Post und Telegraphie (B. VI: Postgeheimnis)
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kein Beschuldigter vorhanden ist, hat es die P abzulehnen.
Die Sendung muß in der Beschlagnahmeverfügung soweit
bezeichnet sein, daß die P nach objektiven Merkmalen er-
kennen kann, welche in ihren Händen befindliche Sendung
unter die Beschlagnahme fällt; die Auswahl darf nicht auf
das Ermessen der hierzu nicht berusenen PBehörde abge-
wälzt werden. Ob die P die Sendung nur anzuhalten oder
der beschlagnehmenden Behörde auszuhändigen hat, richtet
sich nach dem Inhalt des Ersuchens.
Die Staatsanwaltschaft hat die ihr ausgehän-
digten Sendungen uneröffnet dem Richter vor-
zulegen. Wird eine staatsanwaltschaftliche Be-
schlagnahme nicht binnen 3 Tagen vom Richter be-
stätigt, so verliert sie von selbst ihre Kraft, d. h.
die P hat ihr fortan nicht zu entsprechen und noch
lagernde Sendungen frei zu geben (so jetzt auch
Löwe).
Die Erteilung von Auskunft über die
Korrespondenz, sowie die Vorlegung von Ur-
kunden und Büchern, die sich auf die
Korrespondenz beziehen, hat die PVerwaltung
mit Rücksicht auf das PGeh abzulehnen, da die
StPO Ausnahmen in dieser Richtung nicht zu-
läßt; die §5 96, 159 St P sind keine Ausnahme-
vorschriften, wie sie § 5 Reichs PG voraus-
setzt. Da indes die Auskunftserteilung sowie die
Vorlegung von Urkunden und Büchern über Tat-
sachen, welche die Korrespondenz betreffen, gegen-
über der Beschlagnahme der Korrespondenz das
Mindere darstellt, so ist es für die PVerwaltung
unbedenklich, dem Ersuchen um Auskunft usw. zu
entsprechen, wenn die Voraussetzungen für die
Beschlagnahme der Sendung vorliegen, d. h.
wenn es sich um die Korrespondenz des Beschuldig-
ten handelt und das Ersuchen vom Richter oder
— bei Verbrechen und Vergehen — der Staats-
anwaltschaft ausgeht. Ersuchen anderer Behör-
den sind abzulehnen.
Die gerichtliche Vernehmung von PBeamten
als Zeugen über Tatsachen, die sich auf die
Korrespondenz des Beschuldigten beziehen, ist aus
demselben Grunde zulässig; über die Korrespondenz
Dritter darf sie nicht erfolgen.
b) Zivilprozeß. Die ZPO enthält keine
Bestimmungen, welche Ausnahmen vom PWGeh
zuließen: es dürfen daher auch keine Ausnahmen
gemacht werden. Nur auf Antrag oder mit Zu-
stimmung des Absenders oder Empfängers
(Adressat, nicht Ersatzempfänger) der Sendung
darf also von der PVerw dem Gericht Auskunft
über eine die Korrespondenz betreffende Tatsache
erteilt, ein darauf bezügliches Schriftstück vor-
gelegt, ein PBeamter als Zeuge vernommen
werden (vgl. § 383 Nr. 5 8PO; 4 376 3#80
gilt außerdem.) — Die Pfändung von
Pendungen ist zulässig, sofern sie ohne Ver-
letzung des PGeh erfolgen kann, also nur dann,
wenn der Gläubiger von einer konkreten Sendung
ersichtlich bereits Kenntnis hat. Doch ist zu
beachten, daß nach § 33 der PO v. 20. 3. 00
die Sendung bis zur Aushändigung an den
Adressaten nur zur Verfügung des Absenders
steht, daher, so lange sie auf der Post ist,
nur von Gläubigern des Absenders, nicht des
Adressaten, gepfändet werden darf. Die auf
PNachnahmen und Püufträge eingezogenen
Beträge können für die Gläubiger des Absenders
der mit Nachnahme belasteten Sendung bezw.
