimmung des Herrenhauses be- 
zieht sich immer auf die Fassung des Etats, die ihm 
das andere Haus gab. Die I. K hat ihren Be- 
schlüssen jederzeit die Schlußabstimmung der II. K 
zugrunde zu legen. Denn der Zweck der Vorlage 
an beide K ist doch, eine Uebereinstimmung zwi- 
schen ihnen herbeizuführen. Die II. K hat das 
Recht, zuerst abzustimmen, also liegt dem anderen 
Teile die Pflicht ob, diese Beschlüsse zu beachten. 
Verfassungswidrig ist, wenn das Herrenhaus (wie 
es 11. 10. 62 und 23. 1. 64 geschah) beschließt, 
die Etatsvorlage, so wie sie die andere K gestaltete, 
abzulehnen und so, wie sie von der Regierung 
gemacht war, anzunehmen. Ueber den Etat in 
letzterer Form kann es nur Wünsche (in Resolu- 
tionen oder Petitionen an die Krone) äußern. 
Wenn die II. K den Etat ablehnt, so hat das 
Oberhaus bloß die Möglichkeit, diesem Beschlusse 
beizutreten oder ihn zu verwerfen. Dieser zweite 
Beschluß ist nicht identisch mit Annahme der Re- 
gierungsvorlage. Ueber sie beschließt das Herren- 
haus gar nicht. 
5. Versagt die I. K dem Beschlusse der anderen 
K über den Etat ihre Zustimmung, so geht er an 
das Unterhaus zurück. Jede K hat mangels Son- 
dervorschrift erneuten Beschluß zu fassen, sooft 
das andere Haus die Vorlage herüber gibt, denn 
jede K hat gegen die andere ein Recht auf Verkehr. 
69. Dae Finanzprivileg in Elsaß-Lothringen. 
In Elsaß-Lothringen besitzt die II. K insoferne 
weniger Vorrecht, als auch ihr formelles Vorrecht 
auf Etatsgesetze beschränkt ist. Nur Etatsgesetze 
(Haupt= und Nachtrags-Etats) sind zuerst der 
reinen Mahln vorzulegen. Auch politisch ist die 
  
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II. K insoferne weniger überlegen, als, wenn ein 
neues Etatsgesetz nicht zustande kommt, die Lan- 
desregierung nach der Verfassung berechtigt ist, 
zur Erhaltung und Fortführung der gesetzlichen 
Einrichtungen und vom L. genehmigten Bauten 
Schatzanweisungen auszugeben. Der I. K wird 
dadurch die Ablehnung des Etatsentwurfes des 
anderen Hauses erleichtert. 
610. Das Finanzprivileg in Baden. Wir ge- 
langen zur zweiten Gruppe. Auch sie zerfällt in 
Stufen. Das Vorstimmrecht des Unterhauses 
wird von Stufe zu Stufe schwächer. Die Unter- 
schiede gegenüber Preußen sind: 
1. Zunächst allerdings zeigt sich ein Punkt, wo 
der II. K mehr materielles Vorrecht zukommt als 
in Preußen. Wenn dort das Abgeordnetenhaus 
den Etat im ganzen verwirft, ist er doch an das 
Oberhaus weiterzugeben. Tritt dieses nicht bei, 
so geht die Vorlage zurück und es ist nicht ausge- 
schlossen, daß die Verhandlungen dahin führen, 
daß die II. K den Etat unter Abänderungen an- 
nimmt und das Oberhaus diesen Beschluß gut- 
heißt. In Baden gilt für alle Finanzgesetze wei- 
teren Sinnes: lehnt das Unterhaus ein solches 
Gesetz ganz ab, so gelangt es überhaupt nicht an 
die I1. K. § 61 Abs 2 der Verf lautet: Ueber die 
in § 60 Ziff. 2 und 3 bezeichneten Entwürfe (d. h. 
Finanzgesetz-Entwürfe) wird von der I. K erst 
beschlossen, nachdem sie von der II. K „ange- 
nommen" sind. Lehnt die II. K einen Entwurf 
über Steuern, Veräußerung von Staatsvermögen, 
Aufnahme von Anlehen oder das jährliche Finanz- 
gesetz im ganzen ab, so ist der Beschluß endgültig; 
das andere Haus darf darüber nicht mehr abstim- 
men. Die II. K besitzt daher ein viel stärkeres 
Verweigerungsrecht als in Preußen und als die 
badische I. K. Dies ist praktisch erheblich, denn 
kommt es auch beim Hauptetat selten vor, so 
begegnet es doch bei Nachtragsetats und bei an- 
deren die Finanzen betreffenden Vorlagen. 
2. Auf der anderen Seite stehen erweiterte 
Rechte der I. Kammer: 
a) Die I. K besitzt gegenüber der II. ein ver- 
stärktes Recht bereits in dem der Endabstim- 
mung vorausgehenden Stadium. a) Die II. K 
ist beim Staatsvoranschlage verpflichtet, bereits 
ihre Beschlüsse über die einzelnen Teile der anderen 
K mitzuteilen (Verf 61 Abs 2). #) Der I. K kommt 
hier gegenüber den Einzelbeschlüssen der II. K 
bei Etatsgesetzen ein Amendierungsrecht nach 
außen, d. h. mit Wirkung gegen die II. K zu, wenn 
auch nur ein suspensives. Das heißtin weicht die 
I. K bei einzelnen Positionen ab, so muß die II. K 
wiederholt über den Titel beschließen. Tritt die 
I. K diesem Beschlusse wieder nicht bei, so muß 
eine Verständigung durch Zusammentritt der bei- 
den Kommissionen versucht werden. Kommen 
diese nicht zu einer Einigung oder gelingt es ihnen, 
aber lauten auch die nächsten Beschlüsse beider 
Häuser abweichend, so werden die Positionen vor- 
behaltlich der Endabstimmung über das ganze 
Etatsgesetz in den Voranschlag so eingestellt, wie 
sich das Unterhaus bei seinem letzten Beschlusse 
aussprach (Verf 61 Abs 3). Die II. K braucht 
also das Verständigungsverfahren, die Rekommuni- 
kation, nicht weiter fortzusetzen. Die I. K kann 
die Beschlüsse der II. nicht beliebig oft, sondern 
nur zweimal mit Amendements zurückgehen lassen 
labw. Walz in Jahrb OeffR 1, 338). Dadurch
	        
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