Rechtsanwalt
213
er zugelassen ist, als Prozeßbevollmächtigter, im
Strafprozeß vor jedem Gericht als Verteidiger,
außerdem aber in dem erwähnten Umfange als
Beistand auftreten. Außerhalb des Anwendungs-
gebietes der in & 26 genannten Gesetze haben die
u. zwar keine besonderen Befugnisse zum Auf-
treten, sind davon aber auch nicht ausgeschlossen.
In gewissen Fällen sind ihnen Vorrechte einge-
räumt: vor dem Patentamt, vor den Versicherungs-
ämtern, vor der Disziplinarkammer und dem
Disziplinarhofe über Reichsbeamte, vor den
Militärgerichten u. dgl. (Gebühren unten 5 6 a. E.)
II. Der R. ist andererseits verpflichtet, seine
Berufstätigkeit gewissenhaft auszuüben und „durch
sein Verhalten in Ausübung des Berufs sowie
außerhalb desselben sich der Achtung würdig zu
zeigen, die sein Beruf erfordert“ (5 28). Die all-
gemeine Fassung ist nach dem Vorbilde des 8 10
des Reichsbeamten G gewählt, nur daß hier an
die Stelle der Amtspflichten die Berufspflichten
treten. Die Pflicht zur gewissenhaften Ausübung
der Berufstätigkeit und zu dem standeswürdigen
Verhalten innerhalb und außerhalb der Ausübung
des Berufs läßt sich erschöpfend nicht umgrenzen.
Der R. soll niemals vergessen, daß er seinen
Beruf als ein bei der Rechtspflege an wichtiger
Stelle mitwirkendes Organ ausübt und deshalb
seine Tätigkeit, wenn auch im Sopnderinteresse
einer einzelnen Partei, so doch immer im Dienste
des Rechts auszuüben hat. Diese öffentlich-
rechtliche Seite seiner Pflichten verbietet ihm
jeden Verstoß gegen die Zwecke der Rechtspflege;
deshalb darf er nicht eine Tatsache behaupten,
deren Unrichtigkeit er kennt, darf nicht trotz Kennt-
nis der Schuld eines Angeklagten von seiner Un-
schuld überzeugen wollen, hat auch alle der Er-
forschung der Wahrheit dienenden Momente zu
fördern. Privatrechtlich ist er verpflichtet, der von
ihm vertretenen Partei nach Kräften zu nützen,
jede Berufstätigkeit zu versagen, die gegen eine
von ihm in der gleichen Rechtssache bereits ver-
tretene Partei gewährt worden ist (5§ 31, Ziff. 2),
unter Umständen auch darüber hinaus. Er ist der
Partei gegenüber auch zur Verschwiegenheit ver-
pflichtet (§300 StGB); das für ihn nach 8PO und
St PO begründete Zeugnisverweigerungerecht er-
möglicht ihm die Erfüllung dieser Pflicht. Oeffent-
lich-rechtlich ist die Pflicht zur Bestellung einer
Stellvertretung und Anzeige an den Vorsitzenden
des Gerichts, bei dem er zugelassen ist, falls er
sich über eine Woche hinaus von seinem Wohnsitze
entfernen will (§ 29); seine Pflicht zur unentgelt-
lichen Wahrnehmung der Rechte von Parteien,
denen das Armenrecht bewilligt ist (§ 34), und
zur Ausbildung von Referendaren (§ 40). Privat-
rechtlich ist die Pflicht zur Aufbewahrung der Hand-
akten (regelmäßig 5 Jahre) und der Herausgabe der
Handakten auf Verlangen des Auftraggebers (532).
III. Ueber die Arbeitsverhälmisse der K. Angestellten
ist ein Reichsgesetz geplant. (Darüber u. U. im Nachtrage.)
