Zollwesen (Veredlungsverkehr)
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tung erfahren (Färben oder Bedrucken eines
Gewebes, Polieren oder Bemalen einer Holz-
oder Metallware u. ä.). Diese Beschränkung ist
indessen beim aktiven Veredlungsverkehr verlassen
worden. In seinen Formen vollziehen sich auch
Tätigkeiten, die nicht die Eigenschaft einer bloßen
Vervollkommnung haben, sondern sich als voll-
ständige Gütererzeugung darstellen, z. B. die Ver-
arbeitung von Reis zu Stärke, von Kakao zu Scho-
kolade, von Roh-- und Gußeisen zu Eisenwaren, von
Getreide zu Mehl usw. Der Veredlungsverkehr
dient in diesen Fällen dazu, die Verarbeitung an
sich zollpflichtiger Rohstoffe und Halbfabrikate für
den Auslandsmarkt dadurch zu ermöglichen, daß
von der ZBelastung dieser Stoffe, die ihren Ab-
satz ins Ausland hindern würde, abgesehen wird.
Die Veredlung kann entweder auf Bestellung
erfolgen; dann bleibt der Besteller Eigentümer
der Ware und der Veredler leistet seine Arbeit
im Lohn (Lohnveredlung). Oder der
Veredler erwirbt die zu veredelnde Ware zu
Eigentum, wird infolgedessen auch Eigentümer
des veredelten Erzeugnisses und übernimmt dessen
Vertrieb auf eigene Rechnung und Gefahr (Ei-
genveredlung). Beim Veredlungsverkehr
im engeren Sinne, bei dem die Veredlung ledig-
lich in einem ergänzenden Arbeitsvorgang besteht,
handelt es sich überwiegend, wenn auch keines-
wegs ausschließlich, um Lohnveredlung, bei dem
Veredlungsverkehr hingegen, der die zgollfreie
Verarbeitung von Rohstoffen und Halbfabrikaten
für den Auslandsmarkt ermöglichen soll, in der
Regel um Eigenveredlung. Volkswirtschaftlich ist
die Eigenveredlung von größerer Bedeutung als
die Lohnveredlung. ·
II. Da jeder zollfreie Veredlungsverkehr eine
Durchbrechung des ZSystems darstellt, bedarf es
bei jeder Zulassung eines solchen der Prüfung,
ob die Freistellung von ZBelastung mit dem
durch den ZTarif gewährleisteten Schutz des hei-
mischen Gewerbes vereinbar ist. Ein passiver
Veredlungsverkehr soll schon nach # 115
VBG nur in besonderen Fällen zugelassen
werden; in der Veredlungsordnung (5 3) ist dies
dahin erläutert, daß die Zulassung nur ausnahms-
weise erfolgen darf, insbesondere wenn die in
Betracht kommenden Veredlungsarbeiten zurzeit
im Inlande entweder gar nicht oder nicht in ge-
nügendem Umfange oder nicht in gleicher Güte
bewirkt werden können, oder wenn es sich um die
Vornahme von Versuchen zur Erprobung von
neuen Verfahren oder Mustern handelt. Der
aktive Veredlungsverkehr ist nicht
an so enge Schranken gebunden. Immerhin soll
auch er nur zugelassen werden, wenn er für die
an der Veredlung beteiligten Erwerbszweige
wesentliche Vorteile erwarten läßt, und entweder
eine Benachteiligung anderer heimischer Erwerbs-
zweige nicht zu befürchten ist oder die zu erwarten-
den Vorteile gegenüber etwaigen Nachteilen so
überwiegen, daß die Zulassung vom Standpunkte
des gesamten heimischen Wirtschaftslebens den
Vorzug verdient (Veredl. O 8 2).
