Landtag (Finanzgesetze)
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wird auf die I. K ein Druck zur Annahme der
Einzelbeschlüsse des anderen Hauses ausgeübt und
so das Stadium der Endabstimmung rascher her-
beigeführt.
b) Im Stadium der Endabstimmung wird das
Stimmübergewicht der II. K insoferne beschränkt,
als noch bei gewissen Vorlagen ein Durchzählen
möglich ist, freilich nur auf Verlangen der Regie-
rung oder der II. K, nicht also auch auf das der
I. K oder von selbst.
Im einzelnen liegt die Sache so: Lehnt die I. K einen
Entwurf über folgende Arten von Finanzgesetzen: a) Be-
stimmung der Steuersätze für eine Budgetperiode, b) Ver-
äußerung, Belastung oder Berwendung des Staats= oder
Domänenvermögens, c) Aufnahme von Anlehen, Ueber-
nahme von Staatsbürgschaften und ähnlichen Staatsver-
bindlichkeiten, d) periodisches Finanzgesetz nebst Haupt-
und Nachtrag-Etats in der Fassung ab, in der ihn die II. K.
bei der Endabstimmung annahm, so ist der Entwurf an sich
gefallen und das Berfahren erledigt, aber Regierung und
II. K können, wenn sie glauben, dadurch noch zu einem po-
sitiven Ergebnisse zu gelangen, sordern, daß jede K in be-
schlußfähiger Sitzung noch einmal abstimmt, ob der Ent-
wurf in der Fassung der II. K anzunehmen sei. Die be-
iahenden und verneinenden Stimmen beider K werden
dann durchgezählt. Die Fassung der II. K gilt als ange-
nommen, wenn die bejahenden Stimmen beider K die ab-
solute Mehrheit der abgegebenen Stimmen erreichen
(Verf 61. 74); bei Stimmengleichheit hat die Hälfte gesiegt,
auf deren Seite der Präsident der II. K stimmte. Hat er
nicht mitgestimmt, so gibt seine nachträgliche Stimme, die
er nicht verweigern darf, den Ausschlag.
11. Das Finanzprivileg in Württemberg ist
in verschiedener Richtung um eine Stufe enger.
1. Das materielle Vorrecht ist auf Staatsvoran-
schläge beschränkt, gilt also nicht mehr (wie bis
1906) auch für die Abgaben-Verwilligung. Für
se beseht nur das formelle Vorrecht weiter (Verf
2. Das materielle Privileg bestand bis 1906
im Fehlen jedes Amendierungsrechtes und im
Durchzählungsrechte. Jetzt gilt: Die II. K hat
3 materielle Vorrechte, obgleich im Gegensatz zu
Baden alle 3 bloß beim Etat (auch Nachträgen):
a) Lehnt die II. K den Etat im ganzen ab und
verwirft das andere Haus diesen Beschluß, so ist
er doch, wie bei Baden, endgültig (Verf 8 181
Ziff. 3). Ein Unterschied gegenüber Baden besteht
insoferne, als die II. K den Etat nicht ablehnen
kann, ohne daß er zuvor zur Einzelberatung bei
dem anderen Hause war (§ 181).
b) Erklärt sich bei der Beschlußfassung über die
einzelnen Titel die I. K für Abänderung eines
Beschlusses, so muß die II. K über den Gegenstand
erneut beschließen, aber nur einmal; denn wenn
die II. K nun vom Beschlusse der I. K abweicht,
so gilt dieser erste neue Beschluß der II. K sofort
als Beschluß der Ständeversammlung.
e) Ist die Beschlußfassung über die einzelnen
Titel in beiden K vollendet, so wird über den Etat
im ganzen abgestimmt, zuerst in der II. K. Tritt
die I. K dem vom Unterhause angenommenen
Etat nicht bei, so wird auch hier, um die schweren
Folgen des Nichtzustandekommens hintanzuhalten,
durchgezählt, und zwar ohne daß erneutes Abstim-
men vorausgeht. Vielmehr werden die besahenden
bezw. verneinenden Stimmen beider K zusammen-
gerechnet; die einfache Mehrheit entscheidet, bei
Stimmengleichheit der Präsident der II. K. —
Drang die I. K bei der Abstimmung über die ein-
zelnen Teile nicht durch, so hat sie also in Württem-
berg noch das Recht, den ganzen Entwurf, wie
ihn die II. K annahm, zu verwerfen, aber eben-
falls ist hier weiter Ueberwindung durch Durch-
zählen möglich.
