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Polizei (V. Polizeistrafrecht)
den Vorbehalt polizeilicher Verordnungen (Vor-
schriften) und die polizeiliche Exekution beziehen
(55 22—33), außer Kraft gesetzt und das Straf-
maß, besonders in seinem Höchstbetrage, prinzipiell
dem des Reichsstrafgesetzbuchs angepaßt. Auch in
Baden sind dann eine Reihe von Abänderungs-
und Ergänzungsgesetzen ergangen. Daraufhin
wurde durch Min Bek v. 20. 11. 99 ein neuer
Text des Pol trafgesetzbuchs verkündet, der aber
bereits durch fernere Novellen von 1904 und 1910
überholt ist.
8 11. Hessen. Selbständiger gegenüber dem
Reichsstrafgesetzbuch hat sich die hessische Gesetzge-
bung verhalten. Das hessische PolSt GB v.
2. 11. 47, nach zeitweiliger Wiederaufhebung un-
term 30. 10. 55 im wesentlichen wieder in Kraft
gesetzt, geht in seinen Motiven von der Ansicht
aus, daß „die Kriminaljustiz zunächst Handlungen
verfolge, durch welche wirkliche Verletzungen
von Rechten, sei es des Staats oder einzelner
Personen, herbeigeführt worden sind“ (vgl. oben
6#8), wogegen als wenigstens vorzugsweise „Auf-
gabe der Polizeistrafgesetzgebung“ bezeichnet wird,
odiejenigen Handlungen und Unterlassungen,
durch welche Rechte des Staates oder der ein-
zelnen, die öffentliche Sicherheit, Ruhe, Ordnung
und Sittlichkeit sowie die allgemeine Wohlfahrt
gefährdet werden können“ (vgl. dazu Gold-
schmidt S271/2), zu bestrafen. In der Tat wurde
dieser Standpunkt in dem, 381 Artikel enthalten-
den, Pol Strafgesetzbuch im wesentlichen innege-
halten, wenngleich Ausnahmen anerkannt wurden
(vgl. namentlich Tit. XIX: „Angriffe auf die Ehre“,
XXI: „Beeinträchtigung fremden Eigentums“").
Das G v. 10. 10. 71, „betr. den Uebergang
zu dem Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich,
insbesondere bezüglich der Pol Strafgesetzgebung“
hält das Pol StGB v. 30. 10. 55 prinzipiell auf-
recht, abgesehen von denjenigen Maßgaben, welche
namentlich in a 2 hinsichtlich des allgemeinen und
in a 3 hinsichtlich des speziellen Teils desselben
enthalten sind. In Nr. 35 des Reg Bl von 1871
ist danach eine offizielle Zusammenstellung des
revidierten Textes des PolStrafgesetzbuchs ein-
schließlich der maßgebend gewordenen Paragra-
phen des Reichsstrafgesetzbuchs gegeben worden.
Wenngleich die Zahl der letzteren sehr erheblich
ist, kann doch auch der stehengebliebene Rest des
allgemeinen Teils des PolStrafgesetzbuchs nicht
als unbedeutend bezeichnet werden. Inwieweit
allerdings bei dieser Grenzregulierung die hessische
Landesgesetzgebung allseitig ihre Zuständigkeit ge-
wahrt hat, bleibt hier dahingestellt. Spätere No-
vellen z. B. v. 4. 4. 03 und 25. 6. 04.
Literatur: Dieselbe ist zu I. fast unübersehbar.
Für die frühere kann im allgemeinen auf Goldschmidt,
Verw Strafrecht (1902) verwiesen werden; dazu das Ver-
zeichnis bei Umhauer, Beitrag zur Lehre vom Begriff
und Wesen des PoldsDeliktes (Freiburger Diss. 1904). Hervor-
gehoben daraus seien nur v. Rohland, Gefahr im
Strafrecht (1886), 16 fff Binding, Normen ?# 1 (1890),
S 311—412; Rosin, Begriff der Polizei (1895), 37 ff;
Otto Mayer, 1 (1895), 5J 22;: Frank, Studien zum
Ptn, Gießener Progr. 1897; Guderian, Kriminelles
und polizeiliches Unrecht, in ZS#W 21 (1901), 828. —
Fernere Schriften Goldschmidts: Begriff und Auf-
gabe eines Verw Strafrechts (DJ3 7, 1902, Sp. 211):
ein Vortrag mit gleichem Titel im Archiv f. Strafrecht 49
(1902), 71; Berw Strafrecht, Festgabe f. Koch, 1903, 415;
Deliktsobligationen des Berwmechts. Sonderabdruck aus
Mitteilungen v. Int. Krim. Bereinigg. 12 (1905); Typen-
theorie (Kritik über Beling) im Archiv 54 (1907), 35 ff.