des Puftrags gepfändet werden, da der letztere
der PVerw gegenüber ein Recht auf deren Aus-
händigung hat. Bezüglich der durch die P. debi-
tierten Zeitungen hat ein pfändbares Aushändi-
gungsrecht an die P nur der Verleger als Absen-
der und Vertragsgenosse der P [B IV Post
und Tel Geb, § 2 a. E.] — Die Pfändung hat —
sofern es sich nicht um eine unterscheidbar vor-
andene Sache handelt und die Post zu deren
Herausgabe bereit ist (S 809 8PO) — in den
Formen der Pfändung des Anspruchs zu#erfolgen,
welcher dem Absender gegen die Pzusteht (55 829
846 3P0O).
c) Konkurs. Nach 5 121 KonkO kann das
Konkursgericht anordnen, daß die für den Ge-
meinschuldner eingehenden PSendungen dem
Verwalter ausgehändigt werden. Dieser tritt
dann in jeder Beziehung an die Stelle des Adres-
saten, ist insbesondere auch zur Eröffnung der
Sendungen berechtigt.
d) Weitere Ausnahmen: die Aushändigung an
ErsatzempfängerPO #39; Aushändigung an
andere, z. B. Ehemann, gesetzlichen Vertreter, so-
weit sie nicht Ersatzempfänger, ist unzulässig); die
Eröffnung unbestellbarer Sen-
dungen durch die P behufs Ermittelung
des Absenders nach näherer Bestimmung des
8 46 III der PO v. 20. 3. 00; die Eröffnung
zollpflichtig eingehender Sendun-
gen durch die Zollbehörde nach & 91 Vereins-
zollG v. 1. 7. 69 und des Pgollregulativs, so-
wie des 8 39 XV PO. Endlich die Beschlag-
nahme von Druckschriften durch die
Polizeibehörde auf Grund des & 23 PreßG-
v. 7. 5. 74; die letztere kann auch gegenüber
den auf der Post befindlichen Druckschriften aus-
geübt werden: die P kann aber der Polizei nur
solche Sendungen aushändigen, bei denen ohne
Eröffnung des Verschlusses unzweifelhaft er-
kennbar ist, daß sie die beschlagnahmten Druck-
schriften enthalten und daß sie der P „zum Zwecke
der Verbreitung" übergeben sind. Hierher rechnet
die Praxis auch § 41 SteBe: Es muß auch hier
ohne Eröffnung des Verschlusses der Sendung
erkennbar sein, daß es sich um eine Druckschrift
der in § 41 Abs 1 StGB bezeichneten Art handelt,
und daß die Sendung von einer der in § 41 Abs 2
bezeichneten Personen zur Beförderung einge-
liefert worden ist. Als Ausnahmen werden von
der Praxis auch die 88 139, 367 Nr. 5, 5 a St GB
angesehen. Diese Ansicht findet in § 5, I. II PO
v. 20. 3. 00 eine Stütze, wonach Sendungen, deren.
Außenseite oder Inhalt, soweit er offensichtlich
ist, gegen die Gesetze verstößt, oder aus Rücksich-
ten des öffentlichen Wohles oder der Sittlichkeit
für unzulässig erachtet wird, von der PBeförde-
rung ausgeschlossen sind, wonach ferner Sendungen
nicht ausgegeben werden dürfen, mit deren Be-
förderung Gefahr verbunden ist, z. B. wegen des
entzündlichen oder ätzenden Inhalts.
e) Die in a 33 preuß. Vl vorbehaltene Aus-
nahme für Kriegsfälle hat zwar im §5 5
Reichs PW keine besondere Erwähnung gefunden.
Aus a 68 RV in Verbindung mit 4 preuß. G
v. 4. 6. 51 ergibt sich aber, daß nach Erklärung
des Belagerungszustandes s die
PBehörden auch den auf Aushändigung von
Sendungen oder Auskunft über solche gerichteten.
Ersuchen der Militärbefehlshaber unweigerlich zu
entsprechen haben. (Aehnlich in Elsaß-Lothringen.