Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

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Polizei (I. Begriff und Hauptarten — II. Sicherheitspolizei) 
  
landespolizeiliche sind, ist entweder aus der un- 
mittelbaren Würdigung der Lebensverhältnisse 
nach Maßgabe des Begriffs (vgl. preuß. O. 
Entsch 45, 116) oder aus positivrechtlichen Be- 
stimmungen zu entnehmen, die sich bei der Flüssig- 
keit der Grenzen vielfach als nötig erweisen. Mit 
dem materiellen durchkreuzt sich aber auch ein 
formeller Gegensatz von Orts- und Landespolizei, 
er sich namentlich daraus ergibt, daß sich einer- 
seits die Landespolizeibehörden zur Durchführung 
materiell landespolizeilicher Aufgaben der Mit- 
wirkung der Ortspolizeibehörden als ihrer Organe 
bedienen, und andererseits zur Erledigung materiell 
ortspolizeilicher, aber in mehreren Ortspolizeibezir- 
ken gleichmäßig hervortretender Bedürfnisse z. B. 
zum Erlaß von Pol Verordnungen für mehrere Orts- 
bezirke eine Landespolizeibehörde berufen wird. Die 
betreffenden Funktionen bleiben dann materiell 
orts- oder landespolizeiliche, während sie nach der 
Behörde, von der sie ausgehen, umgekehrten 
Charakter tragen. Für den ganzen Gegensatz von 
Orts- und Landes Pol ist aber wichtig, daß er 
keineswegs mit dem von Gemeinde-(Kommunal-) 
und (allgemeiner) Staats= oder Landesverwal- 
tung zusammenzufallen braucht. Vielmehr ist 
auch die Orts Pol überall da Staatsangelegen- 
heit, wo, wie in Preußen und den ihm folgenden 
Staaten, das staatliche Pol Monopol besteht und 
auch da wirksam wird, wo die Ausübung der Orts- 
Pol in die Hand der Gemeinde oder bestimmter 
Gemeindeorgane gelegt ist (S 1 II, 2 und #12 
Nr. 3 a. E.). 
Liüteratur: Der Art. beruht im wesentlichen auf 
meinen beiden Schriften: „Der Begriff der Pol und der 
Umfang des polizeilichen Berfügungs= und Verordnungs- 
rechts in Preußen“ im VerwArch 3 (1895), 249 ff (auch im 
Separatabzug) und „Das Polizeiverordnungsrecht in Preu- 
ßen“ (1895). Aus der späteren Literatur: Otto Mayer 
1 (1895), 245 ff; Biermann, Privatrecht und Pol in 
Preußen (1897); Hölldorfer, Die geschichtliche Ent- 
wicklung des Begriffs der Pol (Tübinger Diss. 1899); Je- 
bens, Zur neueren Sicherheits= und Wohlsahrts Pol in 
Städten, im preuß. Berw Bl. 23 (1902) 625; Schultzen- 
stein, Polizeiliche Schönheitspflege, in der DJ3 7 (1902), 
468; Wilde, Begriff der Sicherheits Pol (Nostocker Diss. 
1904);: Meyer- Anschütz 612 ff (mit zahlreichen An- 
merkungen von letzterem); v. Arustedt, Das preußische 
Polecht 1 (1905); Genzmer, Die Pol (1905); Wolzen- 
dorff, Die Grenzen der PolWGewalt, 2 Teile (1905 /6); 
Thoma, Der PolBefchl im badischen Recht, auf rechtsver- 
GClcichender Grundlage, 1 (1906); Pohlandt, Grundlagen 
und Schranken der Sicherheits Pol (Heidelb. Diss. 1907); 
Göz, Staatsrecht von Württembera, im HB d. öff. R. 
(1908), 360 ff; Schade, Eigentum und Pol, im Arch LessR 
25 (1009), 310 f.; Schanze, Die Pol, in Fischers 3 für 
Praxis und Gesetzgebung der Verwaltung, 35 (1909), 89 ff 
(mit besonderer Heranziehung des lächs. Rechts); An- 
schutz, Die Pol, in den Vorträgen der Gehe-Stiftung, 2 
(1910); Art. „Polizei“ im HWpr Verw, herausg. von Bitters 
(1911) (Graf Westarp).; Friedrichs, Das Pol Gesetz 
(preuß. v. 11. 3. 50) erläutert (1911); Fleiner, Insti- 
tutionen des deutschen Verw R. (1911). 310 ff. — Die ältere 
Literatur ist aus den angeführten Schriften zu entnehmen; 
ausfuhrliche Verzeichnisse namentlich bei Wolzenvdorff, 
Teil 1 SV und 2 SVllI; vgl. auch Friedrichs S 1, 2. 
Nosin. 
  
