Polizei (I. Begriff und Hauptarten)
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tracht kommt, auch zu Verordnungen auf Gefah-
renabwehr und Ordnungsbewahrung beschränkt
sein, so wird sich doch mit Fug nicht leugnen lassen,
daß nach positivem Rechte auch diejenigen Verfü-
gungen und Verordnungen, die auf Grund einer
besonderen, über die Generalklausel hinaus-
reichenden Ermächtigung ergehen, begrifflich
polizeiliche Rechtsakte sind (Schade 322,° Graf
Westarp) und den allgemeinen für diese geltenden
Rechtssätzen unterstehen (z. B. die „Polizei-Ver-
ordnungen“ auf dem Gebiete der landschaftlichen
Schönheitspflege nach dem preuß. Gv. 2. 6., 02),
ebenso, wie gerade die Frage, ob und inwieweit
sog. wohlfahrtspolizeiliche Verfügungen und Ver-
ordnungen zulässig sind, im Verfahren auf die
Rechtsmittel gegen polizeiliche Verfügungen und
Verordnungen geprüft worden ist und geprüft
wird (Thoma S 47 n 14). Endlich kann auch zur
Bestimmung des Verhältnisses von Staats= und
Gemeindeverwaltung nach positivem preußischem
und den ihm folgenden Rechten der Begriff der
Polizei als (örtliche) obrigkeitliche Befehls= und
Zwangsgewalt (oben & 1 II Nr. 2 und Polizei III.
Polizcibehörden) nicht entbehrt werden, was sich
gelegentlich auch bei solchen Schriftstellern bemerk-
bar macht, die sonst den Polegriff anders be-
stimmen (vgl. Anschütz, Richtlinien preußischer
VerwrReform in Festschr. für v. Martitz 475 und
oben Nr. 2).
4. Polizei ist hiernach zunächst die Beschrän-
kung der natürlichen Handlungsfrei-
heit der Untertanen zugunsten des
Gemeinwohls auf dem prinzipiellen
Gesamtgebiete derinneren Verwal-
tung, die, wenn nötig, durch Zwang
durchgesetzt wird. Ihr steht die zwanglose
Tätigkeit. für diese Zwecke als staatliche „Pflege“
gegenüber. Innerhalb dieses Polizei begriffs,
der hiernach die ganze innere Verwaltung und
ihre Zweige durchdringt (oben §# 1 Nr. 2), bleibt
dann vorbehalten, die rechtliche Zulässigkeit
von Befehl und Zwang im einzelnen nach Maß-
gabe des positiven Rechts, auch mit Rücksicht auf
den Gegensatz von Sicherheits- und Ordnungsbe-
wahrung einerseits, Wohlfahrtsförderung anderer-
seits näher zu bestimmen und zu beschränken IIV
Polizeiliche Verfügungl. Will man dabei den Kreis
der auf Grund der Generalklausel zulässigen Pol
Befehle, statt als Ermächtigungsumfang inner-
halb des Begriffs (Rosin, Thoma, Graf Westarv),
selbst zum Begriff gestalten und gleichfalls Pol
nennen, so muß man diesen „doppelt bestimmten"
(Thoma) PolBegriff (Zwang zur Gefahrenab-
wehr) (oben §# 1 Nr. 4; auch Ernst v. Meier, v.
Stengel, Wolzendorff) als „engeren“ dem obigen
„weiteren“ gegenüberstellen. Besser aber erscheint
es, statt dieses Pol Begriffs i. e. S. unter Benut-
zung eines früher für den Begriff der Pol als in-
nere Verwaltung überhaupt geprägten Gegen-
satzes (§5 1 II, 1), die Bezeichnung „Sicherheits-
polizei, Gefahrenpolizei oder Sicherheits= und-
Ordnungspolizei“ zu wählen und ihr die „Wohl-
fahrtspolizei“ (Zwang zur Wohlfahrtsförderung)
gegenüberzustellen. Es eröffnet sich dann die
Möglichkeit, die zwanglose Tätigkeit zwecks Ge-
fahrenabwehr (Nr. 2) als „Sicherheitspflege"
(z. B. Graf Westarp) im Gegensatz zur Sicher-
heits Pol zu bezeichnen, während der dafür vorge-
schlagene Gegensatz von Pol Pflege und Pol Gewalt
(Schanze) der Existenz und dem Inhalt des wei-
teren Polegriffs (Nr. 3) nicht gerecht wird.