# 4. Anwaltskammern. Die innerhalb des
Bezirks eines Oberlandesgerichts zugelassenen
R. bilden eine Anwaltskammers: sie hat ihren Sitz
am Orte des Oberlandesgerichts (F 41). Die An-
waltskammer ist eine juristische Person; ihr Be-
stand ist von der Zahl ihrer Mitglieder unab-
hängig (5 41), sie ist Subjekt von Vermögens-
rechten (5 49 Abs 1 Ziff. 5), ihren Mitgliedern
stehen aber Anteile am Vermögen nicht zu (5( 94
Abs 3). An der Spitze der Kammer steht ein
Vorstand, je nach der Größe des Bezirks aus
9—15 Mitgliedern. Jedes Mitglied der Kammer
besitzt das aktive und passive Wahlrecht, das passive
freilich mit einigen vom Gesetz (5 43) gegebenen
Beschränkungen. Die Wahl des Vorstandes er-
folgt auf 4 Jahre, jedoch scheidet alle 2 Jahre die
Hälfte der Mitglieder aus (& 44). Der Vorstand
wählt aus seiner Mitte einen Vorsitzenden, einen
Schriftführer und je einen Stellvertreter (§& 46).
Sämtliche Mitglieder des Vorstandes üben die
Tätigkeit ehrenamtlich aus; nur bare Auslagen
werden erstattet (&+ 51). Der Vorstand übt die Auf-
sicht über die Erfüllung der den Mitgliedern der
Kammer obliegenden Pflichten aus (Heilberg, JW
09, 705); er hat die ehrengerichtliche Strafgewalt zu
handhaben, in Streitigkeiten unter den Mitgliedern
der Kammer, sei es untereinander, sei es mit einem
Auftraggeber, auf Antrag zu vermitteln: Gutach-
ten auf Erfordern der Landesjustizverwaltung oder
der Gerichte zu erstatten und das Vermögen der
Kammer zu verwalten (§ 49); er hat das Recht,
Vorstellungen und Anträge, die das Interesse der
Rechtspflege oder der Rechtsanwaltschaft betreffen,
an die Landesjustizverwaltung zu richten (§ 50).
Der Vorstand ist bei Anwesenheit der Mehrheit
seiner Mitglieder beschlußfähig, die Beschlüsse
werden nach absoluter Stimmenmehrheit gefaßt
(§54). Der Vorsitzende beruft die Versammlungen
der Kammer durch öffentliche Bekanntmachungen.
Der Vorsitzende führt den Vorsitz im Vorstande.,
und der Kammerversammlung und hat den ge-
schäftlichen Verkehr der Kammer und des Vor-
standes zu vermitteln, er bringt ihre Beschlüsse
zur Ausführung und vollzieht die Urkunden im
Namen der Kammer (5 57).
Dem Schriftführer liegen die Kassengeschäfte
ob mit der Berechtigung zur Empfangnahme von
Geld, er vertritt auch die Kammer in Prozessen
(5 57). Bei Ausübung seines Aufsichtsrechts darf
der Vorstand Mitglieder der Kammer vor sich
laden und zur Erzwingung seiner Anordnungen
nach schriftlicher Androhung eine Geldstrafe bis
zu 300 Mk. festsetzen (§ 58).
Ueber den Geschäftsbetrieb des Vorstandes steht
dem Präsidenten des Oberlandesgerichts die Auf-
sicht zu (Beschwerde an ihn §959, JW 08, 419); ihm
ist auch ebenso wie der Landesjustizverwaltung jähr-
lich ein schriftlicher Bericht über die Tätigkeit der
Kammer und des Vorstandes zu erstatten (Ueber-
sicht über die Jahresberichte abgedruckt in der IW).
Seine Aufgabe erschöoft sich jedoch in der Kontrolle
darüber, daß der Vorstand in formeller Be-
ziehung die ihm obliegenden Geschäfte betreibt, ins-
besondere nicht durch Lässigkeit seine Pflichten ver-
letzt (Motive S 76). Auf die materiellen Entschlie-
ßungen kann er einen Einfluß nicht ausüben. Ge-
setzwidrige Beschlüsse oder Wahlen sowohl der Kam-
mer wie des Vorstandes können von dem Ober-
landesgericht (nicht dem Präsidenten) aufgehoben
werden, wobei der Landessjustizverwaltung die
Bestimmung überlassen bleibt, in welcher Besetzung
das Gericht zu befinden hat.
Der Kammer liegt die Feststellung der Geschäfts-
ordnung für die Kammer und Vorstand sowie die
Bewilligung der Mittel zur Bestreitung des Auf-
wandes, die Bestimmung des Beitrags der Mit-
glieder sowie die Prüfung und Abnahme der
von dem Vorstande zu legenden Rechnung ob