(Kritiken zur Lehre G.sS von Lamp, Arch Oeffl 18, 104:
O. Mayer, Berwürch 11, 348 und Fleischmann,
8Stris 24, 774; vgl. auch M. E. Mayer 110).— Aus der
neueren Literatur besonders: Rosenberg, Beiträge zur
Bestrafung der Uebertretungen, 8 StrW# 22 (1902), 31 ff;
Schultzenstein, Ueber Verw Strafsgerichtsbarkeit,
VerwArch 11 (1903), 149; M. E. Mayer, Rechtsnormen
und Kulturnormen (Strafr. Abh. 50) (1908), 100; Lucas,
Anl. zur strafrechtl. Praxis 1 (1904), 16; Rosenberg,
Dreiteilung der strafbaren Handlungen, in 3 Str W 24 (1904),
5 ff; Schulz, Begriff der Gefahr im Strafrecht unter
Berücksichtigung der PolUebertretungen (Münsterer Diss.
1905), 29 ff; Beling, Lehre vom VBerbrechen, 1906,
S 34, 131; Dronke, Finanzstrafrecht, in 8 StrW 26
(1906), 632; Hofheinz, Verletzung und Gefährdung
(Strafr. Abh. 79, 1907): North, Die Nothilfepflicht im
Deutschen Strafrecht (Tübing. Diss. 1907), 85 ff; Hofacker,
Ueber Verw Strafrecht, im Verwürch 15 (1907), 40% ff;
Hatscheck, Studien zum österr. Pt, im Arch f. Straf-
recht 57 (1910), 1 f; Nordbeck, Die Reformbestrebungen
auf dem Gebiete der Uebertretungen (Göttinger Diss. 1910):
Friedenthal, Beiträge zum Preßverwaltungsstrafrecht
(Heidelb. Diss. 1910), S 1—15; H. A. Fischer, Die
Rechtswidrigkeit (Fischers Abh. 21, Heft 2, 1911), 112. —
Kongresse: Verhandlag. des 26. Jur. Tags (1902) 1, 272 f
(Gutachten v. Liszt), 3 (1903), 212 ff (Referat Kahl), S244,
271, 602. VBerhandlagg. des 29. Jur.Tags (1909) 5, S 449,
453, 858, 870. Biel Material bieten die Mitteilungen der
Intern. Krim. Vereinigung vom 6. Bande an, besonders
in Bd. 12 die Verhandlungen der deutschen Landesgruppe
von 1904, S 202 ff (Ref. Frank) und 217 ff (Goldschmidt,
s. oben). — Zu alledem die bekannten Lehrbücher und Kom-
mentare, 3. B. v. Lis zt 1½ (1911), 122, und Meyer-
Allfeld' (1912), 115. Sonderkommentar zum Ueber-
tretungsabschnitt von Rotering (1888); Frank,
Kommentar —“ (10908), 568; 8.—10. Aufl. (1911), 598.
Neuestens Merkel- Liepmann, Lehre von Berbre-
chen und Strafe (1912), 57ff. — Auf die Reform des Reichs-
strafrechts bezüglich: Vergleichende Darstellung des deut-
schen und ausl. Strafrechts, herausg. auf Anregung des
Reichsjustizamts. Allg. Teil IV (1908), 388 ff (Goldschmidt),
VI, 9 (Wach). Vorentwurf zu einem D. St GB (1909), Be-
gründung S VII ff. Wach in DJ3 15 (1910), 10; Bin-
ding, Vier Fragen, im Gerichtssaal 77, 10; Hofacker,
Vorentwurf und das Verw Strafrecht, im preuß. Verw Bl.
31, 589; Rosenberg, Krit. Anmerkungen zum Vor-
entwurf, in Annalen 1910, 684 ff; Rosenberg, Die
Uebertretungen, in Aschrott und v. Liszt, Resorm 2 (1910),
465. Zusammenstellung der gutachtlichen Aeußerungen,
gefertigt im Reichsjustizamt (1911), S2, 406 ff. Gegen-
entwurf von Kahl, v. Lilienthal, v. Liszt und
Goldschmidt (1911), SlVf und Bearündung 310 ff.
Zu den süddeutschen Pol Strasgesetzbüchern Gold.
schmidt 11, 12, 13, 21, 22; Umhauer 18ff. So-
dann die Kommentare zum bayerischen von Edel (1862
und 18372), Riedel-Pröbst-Sutner (7. Aufl.
19074, Staudinger-Schmitt (5. Aufl. 1904),
Reger-Dames (3. Aufl. 1905); zum württembergischen
von Schicker (4. Aufl., 1907) und Beling (1903):
zum badischen von Stempf (1364), Jolly und
Eisenlohr (1867), Bingner und Eisenlohr
(1872), Schlusser Müller (3. Aufl. 1908); zum
hessischen: Textausgabe mit Anmerkungen und Anhang,
Darmstadt, Staatsverlag, 1397. Rosin.