II. Sicherheitspolizei (Neberblick). 
4 1. Sicherheitspolizei im älteren (weiteren) 
neueren (engeren) Einne. 
polizeil im engeren Einne. 
# 1. Sicherheitspolizei im älteren (weiteren) 
und neueren (engeren) Sinne. Bereits unter I des 
Art. „Polizei“ sind die verschiedenen Bedeutungen 
des Ausdrucks „Sicherheitspolizei“" zur Sprache 
gekommen. Versteht man, wie es dort geschehen ist, 
unter Pol im modernen Sinne die auf dem Ge- 
biete der innern Verwaltung sich betätigende, 
eventuell durch Zwang wirkende Befehlsgewalt, 
so sind, je nach der Bedeutung, die man dem 
Worte „Sicherheit“ beilegt, zwei Begriffe der S. 
zu unterscheiden. Im älteren (weiteren) Sinne, 
den eine verbreitete Lehre überhaupt nur als 
„Polizei“ gelten lassen will, ist S. die auf Ge- 
fahrenabwehr und Ordnungsbewahrung gerich- 
tete Pol Gewalt (Sicherheits- und Ordnungspoli- 
zei), der die sog. Wohlfahrts Pol als Pol zwecks 
Wohlfahrtsförderung gegenübersteht. Die recht- 
liche Bedeutung dieses Begriffes ist die, daß er den 
regelmäßigen Umfang des polizeilichen Verfü- 
gungsrechts (und, wenigstens nach der preußischen 
und sächsischen Praxis, auch des Verordnungs- 
rechts) bezeichnet, so weit derselbe nicht durch be- 
sondere Gesetzesbestimmungen erweitert oder auch 
verengert wird. Nach diesem systematischen Zu- 
sammenhange wird der nähere Inhalt dieses Be- 
griffs der S. im Art. IV „Polizeiliche Verfügungen“ 
behandelt werden. In einem neueren und enge- 
ren Sinne dagegen stellt man der sog. Verw Pol 
(unrichtig auch Wohlfahrts Pol genannt) die S. 
als die Pol des vorbeugenden Rechtsschutzes gegen 
den verbrecherischen Willen der Menschen gegen- 
über. Von diesem Begriffe der S. soll im fol- 
genden allein die Rede sein. 
# 2. Die nenere Sicherheitspolizei im engeren 
#unc. 
1. Die rechtliche Bedeutung dieses Begriffes 
liegt für die Praxis vornehmlich darin, daß er in 
neueren Gesetzen nach verschiedenen Richtungen 
hin zur Abgrenzung der staatlichen und der 
kommunalen Befugnisse auf dem Gebiete der Pol 
verwendet wird. So wenn es sich darum handelt, 
die S. im grundlegenden Sinne einer präventiven 
Verbrechens Pol (Rechtssicherheitspolizei) als einen 
besonders wichtigen Zweig der Pol der unmittel- 
baren Verwaltung durch Staatsorgane vorzu- 
behalten (z. B. §& 89 der schleswig-holsteinischen 
St O v. 14. 4. 69 und neuestens preuß. G über 
die Pol Verwaltung in den Reg Bezirken Düssel- 
dorf usw. v. 19. 7. 11 & 1, mit G über die Pol Ver- 
waltung im Regezirk Oppeln v. 19. 6. 12 8 1) 
oder sicherheitspolizeiliche Verordnungen von der 
Mitwirkung städtischer Behörden freier zu stellen, 
als verwaltungspolizeiliche (& 143 des preuß. LV) 
oder für sicherheitspolizeiliche Verfügungen eine 
verstärkte Aufsicht der Staatsbehörden gegenüber 
den Gemeindebehörden, namentlich im Sinne der 
Ersatzvornahme, zuzulassen (a 194 Abs 3 württ. 
GemO v. 1906). Auch zur Abgrenzung der poli- 
zeilichen Befugnisse zwischen verschiedenen Or- 
ganen der Gemeinde, insbesondere Einzelbeamten 
und Kollegien, wird der Gegensatz von Sicherheits- 
und Verwaltungs-(Wohlfahrts-) Polizei, insbeson- 
und 
#*2. Die neuere Sicherheits-
	        
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