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Post und Telegraphie (D. Internationaler Verkehr)
. Die wichtigsten Verträge.
1. Telegraphenverkehrsverträge.
Der universelle Charakter der Tel hat die Tele-
graphenverwaltungen frühzeitig auf den Weg
der internationalen Vereinbarung gedrängt. Aus
den Uebereinkommen zwischen Nachbarstaaten
entwickelten sich Verträge von Staatengruppen
(deutsch-österreichischer Telegraphenverein, be-
gründet durch Vt v. 25. 7. 50, abgeändert durch
mehrere Nachtragsverträge, in Geltung bis Ende
1871), und weiter ein internationaler Gesamt-
vertrag, der zum erstenmal am 17. 5. 65 zu Paris
von 20 Staaten geschlossen wurde und nach mehr-
fachen Revisionen jetzt als „Petersburger inter-
nationaler Tel Vt v. 10. 22. Juli 1875“ gilt
(PAmts Bl 1875, 243; Fleischmann, Völkerrechts-
duellen 133). Gleichzeitig mit dem Vertrag wurde
von den beteiligten Verwaltungen eine „Ausfüh-
rungs-Uebereinkunft für den internationalen Ver-
kehr“ vereinbart, welche fortlaufend nach Ablauf
einiger Jahre, zunächst 1879 in London, zuletzt 1908
in Lissabon auf einer internationalen Telegraphen-
Konferenz revidiert wurde und jetzt als Lissaboner
Revision v. 11. 6. 08 neben dem Petersburger Ver-
trage gilt. (Die Lissaboner Revision trat am 1.7.09
in Kraft.) An dem Vertrage und der Ueberein-
kunft nehmen 33 Staaten teil, darunter ganz
Europa, ferner haben 17 Privatgesellschaften,
welche außerhalb der Landesgrenzen eines der
Vertragsstaaten tätig sind, ihren Beitritt erklärt;
die meisten der übrigen internationalen Tele-
graphengesellschaften befolgen tatsächlich jene
Abkommen teils vollständig, teils im wesentlichen.
Als Zentralorgan des Vereins besteht das
Internationale Bureau der Telegra-
phenverwaltungen zu Bern. (Organ:
Journal Télégraphique.)
Durch den Vertrag und die Uebereinkunft ha-
ben die vertragschließenden Staaten sich ver-
pflichtet, den internationalen telegraphischen
Dienst nach bestimmten technischen Normen mit-
telst besonderer Leitungen wahrzunehmen und in
Gang zu erhalten, die Benutzung der internatio-
nalen Telegraphen jedermann gegen Gebühren,
welche nach einheitlichen Grundsätzen berechnet
werden, unter Gewährleistung des Telegraphen-
eheimnisses zu gestatten. Die Uebernahme einer
Verantwortlichkeit für Versehen ist ausgeschlossen,
doch tritt unter Umständen Gebührenerstattung
ein. Gebührenfreiheit gilt nur für telegraphen-
dienstliche Telegramme. Die Verteilung der Ge-
bühren erfolgt auf Grund monatlicher Abrechnung
zwischen den beteiligten Staaten. Die Herstel-
lung internationaler Fernsprechverbin-
dungen nach Maßgabe des Bedürfnisses ist
vorbehalten. Nähere Bestimmungen über den
Dienstbetrieb, Anmeldung und Dauer der Ge-
spräche, Teilnehmerverzeichnis, Gebühren usw.
regelt a 68 der Ausführungs-Uebereinkunft.
Der Vertrag nebst der Ausführungs-Ueberein-
kunft regelt im allgemeinen die Grundlagen des
internationalen Telegraphenverkehrs vollständig.
Der Abschluß besonderer Ueberein-
kommen ist indes für solche Teile des Dienstes
vorbehalten, an denen nicht die Gesamtheit der
Staaten beteiligt ist, insbesondere also für die
Regelung der Tariffragen von Staat zu Staat,
ferner auch u. a. für die Zulassung telegraphischer
PAnweisungen im internationalen Verkehr, so-
weit diese nicht durch den Weltpostvertrag (Ueber-
einkommen, betr. den PAnweisungsdienst v. 26.
