Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Polizei (V. Polizeistrafrecht) 
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konkurrenz. Auf dem Gebiete des Verfahrens 
wird die Ausschließung des Legalitätsprinzips mit 
Recht gefordert (7 Polizeiliche Strafverfügung 
*2, Nr. 3), ebenso die Verstärkung der vorläufigen 
Strafbefugnis der PolBehörden. Gelegentlich 
taucht in verschiedenen Wendungen der Gedanke 
einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungsklage 
auf (z. B. gegen den gutgläubigen Täter: Rosen- 
berg in „Annalen“ 1910, S 688 MN 5; vgl. auch 
Art. Pol Verordnung, Literatur: Antrag Schiffer). 
Undurchführbar, mindestens für jetzt, ja vielleicht 
unvereinbar mit Prinzip und Richtung der deut- 
schen Rechtsentwicklung, erscheint jedenfalls die 
Uebertragung der Rechtsprechung in Poltrafsa- 
chen auf die Verwaltungsgerichte. 
Bei all diesen Abweichungen tritt neuerdings 
besonders energisch das Verlangen nach 
kodifikatorischer Sonderbehand- 
lung des PolStrafrechts (oder doch des auf 
Pol Verordnungen beruhenden: Rosenberg in 
„Reform“ 2, 471), auslaufend in das Postulat 
eines Reichspolizeistrafgesetzbuchs, hervor. Ob 
sich dasselbe, namentlich wegen der hier vor allem 
bedeutsamen Frage der Einarbeitung der Neben- 
gesetze, wird verwirklichen lassen oder, wie im 
„Gegenentwurf“, sich auf die Aufstellung eines 
eigenen „allgemeinen Teils“ für Uebertretungen 
wird zurückziehen müssen, steht dahin (vgl. dazu 
noch unten #& 4). Dagegen wäre die Abfassung 
eines Poltrafgesetzbuchs in den noch ausstehen- 
den Einzelstaaten, insbesondere Preußen, gerade 
verwaltungsrechtlich von besonderem Wert, weil 
nur hierdurch der Uebergang vom System der 
aMllgemeinen Delegation des Verordnungs- 
rechts zu dem der Spezialdelegation ( Polizei- 
Verordnung 5 2, Nr. 3) sowohl im Interesse der 
Einzelfreiheit, wie auch der Autorität der Behör- 
den, die durch übermäßige Kassierung von Ver- 
ordnungen leidet, wirksam durchgeführt werden 
könnte. 
II. Reichsrecht 
§s# 3. Das Reichsstrasgesetzbuch. Das geltende 
Reichsstrafgesetzbuch bringt, wie anerkannt, das 
Poldelikt als besondere Art des Unrechts gegen- 
über dem Kriminaldelikt nicht zum Ausdruck. 
Wenn der 29. Abschnitt des II. Teils „Ueber- 
tretungen“" auch überwiegend Bestimmungen ent- 
hält, deren polizeilicher Charakter nicht zweifelhaft 
sein kann, so kommt doch entscheidend die Tatsache 
in Betracht, daß nach der ausgesprochenen Absicht 
des Gesetzgebers das ausschlaggebende Moment 
für die Scheidung der Uebertretungen von den 
„Verbrechen und Vergehen“ nur der quantitative 
Unterschied der Strafe (Uebertretungen nur mit 
Haft oder Geldstrafe bis 150 M. bedroht), losge- 
löst von einer ihn begründenden qualitativen Ver- 
schiedenheit, sein sollte. Mehr noch als das preuß. 
Strafgesetzbuch, das ihm sonst zum Muster gedient 
hat, hat das Reichsstrafgesetzbuch diesen Gedanken 
zum energischen Ausdruck gebracht. So hat es die 
Bestimmungen über die Uebertretungen nicht 
mehr als besonderen (dritten) Teil des Gesetzbuchs, 
sondern nur als letzten Abschnitt des von den 
einzelnen Delikten und deren Bestrafung handeln- 
den zweiten Teils hingestellt; es hat nicht, wie das 
preuß. Strafgesetz-buch, Bestimmungen „von der 
Bestrafung der Uebertretungen im allgemeinen“ 
gegeben und den speziellen Uebertretungsdelikten 
vorangeschickt, sondern seinen ersten (allgemeinen) 
Teil „auf alle strafbaren Handlungen erstreckt 
und nur, wo die Natur der geringen straf- 
baren Handlung Ausnahmen von den 
sonstigen allgemeinen Bestimmungen notwendig 
machte, dies an den einschlägigen Stellen berück- 
sichtigt" (Anh. 1 der Motive) und es hat endlich, 
um jede äußere Erinnerung an das PolStrafrecht 
zu beseitigen, die den Uebertretungen eigentüm- 
liche Freiheitsstrafe nicht mehr „polizeiliche Ge- 
fängnisstrafe“ sondern „Haft“ genannt. 
