Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Privatangestelltenversicherung 
  
die Kritik rügte, daß die Interessen der bereits be- 
stehenden privaten Fürsorgeeinrichtungen für A 
nicht genügend gewahrt seien. Der endgültige 
Entwurf ist dem RT am 20. 5. 11 vorgelegt wor- 
den. Die Beratung ging überaus rasch vorwärts, 
so daß bereits am 5. 12. 11 die dritte Lesung statt- 
fand, die mit der einstimmigen Annahme des Ent- 
wurfs endigte. Das Gesetz — v. 20. 12. 11 (Rl 
989 ff) — ist im vollen Umfange am 1. 1. 13 
(Rl 1912, 533) in Kraft getreten. 
§& 2. Bersicherungspflicht. Die Versiche- 
rungspflicht erfaßt alle männlichen und 
weiblichen „Angestellten“ vom vollendeten 16. Le- 
bensjahr an, sofern sie nicht berufsunfähig sind, 
gegen Entgelt als Abeschäftigt werden, ein Jahres- 
arbeitsverdienst von höchstens 5000 Mk. beziehen 
und beim Eintritt in die versicherungspflichtige 
Beschäftigung das Alter von 60 Jahren über- 
schritten haben. Den Begriff des „Angestellten“ 
hat das Gesetz nicht bestimmt. Es begnügt sich 
den Personenkreis in Anlehnung an 5 1226 RVO 
dadurch abzugrenzen, daß es als versicherungs- 
pflichtig sechs Gruppen von Personen er- 
klärt: A in leitender Stellung, wenn diese Be- 
schäftigung ihren Hauptberuf bildet; Betriebs- 
beamte, Werkmeister und andere A in einer ähn- 
lich gehobenen oder höheren Stellung ohne Rück- 
sicht auf ihre Vorbildung, Bureau A, soweit sie 
nicht mit niederen oder lediglich mechanischen 
Dienstleistungen beschäftigt werden, sämtlich, wenn 
diese Beschäftigung ihren Hauptberuf bildet; Hand- 
lungsgehilfen und Gehilfen in Apotheken; Büh- 
nen- und Orchestermitglieder ohne Rücksicht auf 
den Kunstwert der Leistungen; Lehrer und Er- 
zieher; Kapitäne, Offiziere des Decks- und Ma- 
schinendienstes, Verwalter und Verw#Assistenten 
sowie die in einer ähnlich gehobenen oder höheren 
Stellung befindlichen A ohne Rücksicht auf ihre 
Vorbildung sämtlich, wenn diese Beschäftigung 
ihren Hauptberuf bildet. Als entgeltliche Beschäf- 
tigung gilt nicht nur diejenige, für die der A Ge- 
halt oder Lohn bezieht, sondern auch diejenige, für 
die er statt des Gehalts oder Lohnes oder neben 
ihm Sach= und andere Bezüge (Weihnachtsge- 
schenke, Gratifikationen, Dividenden, Tantiemen, 
Provisionen, Gewährung von Materialien u. a. 
m.), wenn auch nur gewohnheitsmäßig, erhält. 
Wird nur freier Unterhalt gewährt, so ist keine 
versicherungspflichtige Beschäftigung gegeben. 
Auch die Beschäftigung eines Ehegatten durch den 
anderen begründet keine Versicherungspflicht. 
Die Staatsangehörigkeit des im 
Inlande A ist ohne Belang. Deutsche, die in aus- 
ländischen Niederlassungen inländischer Betriebe 
beschäftigt werden, werden dann versicherungs- 
pflichtig sein, wenn sie in einem unmittelbaren 
Vertragsverhältnis zu dem inländischen Betrieb 
stehen oder wenn sich die Tätigkeit im Ausland 
auf die Ausführung einer ganz bestimmten Arbeit 
beschränkt. Die Schutzgebiete gelten für den 
Versicherungszwang als Ausland. Deutsche, die 
bei einer amtlichen Vertretung des Reichs oder 
eines Bundesstaats im Ausland oder bei deren 
Leitern oder Mitgliedern beschäftigt sind, sind ver- 
sicherungspflichtig. Bek des Reichskanzlers v. 11. 
1. 13 (Rol 18). 
Dem Bh#ist die Befugnis zugesprochen, die 
Vers Pflicht auf solche Personen zu erstrecken, die 
eine ähnliche Tätigkeit wie die eben ge- 
  
