Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

Polizei (VI. Verordnung — VII. Strafverfügungen) 123 
  
setzten Behörde zu konstatieren; das preuß. Recht 
verlangt weitreichend eine ausdrückliche Bezug- 
nahme auf die die Delegation enthaltenden Ge- 
setzesstellen und die Bezeichnung als „Polizei- 
verordnung". In Bayern und Baden sind orts- 
und distrikts--, bezw. bezirkspolizeiliche Vorschrif- 
ten mit dem Nachweise der geschehenen Bekannt- 
machung in beglaubigter Ausfertigung den Ge- 
richten mitzuteilen. 
5*5 7. Aufhebung. Pol V können zunächst, wie 
Gesetze überhaupt, dadurch beseitigt werden, daß 
in ihrem Bezirke eine neue, inhaltlich widerspre- 
chende Rechtsnorm in Kraft tritt, mag dieselbe 
ein Reichs= oder Landesgesetz, die Verordnung 
einer übergeordneten PolBehörde oder eine neue 
Pol V derjenigen Behäörde selbst sein, welche die 
aufzuhebende erlassen hat. Darüber hinaus aber 
unterliegen die Pol V nach ihrer formalen Natur 
als Verwkte einer Außerkraftsetzung im Wege 
der behördlichen Aufsicht durch eine vorgesetzte 
Pol Behörde, sei es aus Gründen des verletzten 
Rechts, oder auch der Zweckmäßigkeit. Gemeinde- 
behörden gegenüber ist in einzelnen Rechten die 
Aufhebung auf den Grund der Rechtswidrigkeit 
beschränkt (vgl. z. B. für Elsaß-Lothringen: Bruck 
S 19 N. 3). Nach neuestem württembergischen 
Recht kann die Gemeinde bei besonderem berech- 
tigten Interesse Rechtsbeschwerde an den Verw- 
Gerichtshof erheben, wenn ihre ortspolizeiliche 
Vorschrift speziell „wegen Ungesetzlichkeit ihrer Er- 
lassung“ außer Wirksamkeit gesetzt ist (a 195 Abs 2 
Nr. 3 Gem v. 28. 7. 06 mit a 56 Pol St GB). 
5 8. Kontrollen. Die Nachprüfung einer er- 
lassenen Pol V ist entweder eine Rechtskontrolle, 
die Frage der Rechtsgültigkeit derselben beant- 
wortend, oder eine Verwf#Kontrolle, welche auch 
die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit derselben 
in Betracht zu ziehen hat. Sie ist ferner eine di- 
rekte, in ihren Wirkungen unmittelbar die Ver- 
ordnung ergreifende, oder eine indirekte, welche 
sich auf einen einzelnen Fall beschränkt, der 
nach der Verordnung beurteilt werden soll. 
Hiernach ist 
1. Die Kontrolle des Strafrichters, der auf 
Grund der Verordnung eine Strafe verhängen soll, 
eine indirekte, die über die Freisprechung des An- 
geklagten hinaus die Verordnung als solche unbe- 
rührt läßt. Daß sie auch eine bloße Rechtskontrolle 
sein darf, wird vielfach (Bayern a 15, Baden 8 24 
Abs2) und auch in Preußen (*17 Pol G v. 11. 3. 50; 
vgl. dazu Art. „Polizeiliche Verfügungen“ 9 
Nr. 3d) besonders hervorgehoben. 
2. Ergeht auf Grund der Verordnung eine poli- 
zeiliche Verfügung im Einzelfalle z. B. zur Ver- 
hinderung oder Beseitigung eines verordnungs- 
widrigen Zustandes, so kann dieselbe mit den 
Rechtsmitteln der Beschwerde oder verwaltungs- 
gerichtlichen Klage (N8 Polizeiliche Verfügungen! 
auch aus Gründen angefochten werden, welche 
sich gegen die Rechtmäßigkeit oder Zweckmäßigkeit 
der Verordnung selbst als ihrer Grundlage rich- 
ten. 
Beschwerdeverfahren erörtert werden, während 
der Verw’ Richter auf die Rechtskontrolle be- 
  
