Rechtsanwalt
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Die Zulässigkeit einer BegnadigungII Bd. IL, S 376]
ist streitig (Bayern und Sachsen lehnen ab); val. Syring, Is
1908, 27, Edner 1909, 637; Kaskel, Beanadigung im ehren-
gerichtl. Berfahren der freien Berufsstände 1911 (dafür).
46. Privatrechtliche Stellung (Negreßpflicht;
Gebühren).
I. Der Anwalt hat sein Verhalten nicht nur
mit seiner Person zu verantworten, sondern auch
mit seinem Vermögen. Denn aus der Ver-
pflichtung zur sachgemäßen Erfüllung der von
folgt nach den
seine Haftbarkeit für
Schaden. Er hat
einzutreten, und
ihm übernommenen
Grundsätzen des
den durch ihn etwa
für Vorsatz und
zwar nicht nur bei tatsächlicher Art, son-
dern auch bei einem falsche Rechtsansicht
verursachten Irrtum, wenn er damit gegen all-
gemein anerkannte Rechtsgrundsätze verstößt. Die
Ersatzpflicht erstreckt sich wie jede andere gemäß
55 249 ff BGB grundsätzlich auf Wiederherstellung
des früheren Zustandes, in jedem Falle auf vollen
Ersatz des Schadens. Da seine zivilrechtliche Ver-
bindlichkeit eine vertragliche ist, so regelte sich
seine Haftung bisher nach den allgemeinen Vor-
schriften (30 Jahre lang); erst seit R# v. 22. 5. 10
(R#l Nr. 26) verjährt der Anspruch einer Partei
auf Schadensersatz aus dem zwischen ihr und dem
R. bestehenden Vertragsverhältnisse in 5 Jahren.
II. Für seine Verufstaltigleit hat der R. An-
spruch auf Gebührenz:; sie regeln sich, soweit
ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten im
Rahmen der Zivilprozeßordnung, Strafprozeß-
ordnung und der Konkursordnung oder einer auf
ein solches Verfahren hinzielenden Tätigkeit in
Betracht kommt, nach den Vorschriften der Ge-
bühren O für R. v. 7. 7. 79/20. 5. 98 (Rnl
S 1876, 692), im übrigen nach den allgemeinen
Bestimmungen, die zum Teil durch Landesge-
bührenordnungen ergänzt sind. Alle Gebühren-
ordnungen bemessen das dem R. zustehende Ent-
gelt nicht nach dem Umfange der Leistung, son-
dern nach dem Werte des Gegenstandes, dem er
seine Tätigkeit widmet. Die für die verschiedenen
Wertstufen gesetzlich festgesetzten Taxzen kommen
als Einheitssätze mehrmals zur Anwendung. Die
Deutsche Gebührenordnung sieht insbesondere eine
Prozeßgebühr als Entgelt für den Geschäftsbe-
trieb einschließlich Information, eine Verhand-
lungsgebühr für die mündliche Verhandlung, eine
Vergleichsgebühr für die Mitwirkung bei einem
Vergleiche und eine Beweisgebühr vor. Grund-
satz ist, daß jede Gebühr nur einmal zum Ansatz
gelangt, so daß z. B. die Verhandlungsgebühr
nur einmal liquidiert werden darf, selbst wenn
viele mündliche Verhandlungen stattfinden. In
besonderen Fällen, z. B. im Wechsel-- oder Ur-
kundenprozeß, sind die Gebühren auf einen Teil
des Einheitssatzes beschränkt. In der Berufungs-
instanz erhöhen sich die Sätze um ½/16, in der
Revisionsinstanz um /16. I auch Gerichtskostenl.
Die Schreibgebühren (früher nach dem Umfang
des Schreibwerks bemessen) finden seit dem
1. 4. 10 (Novelle v. 1. 6. 09) ihre Abgeltung nach
Pauschsätzen, deren Höhe 200% der zum Ansatz
elangenden Gebühr, jedoch mit einer Beschrän-
ung nach oben und unten, beträgt.
Landesgebührenordnungen: Preußen:
Gv. 27. 9. 99 (GE# 325) und 21. 3. 10 (GS 15).— Bayern:
B v. 26. 3. 02 (GBBl S 133, 144). — Sachsen: Kosten V
v. 22. 6. 00 (GBül 364). — Württemberg: BVv.
