Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Privilegium 
  
gemäß nach seinem Inhalt. Derselbe ist, wie bei 
jedem Gesetz durch Interpretation zu ermitteln. 
In erster Linie entscheidet also der Wortlaut, 
ferner aber der Grund und Zweck des P. Nach 
Maßgabe des festgestellten Inhalts kann der Pri- 
vilegierte von dem P. Gebrauch machen, also das 
ihm erteilte Recht ausüben, die Pflicht zu Leistun- 
gen ablehnen usw. Konkurrieren mehrere P 
und Privilegierte, so geht das unbeschränkte dem 
beschränkteren, das spezielle dem allgemeinen 
vor. Die Wirkungen eines Privilegiums treten 
ohne Zutun des Berechtigten ein. Eine Ver- 
pflichtung des Privilegierten, von seinem P. 
Gebrauch zu machen, besteht jedoch nicht, soweit 
es sich um bloße Berechtigungen handelt, welche 
in seinem Interesse gewährt sind und deren Aus- 
übung und Nichtausübung lediglich für ihn Be- 
deutung hat. Dagegen liegt eine solche Verpflich- 
tung allerdings vor, wenn das P. im öffentlichen 
Interesse gegeben und von diesem Gesichtspunkte 
aus eine besondere, von dem gemeinen Rechte 
abweichende Regelung bestimmter Verhältnisse 
durch dasselbe getroffen worden ist. Dies hat für 
das Gebiet des staatlichen Rechts, da die P. heute 
für dasselbe eine geringere Bedeutung beanspru- 
chen, keine wesentliche Bedeutung mehr, wohl aber 
für das Gebiet der katholischen Kirche, in welcher 
die sonst den regelmäßigen Behörden zustehenden 
Rechte, z. B. die der bischöflichen Leitungsgewalt, 
mitunter durch P. anderen geistlichen Würden- 
trägern, so den sog. praelati nullius, übertragen 
sind und bei Nichtausübung solcher Befugnisse 
eine Lücke in dem Regierungsorganismus ent- 
stehen würde. 
5 6. Untergang und Aufhebung. Das P. kann 
erlöschen: 1. aus Gründen, welche in dem P. 
selbst oder in der Art seiner Erteilung liegen. Ein 
Beispiel für das erstere bildet das Zusammenfallen 
des persönlichen P. durch Tod der begünstigten 
physischen oder durch Fortfall der berechtigten 
juristischen Person oder des dinglichen P. durch 
Untergang der Sache, an welcher es haftet. Unter 
den zweiten Gesichtspunkt gehört das Erlöschen 
des auf die Lebensdauer des Erteilers oder auf 
seinen Widerruf (usque ad beneplacitum conce- 
dentis) gewährten P., wenn einer dieser Fälle 
eintritt. Der richtigen Ansicht nach führt aber, 
ebensowenig wie bei allgemeinen Gesetzen, der 
Umstand, daß der für die Erteilung des P. allein 
maßgebend gewesene Grund fortfällt, eine Be- 
seitigung des P. herbei. 
2. Das P. geht auch durch Widerruf, d. h. 
jeden auf die Beseitigung desselben gerichteten 
Willensakt des Gesetzgebers unter, selbst wenn 
Widerruf nicht von ihm vorbehalten worden ist. 
Wenngleich es die materielle Gerechtigkeit erfor- 
dert, daß der Gesetzgeber den Widerruf nicht aus 
bloßer Laune oder Willkür eintreten läßt, so ist 
es doch ungerechtfertigt, das Vorhandensein einer 
begründeten Ursache als rechtliches Erfordernis 
der Gültigkeit des Widerrufs hinzustellen. Das 
Kirchenrecht kennt keinen Anspruch des Privile- 
ierten auf Entschädigung wegen Entziehung des 
g. (c. 24 X 5, 33) und läßt ohne weiteres die 
Entziehung wegen Mißbrauchs zu: „privilegium 
meretur amittere, qui permissa sibi abutitur 
potestate“. Für das staatliche Recht wird ein 
Anspruch mehrfach für die Fälle, wo das P. nicht 
wegen Mißbrauchs und ohne Vorbehalt des Wi- 
  