3. Die materielle Einschränkung des materiellen
Vorrechts gegenüber Baden besteht darin, daß die
3 Vorrechte außer Anwendung bleiben, wenn in
Verbindung mit der Beschlußfassung über den
Etat zu beschließen ist über a) Aufnahme eines
Anlehens, b) Veräußerung von Bestandteilen des
Kammerguts (* 181 Abs 2), o) Erhöhung einer
Steuer, für die in einem Steuergesetz ein fester
Steuersatz (Gegensatz = feste Steuereinheit) be-
stimmt ist. ·
Die praktische Bedeutung des 3. der vorstehenden Fälle
ist allerdings nicht erheblich. Die in Betracht kommenden
Steuern sind z. Z. allerdings noch fünf Steuern, eine direkte
(Wandergewerbe), vier indirekte (Umsatzsteuer, Abgabe für
Wein und Obstmost, Sporteln und Gerichtsgebühren der
freiwilligen Gerichtsbarkeit). Aber der Gesamtbetrag aller
dieser Steuern, also der Steuern, deren Sätze zur Zeit im
Wege der ordentlichen Gesetzgebung auf längere, bestimmte
(3z. B. Sportel G v. 16. 8. 11 a 3) oder unbestimmte Dauer
bestimmt sind, macht höchstens ein Zehntel des Betrages
derjenigen Steuern aus, bei welchen die Steuergesetze nur
die Steuereinheiten, d. h. die Höchstgrenzen der Steuer-
staffeln sest bestimmen und dem Finanzgesetze überlassen,
wieviele Prozente hiervon als Steuersatz erhoben werden
sollen. Für diese sog. beweglichen Steuern greifen die Privi-
legien der II. K Platz. Sogar die Abänderung der genannten
HSöchstgrenzen, insbesondere die Erhöhung solcher Steuern
kann nicht nur im Wege der ordentlichen Gesetzgebung, b. h.
auf Dauer, sondern auch im Etat, d. h. nur auf Staatshaus-
halts- Perioden geschehen. Eine Ausnahme besteht lediglich
für die Einkommensteuer. Allerdings ist dies die bedeutendste
Steuer. Eine Erhöhung der Steuer über die steuergesetzliche
Höôchstgrenze hinaus darf im Wege des Finanzgesetzes nur
ersolgen, wenn gleichzeitig alle anderen direkten und in-
direkten Steuern mit Ausnahme der auf Reichsgesetz beruhen-
den Gerichtsgebühren erhöht werden und die Erhöhung der
Einkommensteuer nur im geleichen Berhältnis wie alle
übrigen Steuern geschehen soll (1 19 Eink. St G v. 8. 8. 93).
Diese Vorschrift kann bloß durch ordentliches Gesetz abge-
ändert werden.
z 12. Das Finanzvorrecht in Hessen. Hier ge-
lang es der I. K (1911), die Vorrechte der II. K
noch weiter einzudämmen.
1. Auch in Hessen gilt:
a) Die I. K hat ein Amendierungsrecht (a 65
Abs 3), aber nur ein vorläufiges. Die II. K
muß zwar, wenn die I. abweicht, über die Punkte
im Finanzgesetze und Hauptvoranschlage noch ein-
mal beschließen und, wenn die 1II. K bei ihren
Beschlüssen beharrt, gelangen diese wiederholt an
die I. K. Aber dann hat das Amendierungsrecht
ein Ende. Tritt die I. K den Beschlüssen des an-
deren Hauses nicht bei, so sind, falls nicht noch
dieses den Beschlüssen der I. K nachgibt, die noch
nicht durch Uebereinstimmung der K erledigten
Punkte des Hauptvoranschlags in ihn so einzu-
stellen, wie sie die II. K beschloß. Das so gestattete
Finanzgesetz gelangt dann nochmals an die I. K.
Sie darf nur mehr im ganzen annehmen oder
ablehnen.
b) Lehnt die II. K das Finanzgesetz ab — sie
kann es anders als in Württemberg auch gleich
anfangs —, so findet kein Zusammenzählen statt.