Obhiernach die Voraussetzungen für einen
Veredlungsverkehr vorliegen, entscheidet letzten
Endes der Bundesrat. Nach der Veredlungsord-
nung soll seine Stellungnahme stets herbeigeführt
werden, wenn es sich um die Zulassung eines
ständigen, im Zollgebiet noch nicht gestatteten
Veredlungsverkehrs handelt (§§# 5, 6). Auch kann
ihm jederzeit die Entscheidung darüber unterbreitet
werden, ob die Voraussetzungen für einen —
sei es vom Bundesrat auf Grund der Veredlungs-
ordnung zugelassenen, sei es von früher her be-
stehenden — Veredlungsverkehr noch zutreffen
(55 7, 8). Unbeschadet dieser generellen Stellung-
nahme des Bundesrats entscheidet über Ge-
währung eines zollfreien Veredlungsverkehrs im
Einzelfalle die oberste Landesfinanzbehörde, die
diese Zuständigkeit ganz oder teilweise auf die
Direktivbehörden übertragen kann (§ 1). Die Be-
schlußfassung des Bundesrats hat für die einzel-
staatlichen Z Verwaltungen die Folge, daß sie
einen vom Bundesrat für unzulässig bezeichneten
Veredlungsverkehr nicht zulassen dürfen, dagegen
hinsichtlich eines für zulässig erklärten Veredlungs-
verkehrs die Freiheit der Entschließung darüber
behalten, ob sie ihn in ihrem Gebiet zulassen wollen
oder nicht.
Eine Vereinfachung ist für den die Wieder-
herstellung abgenutzt oder schadhaft gewordener
Gegenstände bezweckenden Veredlungsverkehr, den
Ausbesserungsverkehr, dadurch vor-
gesehen, daß die Entscheidung auf die Hauptämter
übertragen und von der Prüfung abgesehen wer-
den kann, ob die vorerwähnten wirtschaftlichen
Woraussetungen eines Veredlungsverkehrs vor-
iegen.
1II. Der ZNachlaß im Veredlungsverkehr ist
von dem Nachweise abhängig, daß die der ZBe-
hörde nach erfolgter Veredlung vorgeführte Ware
übereinstimmt mit der zur Veredlung abgefertig-
ten Ware, daß deren Nämlichkeit (Identität)
feststeht. In der Ueberwachung der Festhaltung der
Nämlichkeit liegt die wesentlichste Aufgabe der
ZBehörden bei der Durchführung von Vered-
lungsverkehren. Die Kontrollen gestalten sich
je nach der Art des Veredlungsvorgangs verschie-
den. Oft wird die zur Veredlung bestimmte Ware
durch die Veredlungsarbeit in ihrem Wesen und
ihrer Gestalt so wenig veröndert, daß die Mög-
lichkeit besteht, sie in der veredelten Ware deutlich
wiederzuerkennen. In anderen Fällen stellt die
Ware nach der Veredlung etwas vollständig Neues
dar, wobei eine Wiedererkennung der in sie über-
geführten unveredelten Ware ausgeschlossen ist
(Reis und Stärke, Kakao und Schokoladewaren
u. ä.). In Fällen der ersteren Art sind die Kon-
trollen darauf zu richten, die Wiedererkennbarkeit
zu sichern. Zu dem Zwecke sind die zur Veredlung
bestimmten Gegenstände in der Regel mit Stem-
peln, Siegeln, Bleien u. dgl. zu kennzeichnen.
Wo dies nicht angeht oder mit unverhältnismäßi-
gen Schwierigkeiten verknüpft ist, kann die Auf-
nahme einer genauen Beschreibung, die Zurück-
behaltung von Mustern oder eine ähnliche Maß-
nahme als genügend angesehen werden (Veredl.O
§+ 12). In den Fällen, in denen die Möglichkeit
der Wiedererkennbarkeit durch die Bearbeitung
der zur Veredlung bestimmten Ware ausge-
schlossen wird, kann sich der ZBeamte die Ueber-
zeugung von der Nämlichkeit der Waren in der
Regel nur durch amtliche Kontrolle verschaffen.
Beim passiven Veredlungsverkehr ist diese aus-
geschlossen, da die Veredlung im Auslande vor
sich geht und sich infolgedessen der Ueberwachung
durch deutsche ZBeamte entzieht. Deshalb ist
die Zulassung eines passiven Veredlungsverkehrs