Preßrecht
171
der durch die Presse begangenen strafbaren Hand-
lungen (vgl. 8 22, EG z. GVG 86, StPpO 8 72,
§§T 477 ff vbd. mit StGB 5 42) ist hier nur zu
erwähnen das Verbot polizeilicher Strafver-
fügungen [IJ| bei Uebertretungen, #§ 29, sowie
die besondere Regelung der Beschlagnahme (M in
5##D 23 ff, die beide nach § 5 EcG z. St P fortgelten.
1. Die Voraussetzungen der Beschlag-
nahme sind in der St PO s# 94 ff abschließend
(PreßG # 1) geregelt. Es muß also stets der Ver-
dacht einer strafbaren Handlung vorliegen, die
durch die Verbreitung der Druckschrift begangen
wird, und deren Tatbestand durch den Inhalt
(5 15 ff, 20 ff) oder die Form (## 6 ff) oder
den Akt der Verbreitung (I#§# 14, 28) gegeben ist.
Die Handlung muß ferner schon bis zum Versuche
gediehen sein, der aber schon in der Herstellung
(Drucklegung) zu finden ist (bestritten). Dagegen
ist eine Beschlagnahme als vorbeugende Maßregel
schlechthin unzulässig. Auch wo die Verbreitung
von Druckschriften gewerbepolizeilichen Vorschrif-
ten zuwiderläuft (oben # 3 II, III), ist eine Be-
schlagnahme unzulässig, da weder § 40 StohB (Ver-
brechen oder Vergehen) noch §& 41 das. (strafbarer
Inhalt) zutrifft und folglich § 94 St PO keine An-
wendung findet.
2. Die richterliche Beschlagnahme von Druck-
schriften folgt lediglich der St PO (s. aber unten
Nr. 3). Dagegen ist die Beschlagnahme ohne
richterliche Anordnung, die von der
Staatsanwaltschaft oder den ihr als Hilfsbeamten
zugeordneten Polizei= und Sicherheitsbeamten
bei Gefahr im Verzuge angeordnet werden kann,
St PO # 981, gegenüber Abs 2 und 3 das. durch
die §#§ 23 ff mehrfach privilegiert. Der Grund
liegt in dem Mißbrauch, den in früherer Zeit die
Polizei vielfach mit der Beschlagnahme getrieben
hat, um mißliebige Zeitungen zu unterdrücken.
a) Die Beschlagnahme darf nur bei ganz be-
stimmten Delikten angeordnet werden, nämlich
beim Mangel der Personenangaben (oben 8 4),
bei der Verbreitung gegen ein Verbot des RK.
(oben #& 7), ferner bei Veröffentlichungen über
Truppenbewegungen nach Verbot in Kriegszeiten,
Aufforderung zum Hochverrat, Mgojestätsbelei-
digung i. e. S. und unzüchtigem Inhalt der Schrift,
sowie bei Aufforderung zu strafbaren Handlungen
und Aufreizung zum Klassenhaß, hier aber nur bei
dringender Gefahr eines Verbrechens oder Ver-
ehens im Verzuge. Bei allen anderen Delikten,
Feüent Verrat von Staatsgeheimnissen und Gottes-
lästerung, ist richterliche Anordung erforderlich.
b) Die richterliche Bestätigung muß in jedem
Falle beantragt werden, und zwar binnen 24 Stun-
den. Hat die Polizei beschlagnahmt, so muß sie
ihre Anträge binnen 12 Stunden bei der Staats-
anwaltschaft und diese binnen weiterer 12 Stun-
den beim Gericht stellen.
c) Wenn bis zum Ablaufe des fünften Tages
nach der Anordnung der Beschlagnahme die be-
stätigende richterliche Entscheidung bei der anord-
nenden Behörde nicht eingelaufen ist, erlischt die
Beschlagnahme von selbst.
d) Gegen die Aufhebung der Beschlagnahme
findet kein Rechtsmittel statt landers St PO # 346).