#s# 3. Hauptarten der Polizei.
1. Die neuere Sicherheitspoli-
zei und ihre Gegensätze. Der an den
alten Gegensatz von Gefahrenabwehr und Wohl-
fahrtsförderung anknüpfende Begriff der Sicher-
heits Pol (§ 2 Nr. 4) unterscheidet nicht weiter nach
den Interessen, denen die Gefahr droht, und den
Quellen, von denen sie ausgeht. Dementspre-
chend wird sie auch als Sicherheits Pol im älteren
und weiteren Sinne bezeichnet. Im Gegensatz
dazu hat sich aber zumeist in neueren Gesetzen
(vgl. aber doch auch schon den preuß. Kgl Befehl
v. 24. 4. 1812) ein engerer Begriff der Sicherheits-
Pol festgestellt, der nach einer jetzt ziemlich überein-
stimmenden Anschauung nur die Abwehr derjeni-
gen Gefahren umfaßt, die der öffentlichen und
privaten Rechtsordnung (der öffentlichen
oder allgemeinen Sicherheit in diesem Sinne) von
dem verbrecherischen-Willen der Menschen drohen.
Sie wird auch als Rechtspolizei, am besten viel-
leicht als Rechtssicherheitspolizei, bezeichnet und
mehrfach differenziert (Näheres X/ II Sicherheits-
polizeil). Den Gegensatz zu dieser neueren und
engeren Sicherheitepolizei bildet dann nicht die
Wohlfahrtspolizei (obgleich dieser verwirrende
Sprachgebrauch gelegentlich z. B. in des preuß.
PolKosten G v. 20. 4. 92, wie auch im sächsischen
Rechte sich findet), sondern die „Verwaltungs-
polizei“. Dieser, freilich selbst nicht unanfechtbare
Ausdruck (O. Mayer 256), soll die Gesamtheit aller
(Zwangs-)Polizei bezeichnen die auf den einzel-
nen Interessengebieten der Verwaltung, z. B.
als Gesundheits-, Gewerbe-, Wegepolizei gefahr-
abwehrend oder auch wohlfahrtfördernd tätig
wird, während die Pol des vorbeugenden Rechts-
schutzes gleichsam die allgemeine Vorbedingung
für die Verfolgung besonderer Interessen durch
die Verwaltung bildet. Immerhin gehört auch die
vorbeugende Rechtssicherheits Pol dem Gesamt-
gebiete der inneren Verwaltung an, während die
Strafverfolgung begangener Verbrechen in
den Rahmen der Strafrechtspflege hineinfällt.
Soweit sich dieselbe der „Beamten des Polizei-
und Sicherheitsdienstes“ zur Hilfsleistung für die
Staatsanwaltschaft bedient (S 153 GWVd), pflegt
man von „gerichtlicher“ oder „Kriminal-Polizei'“l
zu sprechen, die ihrem Wesen nach aber nicht mehr
innere Verwaltung und daher auch Pol nur im
formellen (organisatorischen) Sinne als Tätigkeit
der PolBehörden ist, eine Auffassung, die aller-
dings in der Praxis der positiven Rechte, insbes.
Preußens, nicht überall und in allen Beziehungen
zum Ausdruck gebracht wird (Thoma 24 ff und
z. B. Entsch d. preuß. OV#G 26, 386 ff; 32, 387 ff)J.
2. Ortspolizei und Landespoli-
zei. Der Gegensatz ist zunächst ein inhaltlich
bestimmter (materieller). Danach umfaßt die
Orts Pol die Fürsorge für die besonderen Interes-
sen der örtlichen Gemeinschaften im Staate, wie
sie sich namentlich aus dem örtlichen Zusammen-
leben der Menschen und der nachbarlichen Lage
der Grundstücke ergeben, die Landes Pol dagegen
diejenigen Interessen, welche sich als Gesamt-
interessen des Staates oder seiner größeren Teile
über jene örtliche Beschränkung hinaus geltend
machen. Welche Gegenstände hiernach und in-
wieweit sie in diesem materiellen Sinne orts- oder
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