Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Rechtsanwalt 
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er zugelassen ist, als Prozeßbevollmächtigter, im 
Strafprozeß vor jedem Gericht als Verteidiger, 
außerdem aber in dem erwähnten Umfange als 
Beistand auftreten. Außerhalb des Anwendungs- 
gebietes der in & 26 genannten Gesetze haben die 
u. zwar keine besonderen Befugnisse zum Auf- 
treten, sind davon aber auch nicht ausgeschlossen. 
In gewissen Fällen sind ihnen Vorrechte einge- 
räumt: vor dem Patentamt, vor den Versicherungs- 
ämtern, vor der Disziplinarkammer und dem 
Disziplinarhofe über Reichsbeamte, vor den 
Militärgerichten u. dgl. (Gebühren unten 5 6 a. E.) 
II. Der R. ist andererseits verpflichtet, seine 
Berufstätigkeit gewissenhaft auszuüben und „durch 
sein Verhalten in Ausübung des Berufs sowie 
außerhalb desselben sich der Achtung würdig zu 
zeigen, die sein Beruf erfordert“ (5 28). Die all- 
gemeine Fassung ist nach dem Vorbilde des 8 10 
des Reichsbeamten G gewählt, nur daß hier an 
die Stelle der Amtspflichten die Berufspflichten 
treten. Die Pflicht zur gewissenhaften Ausübung 
der Berufstätigkeit und zu dem standeswürdigen 
Verhalten innerhalb und außerhalb der Ausübung 
des Berufs läßt sich erschöpfend nicht umgrenzen. 
Der R. soll niemals vergessen, daß er seinen 
Beruf als ein bei der Rechtspflege an wichtiger 
Stelle mitwirkendes Organ ausübt und deshalb 
seine Tätigkeit, wenn auch im Sopnderinteresse 
einer einzelnen Partei, so doch immer im Dienste 
des Rechts auszuüben hat. Diese öffentlich- 
rechtliche Seite seiner Pflichten verbietet ihm 
jeden Verstoß gegen die Zwecke der Rechtspflege; 
deshalb darf er nicht eine Tatsache behaupten, 
deren Unrichtigkeit er kennt, darf nicht trotz Kennt- 
nis der Schuld eines Angeklagten von seiner Un- 
schuld überzeugen wollen, hat auch alle der Er- 
forschung der Wahrheit dienenden Momente zu 
fördern. Privatrechtlich ist er verpflichtet, der von 
ihm vertretenen Partei nach Kräften zu nützen, 
jede Berufstätigkeit zu versagen, die gegen eine 
von ihm in der gleichen Rechtssache bereits ver- 
tretene Partei gewährt worden ist (5§ 31, Ziff. 2), 
unter Umständen auch darüber hinaus. Er ist der 
Partei gegenüber auch zur Verschwiegenheit ver- 
pflichtet (§300 StGB); das für ihn nach 8PO und 
St PO begründete Zeugnisverweigerungerecht er- 
möglicht ihm die Erfüllung dieser Pflicht. Oeffent- 
lich-rechtlich ist die Pflicht zur Bestellung einer 
Stellvertretung und Anzeige an den Vorsitzenden 
des Gerichts, bei dem er zugelassen ist, falls er 
sich über eine Woche hinaus von seinem Wohnsitze 
entfernen will (§ 29); seine Pflicht zur unentgelt- 
lichen Wahrnehmung der Rechte von Parteien, 
denen das Armenrecht bewilligt ist (§ 34), und 
zur Ausbildung von Referendaren (§ 40). Privat- 
rechtlich ist die Pflicht zur Aufbewahrung der Hand- 
akten (regelmäßig 5 Jahre) und der Herausgabe der 
Handakten auf Verlangen des Auftraggebers (532). 
III. Ueber die Arbeitsverhälmisse der K. Angestellten 
ist ein Reichsgesetz geplant. (Darüber u. U. im Nachtrage.) 