Bei Bestätigung muß binnen 2 Wochen die Straf-
verfolgung in der Hauptsache eingeleitet werden,
d. h. die Voruntersuchung oder das Hauptver-
fahren eröffnet oder der Termin im obiektiven
Verfahren bestimmt werden, St PO s 168, 182,
205, 477 f. Anderenfalls ist die Beschlagnahme
durch Gerichtsbeschluß von Amts wegen wieder
aufzuheben.
3. Für alle Fälle der Beschlagnahme, auch die
vom Richter angeordnete, gilt die Beschrän-
kung, daß die sie veranlassenden Stellen zu be-
zeichnen sind, um einen Neudruck ohne sie (vgl.
§l .281) zu ermöglichen, und daß abtrennbare Teile
(Beilagen usw.) von der Beschlagnahme auszu-
schließen sind. Andererseits können, um den Neu-
druck der veranlassenden Stellen zu verhindern,
die dazu gebrauchten Formen und Platten be-
schlagnahmt werden. Bei Druckschriften i. e. S.
kann statt der letzteren Maßregel auf Antrag das
Ablegen des Satzes erfolgen, # 2771 (vgl. StGB
# 41 Abs 1 und 3). .
i4. Die Wirkung der Beschlagnahme erstreckt
sich auf das ganze Reich und besteht in der Be-
fugnis der Exekutivbeamten alle Exemplare, die
noch zur Verbreitung bestimmt sind (im Gegen-
satze zu den in privater Hand befindlichen), in
Besitz zu nehmen, § 271 (ugl. StGB #l f 41).
Die Beschlagnahme begründet ferner ein Verbot,
die noch nicht in Besitz genommenen Exemplare
(öffentlich, oben s§ 2 III) zu verbreiten oder die
veranlassenden Stellen wieder abzudrucken (auch
in anderen Zeitungen), # 28.
8 9. IV. Schutzgebiete 1).
Eine Gewährleistung der Preßfreiheit ist erst
durch die V des Reichskanzlers v. 15. 1. 12 (Kol Bl
Nr. 3 S 69) erfolgt, mit Wirksamkeit v. 1. 4. 12
ab. Bis dahin hatte — abgesehen von Ostafrika
(V d. Gouv. v. 25. 3. 99) und für Veröffent-
lichungen über Truppenbewegungen während des
Aufstandes in Südwestafrika (V d. Gouv. v. 10.
8. 04, beide Kolon Gg 8, 210) — das Reichspreß G
von 1874 nur in seinen dem Strafrecht und dem
Strafverfahren angehörenden Vorschriften Geltung
(53 Sch), &19 Z. 2 Kons. G#h d. i. bezüglich der
Verantwortlichkeit für strafbare Handlungen, die
durch die Presse begangen sind, der Verjährung, der
Strafverfolgung, der Beschlagnahme und der
ausschließlichen Zuständigkeit zur Aburteilung von
Preßdelikten durch Gerichte, nicht durch Ver-
waltungsbehörden (3& 20—29 PreßG). Hieran
ist auch jetzt nichts geändert worden (5 20 V). Im
übrigen, also für Preßgewerbe= und Preßpolizei-
recht, hatte die Verwaltung freie Hand. Das ist
durch die V v. 1912 großenteils geändert.
Die Verordnung von 1912 ist jedoch nicht auch
für Kiautschou (Nj erlassen!
Das neue Recht übernimmt nahezu wörtlich die
einschlagenden Bestimmungen des R reß
6& 1—19, namentlich den Grundsatz der Preß-
freiheit loben § 2). Für den Gewerbebetrieb
blieben die Vorschriften des Kolonialrechts maß-
gebend (§ 4 Abs 2 d. V). Bezüglich der Preß-
polizei gilt im wesentlichen das Recht der Heimat.
Den abweichenden Verhältnissen trägt § 14 Abs 1
Rechnung: „Die öffentliche Verbreitung von
Druckschriften, die geeignet sind, Eingeborene zu
Gewalttätigkeiten gegen Weiße anzureizen, ist
verboten“. Für das Verbot der Verbreitung aus-
ländischer Druckschriften loben §& 7) ist die Frist
von 2 auf 6 Monate erstreckt; die in den Kolonien
erscheinenden Zeitungen können jedoch für das
1) Verfaßt von Fleischmann.