Beiderlei Gründe können regelmäßig im 
schränkt ist. Der Erfolg des Angriffs ist auch 
hier unmittelbar nur eine Beseitigung der Ver- 
fügung, nicht aber der Verordnung im ganzen. 
3. Die direkte Verw Kontrolle wird, sei es von 
Amtswegen, sei es auf Beschwerde von der dazu 
berufenen vorgesetzten Behörde nach Maßgabe 
von # 7 ausgeübt. 
Literatur: Schutzgebiete: Sassen, Das 
Gesetzgebungs= und VBfRecht in den deutschen Kolonien, in 
Zorn und Stier-Somlos Abhandlungen V, 2, 87 ff. — 
Preußen: Rosin, Das PolBRecht in Preußen 
(unter Heranziehung der süddeutschen Pol StGB), 2. Aufl., 
1895. Ferner die beiden Kommentare von Friedrichs 
zum Pol und zum L0, 1911 und 1910; Wolf, Die 
Gesetzgebung über das P in Preußen, 10910. Art. „Poli- 
zeiverordnung“ in Bitters Handwörterbuch. Reform: 
Abg.-Haus 1011, Drucks. Nr. 674 (Antrag Schiffer: Popu. 
larklage beim O# auf Rechtsungültigkeit von Pol B; Ber- 
jährung solcher binnen 25 Jahren); dazu Schultzen. 
stein in DI3 1911, Sp. 889, sowie auch S#tBerichte d. 
RT 284, S 1211 C, 1261 D unb zu einem neuen Antrag 
Schiffer betr. „Sammlung und ESichtung“ des vorhandenen 
Rechtsstoffes: Koffka in der DJd3 1012, Sp. 1434. — 
Bayern: v. Seydel--Graßmann, Staatsr. d. 
Kar. Bayern, im H##d. öff. R. (1903) S 136 ff, 256 ff. 
v. Riedel-- Sutner, Kommentar zum PolstE# 
(1903) (dazu 7. Aufl. 1907); Sutner, Königreich Bayern 
in Scholz-Stork, Bibliothek des öff. R. 11 (1909), 108 ff, 
Fischer, Lexikon des in Bayern geltenden Verwaltungs. 
usw. Rechts (1, 1910), S 465/6. — Sachsen: Otto 
Mayer, Staatsrecht d. Kagr. Sachsen, (1909), G 180 
n. 10, 292; Krenkel, Das PBR in Sachjen, Disser- 
tation, 1905; v. d. Mosel (1912) Art. „Polizeigewalt“ II. 
— Württemberg: Göz, Staatsr. d. Kar. Württ. 
1908, 217; Schicker, Kommentar zum Pol St GB (1907); 
Michel, Komm. z. Gem O (ldog). — Baden: Thoma, 
Der PolBefehl in Baden (10906), bes. S 325 ff; Schlusser. 
Müller, Das bad. PolStrafrecht (1908). — Hessen: 
van Calker, Staatsr. d. Großh. Hessen 19183, S 168 ff. 
— Elsaß-Lothringen: Bruck, Berfassungs- und 
Verwecht v. E.-L. II (1909), 147 ff. — Ueber Ungültig- 
keitsgründe auch von Pol V val. neuestens das im Literatur- 
verzeichnis zum Art. „Polizeiliche Berfügungen“ angeführte 
Buch von Walter Jellinek. Nosin. 
VII. polizeiliche Strafverfügungen 
5 1. Begriff und Normen. 142. Umfang der poli- 
zeilichen Befugnisse. 1. Materien. 2. Strafen. 3. Behör- 
den. 4. Delinquenten. #1 3. Berfahren der Polizei- 
behörden. 1. Vorbereitung. 2. Inhalt. 3. Bekanntmachung. 
4. Listen und Akten. 4 4. Rechtsbehelfe gegen 
polizciliche Strafverfügungen. 1. Antrag auf gerichtliche 
Entscheidung. 2. Beschwerde. § 5. Wirkung einer po- 
lizeilichen Strafverfügung. 1. Unterbrechung der Verjäh- 
rung. 2. Vollstreckung. 3. Verbrauch der Strafklage. 
4. Rechtshängigkeit. 
# 1. Begriff und Normen. Unter einer pol. 
Straf Vfig# versteht man die Verfügung einer Pol- 
Behörde, durch welche dieselbe kraft gesetzlicher 
Ermächtigung in geringfügigen Straffällen unter 
Vorbehalt des Rechtswegs eine öffentliche Strafe 
verhängt. Ihrer rechtlichen Natur nach ist die pol. 
Straf Vfg ein bedingtes Strafurteil (RGSt 28, 
141; 36, 314; dagegen Levis 339 ff: „Urteilsvor- 
schlag“); bei ihrem Erlaß fungiert die Pol Behörde 
ausnahmsweise in richterlicher Eigenschaft. Da- 
durch unterscheidet sich die pol. Straf Vig einerseits
	        
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