Preußen (B. Behördenorganisation)
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der jederzeit gegen Wartegeld zur Disposition ge-
stellt werden kann. Der Landrat wird vom Könige
ernannt, der Kreistag, ausgenommen in der Pro-
vinz Posen [JIl hat nur das Recht, geeignete Per-
sonen, die die Befähigung zum höheren Justiz= oder
Verw-Dienste besitzen oder dem Kreise durch
Grundbesitz oder Wohnsitz angehören und sich im
Vorbereitungsdienste als Referendar oder in der
Selbstverwaltung bewährt haben, dem Könige zur
Ernennung vorzuschlagen. Als Vertreter des Land-
rates kommen in betracht die beiden vom Kreis-
tage unter Bestätigung des Oberpräsidenten ge-
wählten Kreisdeputierten, der dem Landrate bei-
gegebene Reg Assessor und für kürzere Behinde-
rungsfälle, jedoch nicht im Vorsitze des Kreisaus-
schusses, der Kreissekretär.
Der Landrat ist beteiligt bei der Militärverwal-
tung in der Kreisersatzkommission, bei der Ver-
waltung der direkten Steuern, der Kommunalauf=
sicht über das flache Land, er ist die höhere Instanz
über der Ortspolizei des flachen Landes, übt diese
in Hannover selbst, beaufsichtigt sie auch in den
Städten, hat einzelne Zweige der Polizei, wie die
Jagdpolizei (#U unmittelbar.
II. Der Kreisausschusß, bestehend aus dem
Landrate oder seinem Vertreter und sechs Ehren-
beamten, ist nicht nur die kommunale VerwBehörde
des Kreises, sondern gleichzeitig Verw Gerichte und
Beschlußbehörde erster Instanz.
III. In den selbständigen Stadtkreisen tritt
an die Stelle des Landrates der erste Bürger-
meister, an die Stelle des Kreisausschusses als
Verwericht und Beschlußbehörde der Stadtaus-
schuß, bestehend aus dem Bürgermeister und vier,
vom kollegialen Magistrate aus seiner Mitte oder,
wo ein solcher nicht besteht, der Gemeindevertre-
tung aus den Gemeindebürgern auf die Dauer
des Hauptamtes bezw. auf sechs Jahre mit alter-
nierendem Ausscheiden gewählten Mitgliedern.
IV. In Hohenzollern (NI, wo an Stelle der Kreise
Oberämter bestehen, tritt an die Stelle des Land-
rates der Oberamtmann, der ohne Vorschlagsrechte
vom Könige ernannt wird, an die Stelle des Kreis-
ausschusses der nach gleichen Grundsätzen wie die-
ser gebildete Amtsausschuß.
§s 4. Der Regierungsbezirk ( Bezirkl.
I. Die Organisation beruht auf dem Publikan=
dum vom 30. 4. 1815 und der Reg Instr v. 23. 10.
1817 mit Ergänzungen durch die Kab O v. 31. 12.85.
Für die Abgrenzung zwischen Justiz und Ver-
waltung sind die Bestimmungen der V v. 26. 12.
1808 in Kraft geblieben und auf die später er-
worbenen Gebiete ausgedehnt, nur für die Rhein-
provinz gilt das rheinische Ressortreglement v.
20. 7. 1818. Zu diesen älteren Bestimmungen
mit Gesebescharalter kommen die des LVG v.
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Das preußische Staatsgebiet zerfällt in Reg-
Bezirke: Schleswig-Holstein bildet einen, sonst jede
Provinz zwei bis sechs, Hohenzollern den Reg Bezirk
Sigmaringen, Berlin (M hat eine Sonderstellung.
Die Bezirksgrenzen sind nicht gesetzlich festgelegt,
soweit sie nicht gleichzeitig solche eines kommuna-
len Verbandes sind. Der Reg Bezirk ist nur Bezirk
der allgemeinen Landesverwaltung. Selbst wo
das Gebiet sich mit einem Kommunalverbande
deckt (Schleswig-Holstein, Bezirksverbände Kassel
und Wiesbaden, Hohenzollern), steht die kommu-
nale Organisation mit der Bezirksverwaltung
außer Zusammenhang.