# 4. Anwaltskammern. Die innerhalb des 
Bezirks eines Oberlandesgerichts zugelassenen 
R. bilden eine Anwaltskammers: sie hat ihren Sitz 
am Orte des Oberlandesgerichts (F 41). Die An- 
waltskammer ist eine juristische Person; ihr Be- 
stand ist von der Zahl ihrer Mitglieder unab- 
hängig (5 41), sie ist Subjekt von Vermögens- 
rechten (5 49 Abs 1 Ziff. 5), ihren Mitgliedern 
stehen aber Anteile am Vermögen nicht zu (5( 94 
  
Abs 3). An der Spitze der Kammer steht ein 
Vorstand, je nach der Größe des Bezirks aus 
9—15 Mitgliedern. Jedes Mitglied der Kammer 
besitzt das aktive und passive Wahlrecht, das passive 
freilich mit einigen vom Gesetz (5 43) gegebenen 
Beschränkungen. Die Wahl des Vorstandes er- 
folgt auf 4 Jahre, jedoch scheidet alle 2 Jahre die 
Hälfte der Mitglieder aus (& 44). Der Vorstand 
wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden, einen 
Schriftführer und je einen Stellvertreter (§& 46). 
Sämtliche Mitglieder des Vorstandes üben die 
Tätigkeit ehrenamtlich aus; nur bare Auslagen 
werden erstattet (&+ 51). Der Vorstand übt die Auf- 
sicht über die Erfüllung der den Mitgliedern der 
Kammer obliegenden Pflichten aus (Heilberg, JW 
09, 705); er hat die ehrengerichtliche Strafgewalt zu 
handhaben, in Streitigkeiten unter den Mitgliedern 
der Kammer, sei es untereinander, sei es mit einem 
Auftraggeber, auf Antrag zu vermitteln: Gutach- 
ten auf Erfordern der Landesjustizverwaltung oder 
der Gerichte zu erstatten und das Vermögen der 
Kammer zu verwalten (§ 49); er hat das Recht, 
Vorstellungen und Anträge, die das Interesse der 
Rechtspflege oder der Rechtsanwaltschaft betreffen, 
an die Landesjustizverwaltung zu richten (§ 50). 
Der Vorstand ist bei Anwesenheit der Mehrheit 
seiner Mitglieder beschlußfähig, die Beschlüsse 
werden nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt 
(§54). Der Vorsitzende beruft die Versammlungen 
der Kammer durch öffentliche Bekanntmachungen. 
Der Vorsitzende führt den Vorsitz im Vorstande., 
und der Kammerversammlung und hat den ge- 
schäftlichen Verkehr der Kammer und des Vor- 
standes zu vermitteln, er bringt ihre Beschlüsse 
zur Ausführung und vollzieht die Urkunden im 
Namen der Kammer (5 57). 
Dem Schriftführer liegen die Kassengeschäfte 
ob mit der Berechtigung zur Empfangnahme von 
Geld, er vertritt auch die Kammer in Prozessen 
(5 57). Bei Ausübung seines Aufsichtsrechts darf 
der Vorstand Mitglieder der Kammer vor sich 
laden und zur Erzwingung seiner Anordnungen 
nach schriftlicher Androhung eine Geldstrafe bis 
zu 300 Mk. festsetzen (§ 58). 
Ueber den Geschäftsbetrieb des Vorstandes steht 
dem Präsidenten des Oberlandesgerichts die Auf- 
sicht zu (Beschwerde an ihn §959, JW 08, 419); ihm 
ist auch ebenso wie der Landesjustizverwaltung jähr- 
lich ein schriftlicher Bericht über die Tätigkeit der 
Kammer und des Vorstandes zu erstatten (Ueber- 
sicht über die Jahresberichte abgedruckt in der IW). 
Seine Aufgabe erschöoft sich jedoch in der Kontrolle 
darüber, daß der Vorstand in formeller Be- 
ziehung die ihm obliegenden Geschäfte betreibt, ins- 
besondere nicht durch Lässigkeit seine Pflichten ver- 
letzt (Motive S 76). Auf die materiellen Entschlie- 
ßungen kann er einen Einfluß nicht ausüben. Ge- 
setzwidrige Beschlüsse oder Wahlen sowohl der Kam- 
mer wie des Vorstandes können von dem Ober- 
landesgericht (nicht dem Präsidenten) aufgehoben 
werden, wobei der Landessjustizverwaltung die 
Bestimmung überlassen bleibt, in welcher Besetzung 
das Gericht zu befinden hat. 
Der Kammer liegt die Feststellung der Geschäfts- 
ordnung für die Kammer und Vorstand sowie die 
Bewilligung der Mittel zur Bestreitung des Auf- 
wandes, die Bestimmung des Beitrags der Mit- 
glieder sowie die Prüfung und Abnahme der 
von dem Vorstande zu legenden Rechnung ob 
 
	        
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