nannten auf eigene Rechnung ausüben, 
ohne in ihrem Betriebe A zu beschäftigen. 
Der B hat ferner bestimmt (Bek d. Reichskanz- 
lers v. 29. 6. 12 (Rc#l 407), daß die deutschen 
Bediensteten ausländischer Staaten und solcher 
Personen, welche nicht der inländischen Gerichts- 
barkeit unterstehen („Exterritoriale" AJ), die Pflich- 
ten der Arbeitgeber zu erfüllen haben. 
In verschiedenen Fällen tritt VersFreiheit 
ein; so bei Staats-, Gemeindebeamten, Geistlichen, 
Aerzten, bei gewissen A, für die bereits ander- 
weitig gesorgt ist u. a. m. Bek d. Reichskanzlers 
v. 29. 6. 12 (Röl 405), v. 30. 9. 12 (Archiv f. 
Reichsversicherung 191), Gesetz vom 22. Juli 1913 
(Renl 1913, 600) n. Bek d. Reichskanzlers v. 18. 
8. 13 (Zentralblatt f. d. Deutsche Reich Nr. 41). 
Der VersPflicht steht die Vers Berech- 
tigung in der Form der freiwilligen Fortset- 
zung oder Aufrechterhaltung der Vers, der Vers 
in einer höheren als dem Jahresarbeitsverdienst 
entsprechenden Gehaltsklasse oder in der Form 
der während einer Uebergangszeit zulässigen frei- 
willigen Selbst Vers gegenüber. 
Ueber den Kreis der versicherten Personen 
gibt die Anleitung des Direktoriums der Reichs VerfAn- 
stalt für A v. 20. 6. 12 eingehende Auskunft. 
8 3. Versicherungsträger. Träger der 
Versicherung ist die dem Reichsamt des 
Innern unterstellte Reichsversicherungs- 
anstalt für Angestellte zu Berlin; sie 
ist eine rechtsfähige, öffentliche Behörde. Das 
Vermögen der Reichs Verf Anstalt darf nur in 
ganz bestimmten Werten angelegt werden. Sämt- 
liche Besoldungen, Pensionen und sonstigen 
Dienstbezüge ihrer Beamten und A trägt die 
Reichsversicherungsanstalt. 
Organe der Anstalt sind: a) das Direk- 
torium, das aus einem Präsidenten, beam- 
teten Mitgliedern und je zwei Vertretern der ver- 
sicherten A und ihrer Arbeitgeber (nichtbeamtete 
Mitglieder) besteht. Der Präsident, die beamteten 
Mitglieder und die sonstigen höheren etatsmäßigen 
Beamten werden vom Kaiser auf Vorschlag des 
B nach Anhörung des Verwats auf Lebenszeit 
ernannt. Sie haben die Rechte und Pflichten 
der Reichsbeamten. Die nichtbeamteten Mitglie- 
der wählt der Verwat auf sechs Jahre. Das 
Direktorium, dem die gerichtliche und außergericht- 
liche Vertretung der Anstalt obliegt, faßt seine 
Beschlüsse nach Stimmenmehrheit; bei der Be- 
schlußfassung müssen die beamteten Mitglieder 
stets in der Mehrzahl sein. Seine Geschäftsfüh- 
rung wird durch eine vom RK zu erlassende Ge- 
schäftsordnung geregelt. 
b) Der Verwaltungsrat wird durch 
den Präsidenten des Direktoriums (oder seinen 
Stellvertreter) und mindestens je 12 Vertreter 
der versicherten A und ihrer Arbeitgeber gebildet. 
Die Vertreter der Arbeitgeber und Angestellten 
werden nach den Grundsätzen der Verhältniswahl 
von den Vertrauensmännern auf Grund der 
WahlO v. 22. 10. 12 (Roehl 513) auf sechs Jahre 
gewählt. Die Mitglieder des Verwrats und die 
nichtbeamteten Mitglieder des Direktoriums ver- 
walten ihr Amt als Ehrenamt. Der Verwat 
hat das Direktorium bei Vorbereitung wichtiger 
Beschlüsse gutachtlich zu beraten. Seiner Beschluß- 
fassung bleibt insbesondere vorbehalten die Fest- 
setzung des Voranschlags, die Abnahme des Rech-
	        
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