14. 11. 90 (Reg Bl 964), 1 Gemeindegerichte. — Baden:
B v. 16. 9. 79, 8. 10. 84 (GBl S 687, 400)0. — Hessen:
B v. 25. 1. 02 (Regßl 190. — Elsaß-Lothringen:
Gerichtskosten G v. 6. 12. 99.
Sie betreffen im wesentlichen (wenn auch nicht durchweg)
die Tätigkeit des R. in der freiwilligen Gerichtsbarkeit (7,
vor besonderen Gerichten, im Verw Streitverfahren (M und
Berw Strafverfahren, in Disziplinar- und Armenstreit-
sachen (X Armenwesenlj.
Eine besondere Regelung hat (1902) die Bertretung vor
den Landesversicherungsämtern in Bayern, Sachsen, Würt-
temberg, Baden erfahren.
8 7. Zusammenschluß und Standesfragen.
I. Schon lange vor der gesetzlichen Organisation
hatte die Anwaltschaft selbst den Versuch gemacht,
die Gesamtheit der R. eines Bezirks zur För-
derung der Rechtsbildung und der Standesin-
teressen zu vereinen. Diese Bemühungen gelang-
ten zwar zur Gründung einer Anzahl kleinerer
Vereine, zur Schaffung einer „Anwaltzeitung",
die als Wochenschrift zuerst 1844 in Heidelberg
als erste Standeszeitschrift erschien; auch Anwalts-
tage wurden einberufen (der erste im Juli 1844
nach Mainz, aus politischen Gründen von den
Regierungen vereitelt, der zweite im August 1846
in Hamburg, einige weitere von 1861 ab); alle
Versuche aber blieben ohne Nachwirkung und
Einfluß, bis 1871 der „Deutsche Anwaltsverein“
gegründet wurde. Seine Blüte begann erst mit
dem 1. 10. 79 (Inkrafttreten der Reichsjustizge-
setze und der R.Ordnung). Heut vereint der
deutsche Anwaltsverein den größten Teil der
deutschen R. zur Förderung der Rechtspflege und
Vertretung der Berufsinteressen. Alle 2 Jahre
während der Gerichtsferien findet ein „Anwalts-
tag“ statt. Die laufenden Geschäfte besorgt unter
Aufsicht des Vorstandes ein R. als vom Verein be-
soldeter Geschäftsleiter. Eine Versammlung von
Vertretern der Mitglieder jedes Landgerichtsbe-
zirks, die alljährlich einmal zusammentritt, faßt
in dringlichen Fällen Beschlüsse an Stelle des An-
waltstages und bereitet dessen Verhandlungen vor.
Als Organ des Deutschen Anwaltsvereins erscheint
seit 1871 die „Juristische Wochenschrift“ (JWy),
die sich eine auf die Anwaltschaft nicht beschränkte
Bedeutung errungen hat. Daneben erscheint, aus
privater Initiative hervorgegangen, seit 1904
die „Deutsche Rechtsanwaltszeitung“ in Mainz
mit besonderer Hervorhebung der wirtschaftlichen
Interessen.
Zur Behebung wirtschaftlicher Not hatten sich
eine Anzahl Vereine gegründet, die ihre Wirk-
samkeit aber nur auf einen kleinen Bezirk erstrecken
konnten. Erst nach der Errichtung des Deutschen
Anwaltsvereins gelang es im Jahre 1884 die „Hilfs-
kasse für Deutsche Rechtsanwälte“ mit dem Sitz
in Leipzig zu gründen. Der Verein zählt jetzt den
größeren Teil der deutschen Rechtsanwaltschaft
zu seinen Mitgliedern und ist vermöge eines aus
den Beiträgen aufgesammelten Kapitals, das
durch die Jahresbeiträge der Mitglieder und durch
Beihilfen der Anwaltskammern gestärkt wird, in
der Lage, den Zweck des Vereins zu verwirklichen:
erwerbsunfähig oder hilfsbedürftig gewordene
deutsche R. sowie deren Hinterbliebene zu unter-
stützen. Private Versicherungszwecke verfolgt die
als Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 1912
gegründete „Ruhegehalts-Witwen= und Waisen