  
derrufes entzogen ist, behauptet. Auch dies geht 
zu weit. Wie der Gesetzgeber befugt ist, die in der 
allgemeinen Rechtsordnung begründeten Privat- 
und Vermögensrechte ohne Entschädigung aufzu- 
stellen, so ist er auch berechtigt, dies in betreff der 
P. zu tun. (vgl. Dernburg, Pand. I, 2001). 
Allerdings können auch die durch P. begründeten 
subjektiven Berechtigungen Gegenstand der Ex- 
propriation sein und dann gelten selbstverständlich 
in betreff der Entschädigung [NI die für dieselbe 
in Frage kommenden Rechtsnormen. Für das 
konstitutionelle Staatsrecht entsteht aber die 
weitere Frage, ob da, wo der Landesherr oder 
eine Behörde zur Erteilung von P. berechtigt ist, 
diese auch ohne weiteres durch ihn oder die letz- 
tere aufgehoben werden können. Diese Frage 
wird zu verneinen sein, da das vorbehaltene oder 
delegierte Recht der Erteilung nicht von selbst 
auch das Recht des Widerrufes umfaßt. Der 
Widerruf durch den Gesetzgeber kann ausdrücklich 
und speziell oder durch eine generelle Klausel 
erfolgen. Auf dem Gebiete des Kirchenrechts sind 
die Klauseln üblich: non obstantibus quibus- 
cunque privilegiis oder auch die verstärkte: „vel 
quacunque verborum forma conceptis ober 
etiamsi eorum mentio ad verbum fieri deberet“. 
Nur dann ist ein ausdrücklicher Widerruf nach dem 
Kirchenrecht erforderlich, wenn das P. von vorn- 
herein unter der Bedingung erteilt ist, daß es zu 
seiner Beseitigung einer besonderen Erwähnung 
bedarf, weil hier eine freilich ebenfalls durch ge- 
setzggeberischen Akt zu beseitigende, aber ohne 
einen solchen fortgeltende Norm über die Form 
des Widerrufs vorliegt. Gleichgültig ist es aber 
jedenfalls, ob der Widerruf durch einen speziell 
darauf gerichteten Akt oder in einem allgemeinen 
Gesetz ausgesprochen ist. Ueber die Publikation 
und die Wirksamkeit des Widerrufs gelten die- 
selben Grundsätze, wie für den das P. begründen- 
den Akt. Nur wenn derselbe in allgemeinen Ge- 
setzen enthalten ist, kommen die für solche in der 
gedachten Hinsicht maßgebenden Regeln zur An- 
wendung. 
3. Wenn man früher vielfach auch ein Erlöschen 
des P. durch Verzicht angenommen hat, so 
war dies eine Verwechselung der Beseitigung 
des P. als solchen und des durch das P. etwa 
begründeten subjektiven Rechts [ Oesfentliche 
Rechtel. Der Wille des Begünstigten vermag 
die im P. liegende Anordnung des Gesetzgebers 
niemals aufzuheben, vielmehr kann durch diesen 
nur das Produkt derselben, die für den Privi- 
legierten entstandene subjektive Berechtigung 
oder Befreiung, beseitigt, andererseits aber auch 
derselbe Erfolg durch sonstige Gründe, welche 
im übrigen Rechte des gleichen Charakters wie 
das durch das P. entstandene zur Erlöschung 
bringen können, so durch Nichtgebrauch, durch 
usucapio libertatis und Acquisitivverjährung her- 
beigeführt werden. Die Statthaftigkeit des Ver- 
zichtes insbesondere bleibt aber dadurch bedingt, 
daß das P. nicht im öffentlichen Interesse gegeben 
und der Begünstigte zur Ausübung desselben 
nicht verpflichtet ist. Eine Annahme des an sich 
zulässigen Verzichtes bedarf es für die Regel nicht, 
da die P. in den meisten Fällen nur einseitige 
Berechtigungen gewähren. Nur wenn ausnahms- 
weise mit diesen (z. B. bei einem päpstlich verliehe- 
nen Patronatrechte) Lasten verbunden sind, ist
	        
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