Die Verwaltung führt die kollegiale Regierung.
Sie besteht aus dem Reg Präsidenten als Vor-
sitzendem, den Oberregierungsräten als Vorsitzen-
den der einzelnen Abteilungen, dem Oberforst-
meister, der Mitdirigent der Abteilung für Do-
mänen und Forsten ist, den Reg Räten, die ent-
weder die Prüfung für den höheren Verwoienst
oder als Justitiare den für den höheren Justiz-
dienst bestanden haben müssen, den technischen
Räten (geistlichen, Schul-, Medizinal-, Bau= und
Forsträten) und den Regssessoren als Hilfsar-
beitern. Sämtliche Mitglieder der Regierung sind
unmittelbare Staatsbeamte, der og Prastdem
ist politischer Beamter (/ Beamtel.
Die Regierung ist gewöhnlich durch ihre Ab-
teilungen tätig. Deren gab es anfangs vier, für
Inneres, für Kirchen= und Schulwesen, für Do-
mänen, Forsten und direkte Steuern und für in-
direkte Steuern. An die Stelle der letztgenannten
7 allgemein die Provinzialsteuerdirektionen,
etzt Oberzolldirektionen getreten. Das Landes-
verwaltungsgesetz erklärt außerdem, um neben
dem durch VerwGerichtsbarkeit und Beschlußver-
fahren verstärkten individuellen Rechtsschutze auch
ie Exekutive zu stärken, die Abteilung des Innern
für aufgehoben, ihre Angelegenheiten sollten künf-
tig vom Reg Präsidenten allein bearbeitet werden,
die ihm beigegebenen Beamten nach seinen An-
weisungen handeln. Tatsächlich ist dadurch die Ab-
teilung des Innern aus einer kollegialen in eine
bureaukratische unter Leitung des Reg Präsidenten
verwandelt.
Bei einigen kleineren Regierungen erschien eine
Abteilungsbildung überflüssig. In den Angelegen-
heiten des Innern entscheidet aber auch hier der
Reg Präsident allein.
Die Regierung hat eine allgemeine Zuständig-
keit für alle Angelegenheiten, für die keine beson-
deren Behörden bestehen. Bei Verteilung der
Geschäfte unter die einzelnen Abteilungen besteht
eine ähnliche Vermutung für das Innere, also
jetzt für den Regierungspräsidenten.
Grundsätzlich beschließen die einzelnen Abtei-
lungen. Dem Plenum, das kollegial beschließt, auch
wennes sich um Angelegenheiten der früheren Ab-
teilung des Innern handelt, sind nur gewisse Ange-
legenheiten vorbehalten, wie Gesetzentwürfe und
allgemeine neue Einrichtungen, Ausschreibung all-
gemeiner Anlagen, Berichte an die Ministerien
über neue Grundsätze und Einrichtungen, die Durch-
führung neuer Einrichtungen, Abweichung von
bestehenden Grundsätzen, Meinungsverschieden-
heiten zwischen verschiedenen Abteilungen, Beam-
tenangelegenheiten, insbesondere Disziplinarsa-
chen (I) und was sonst Präsident oder Abteilungs-
dirigenten dem Plenum zuschreiben.
Nach dem Grundsatze der Dezentralisation ent-
scheiden die Regierungen in der Regel selbständig.
Nur in einzelnen, besonders wichtigen Fällen haben
sie durch Vermittlung des Oberpräsidenten an
das Min oder bloß an den Oberpräsidenten zu
berichten und Verhaltungsmaßregeln einzuholen.
II. In engster Verbindung mit der Regierung
steht der Bezirksausschuß. Er ist erwachsen
aus zwei Behörden, die die Provinzialordnung
von 1875 geschaffen hatte, dem Bezirksverwal-
tungsgerichte unter einem Verwerichtsdirektor
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