5. 06, a 4, Rl 656) geregelt ist.
2. Drahtlose Telegraphie. Nachdem
auf Anregung des Reichspostamts i. J. 1903 in
Berlin eine Vorkonferenz zur Regelung einzelner
Fragen des internationalen Funkspruchverkehrs
stattgefunden hatte, wurde am 3. 10. 06 in Ber-
lin ein „Internationaler Funken-
telegraphenvertrag“ (Convention radio-
télégraphique internationale) nebst Schlußproto-
koll und Dienstreglement zwischen den Vertretern
von 72 Staaten, vorbehaltlich der Ratifikationen,
vereinbart. Veranlassung des Abkommens war, den
Funkspruchverkehr zwischen Schiff und Land zu
schützen, insbesondere Monopolbestrebungen ent-
gegenzutreten, die darauf ausgingen, Funkspruch-
apparaten anderen Systems den Verkehr zu unter-
binden. Der Vertrag ist am I. 7. Os für die Staaten,
die ihn bis dahin ratifiziert haben, in Kraft getreten
(RGBl 1908, 411) und wurde ergänzt durch ein
Zusatzabkommen vom gleichen Tage, abgeschlos-
sen von den Vertretern von nur 21 Staaten (es
fehlen u. a. England, Italien, Japan), das eine
radiotelegraphische Verkehrspflicht auch von Schiff
zu Schiff festsetzte. Jetzt gilt der Internat.
Funken TelV v. 5. 7. 12 nebst Schlußprotokoll und
Ausfllebereinkunft (Rl 1913, 373), und zwar
u. a. für ganz Europa (mit Ausschluß der Binnen-
staaten Schweiz, Serbien, Montenegro). Hiernach
gilt: Die Küsten= und Schiffsstationen sind ver-
pflichtet, ihre Radiotelegramme ohne Unterschied
des Systems auszutauschen, und zwar zwischen
Land und Schiff sowie zwischen Schiff und Schiff.
Störung anderer Stationen ist nach Möglichkeit
zu vermeiden. Telegramme von Schiffen in
Seenot haben den Vorzug. Anuschluß der Küsten-
stationen an das Landnetz ist herzustellen. Die
Grundzüge des Gebührenwesens sind geregelt.
Ein Schiedsgericht für Streit zwischen den
Vertragsstaaten ist wie im Welt PWvorgesehen.
Wesentliche Bestimmungen des Internat. Tele-
graphenvertrags (v. 10./22. 7. 75) sind in den
Funken TelVertrag einbezogen. Der Vertrag
und die Ausflebereinkunft sollen periodisch revi-
diert werden. Das Internationale Bureau
der Telegraphenverwaltungen in Bern
dient als Zentralorgan des Vereins.
3. Kabelschutzvertrag. Zum Schutz
der außerhalb der Küstenzone, im offenen Meer
liegenden Telegraphenkabel wurde zu Paris ein
internationaler Vi v. 14. 3. 84, nebst Dekl. v.
1. 12. 86 (RE#Bl 1888, 151 ff, 1889, 194) geschlos-
sen, der am 1. 5. 88 für 28 Staaten in Kraft ge-
treten ist. Nach Inhalt dieser Vereinbarungen,
die nicht für den Kriegsfall gelten, genießen alle
im offenen Meere rechtmäßig gelegten unter-
seeischen Kabel, welche auf dem Gebiete eines der
Vertragsstaaten landen, strafrechtlichen Schutz
gegen vorsätzliche oder fahrlässige Beschädigung,
unbeschadet des zivilrechtlichen Schadensersatzes,
ausgenommen jedoch den Fall des Notstandes.
Wird ein Kabel beim Legen oder Ausbessern eines
anderen Kabels verletzt, so hat der Eigentümer
dieses anderen Kabels die Wiederherstellungskosten
zu tragen. Den mit vorschriftsmäßigen Signalen
versehenen Kabelschiffen, sowie den die Kabel-
arbeiten anzeigenden Bojen müssen andere Schiffe
fern bleiben. Schiffseigentümer, welche Anker,