Die Tatsache, daß sich der allgemeine Teil des 
Reichsstrafgesetzbuchs grundsätzlich auch auf die 
Uebertretungen bezieht, hat jedenfalls den Vor- 
teil gehabt, den noch in der preußischen Praxis 
festgehaltenen Satz, daß bei allem Polünrecht 
oder auch nur bei einem Teile desselben, ohne 
Rücksicht auf Schuld, der objektive Tatbestand zur 
Bestrafung genüge, von Grund aus zu beseitigen. 
Auch die Uebertretungen des Reichsstrafgesetzbuchs, 
polizeiliche oder nichtpolizeiliche, verlangen zur 
Bestrafung eine Schuld des Täters: Vorsatz oder 
Fahrlässigkeit. „Dem Geiste des Gesetzes und dem 
Charakter der Einzeltat muß bei fehlender aus- 
drücklicher Bestimmung entnommen werden, ob 
fahrlässiges Verhalten zur Bestrafung aus- 
reicht“ (Entsch Re Straf S. 38, 104, wo aus dem 
„auch“ jagdpolizeilichen Charakter von # 368, 
Nr. 10 dessen Anwendbarkeit bei Fahrlässigkeit ge- 
folgert wird). Im übrigen reduziert sich die Son- 
derbehandlung aller Uebertretungen, abge- 
sehen von der ihnen eigentümlichen Haft, der 
Hauptsache nach dahin, daß der Versuch der 
Uebertretung, Beihilfse und Begünstigung und 
ebenso in der Regel die im Auslande verübte 
Uebertretung straflos ist u. a. m. Mit Bezug auf die 
Zuständigkeit der Landesgesetzgebung (§5§5 2, 
5, 6 E) ist es anerkannt, daß für das Gebiet der 
Uebertretungen in Ansehung fast aller Strafbe- 
stimmungen eine abschließende, die „Materie“ er- 
schöpfende Regelung nicht beabsichtigt war. Die 
Pol Strafgesetzgebung der Einzelstaaten ist danach 
umfassend in Kraft geblieben, so wie denn auch 
das Reichsstrafgesetzbuch selbst in seinen Blankett- 
strafgesetzen vielfach auf die Landesgesetzgebung 
oder polizeiliche Verordnungen verwiesen hat 
( Polizeiverordnung §5 2, Nr. 1). 
4. Reform. Der im Jahre 1909 erschienene 
„Vorentwurf zu einem deutschen Strafgesetzbuch“ 
behält im Prinzip den Standpunkt des geltenden 
Strafgesetzbuchs bei, obgleich sich bei den „Vor- 
arbeiten zur deutschen Strafrechtsreform“, der auf 
Anregung des Reichsiustizamts herausgegebenen 
„Vergleichenden Darstellung“ Goldschmidt (Allg. 
Teil IV, 308 f) und Wach (VI, 9) entschieden für 
Ausscheidung und Sonderbehandlung des ganzen 
Pol Unrechts ausgesprochen hatten. Einzelne, von 
der Theorie vielfach als Kriminaldelikte betrachtete 
Reate, wie der sog. Mundraub (&+ 272), wurden 
zwar aus dem Uebertretungsabschnitt ausgeschie- 
den, dieser selbst aber (abgesehen vom Strafmaß: 
Gefängnis oder Haft bis 3 Monat, Geldstrafe bis 
300 M.; &+1 Abs 3), auf sonst unveränderter Grund- 
lage als 5. Buch (§## 305—310) des „Besonderen 
Teils“ aufrechterhalten und damit dem auch für 
ihn geltenden „Allgemeinen Teil“ unterstellt. Die 
Voraussetzung der Schuld auch bei Poldelikten 
jist besonders stark betont, andererseits aber Fahr- 
8 * 
 
	        
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