Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
220 
Rechtshilfe (Ausland) 
  
richtlicher Verfügungen in Angelegenheiten der 
freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht geregelt ist, so 
entscheidet darüber, inwieweit Zwang vom er- 
suchten Gerichte angewendet werden kann, das 
Landesgesetz desjenigen Staates, in dessen Ge- 
biet die Handlung vorzunehmen ist. Es wird des- 
halb der Gerichtsvollzieher eines anderen Staates 
nicht direkt um solche Zwangshandlungen ersucht 
werden können. Auch die Frage, ob und inwie- 
weit Militär- und Pol Behörden den Ersuchen Ge- 
währung zu geben haben, ist nicht geregelt. Für 
eilige Amtshandlungen außerhalb des Bezirkes, 
welche bei Gefahr im Verzuge vorgenommen 
werden dürfen, kommen aus diesem Rechtsgebiete 
die Sicherung des Nachlasses und die Aufnahme 
des Inventars in Betracht. 
Im „Felde“, d. i. für die Dauer des mobilen 
Zustandes von Heer und Marine sowie für die 
Besatzung eines festen vom Feinde bedrohten 
Platzes (§+ 5 EG z. MtGO), sind beim Heere 
hinsichtlich der Militärpersonen des aktiven Heeres 
und der aktiven Marine mit gewissen diesen gleich- 
gestellten Offizieren usw. (5 1 Nr. 1, 6, 7, 8 
Möte)g die Kriegsgerichtsräte und die Ober- 
kriegsgerichtsräte für die Erledigung der Ersuchen 
um R. zuständig. Die Zuständigkeitsvorschriften 
des § 13 Ec z. MStGO kommen dabei zur An- 
wendung. Beschwerden werden im Aussichts- 
wege erledigt. Diese Bestimmungen gelten auch 
bei Ersuchen um R. in Strafsachen (88 1, 4 RG 
betr. FG##u. a. RA. in Heer und Marine v. 
28. 5. Ol, Rel 185). 
B. RNechtshilse gegenüber dem Auslande. 
4. Allgemeines. Die R. im Ausland [und 
für das Ausland regelt sich, soweit nicht die 
Konsulargerichtsbarkeit (Woder die Gerichtsbarkeit 
der Schutzgebiete (J] in Anspruch genommen wer- 
den kann, nach internationalen Staatsverträgen (J 
oder in Ermangelung solcher nach den Grund- 
sätzen des Völkerrechts, des internationalen Pri- 
vatrechts (1) und des Auslieferungsrechtes (Jl. 
Dabei ist Grundsatz, daß einem befreundeten 
Staate unter der Voraussetzung der Reziprozität, 
sofern nicht ein Fall der Retorsion (] gegeben. 
ist, dieienige R. gewährt wird, die im eigenen 
Lande nach den bestehenden Gesetzen zulässig ist. 
Das Deutsche Reich hat noch keine das ganze 
Gebiet der R. umfassenden Verträge mit an- 
deren Staaten abgeschlossen. Dagegen sind ein- 
zelne Seiten der Materie vertragsmäßig festge- 
legt und die weitere Regelung ist im Gange. 
Zu vier verschiedenen Malen (1893, 1894, 1900 
und zuletzt im Mai und Juni 1904) sind auf Ein- 
ladung der Niederländischen Regierung die Ver- 
treter der europäischen Staaten, mit Ausnahme 
Großbritannienus, der Türkei und Serbiens, im 
Haag zu Konferenzen zusammengetre- 
ten. Ihre Beratungen haben sich auf die für das 
internationale Privatrecht brennendsten Gebiete 
des Familien= und Erbrechts konzentriert. Sie 
erstreckten sich aber auch auf das Zivilprozeßrecht, 
insbesondere das Rechtshilfegebiet, und das 
Konkursrecht. Für den Zivilprozeß sind die 
Beschlüsse der zweiten Konferenz von 1894 in die 
Praxis umgesetzt worden durch das Abkommen 
v. 14. 11. 96 mit Zusatzprotokoll v. 22. 5. 97, 
ratifiziert 1899 (Rönl 1899, S 283, 295; Z3 9, 
  
453). Dieses Abkommen ist aber jetzt schon er- 
setzt durch eine von der vierten Konferenz vorbe- 
reitete Revision, die am 17. 7. 05 unterzeichnet 
wurde (RGBl 1909, 409 ff). Das Zivilprozeß- 
abkommen ist am 27. 4. 09 in Kraft getreten. 
Es gilt für die europäischen Gebiete von Deutsch- 
land, Oesterreich-Ungarn, Belgien, Dänemark, 
Frankreich, Italien, der Niederlande, Norwegen, 
Portugal, Rumänien, Rußland, Schweden für 
die Schweiz und Spanien. Es umfaßt sowohl 
den Bereich der streitigen wie der freiwilligen, 
der ordentlichen wie der außerordentlichen Ge- 
richtsbarkeit, sofern es sich um bürgerliche Rechts- 
sachen handelt. Maßgebend ist im Zweifelsfall 
der französische Text (deutsche Uebersetzung und 
Denkschrift der deutschen Regierung in Z 18, 
S 487, 578). Besondere Vereinbar- 
ungen zu dem Zivilprozeßabkommen hat das 
Deutsche Reich abgeschlossen mit den Nieder- 
landen, Luxemburg und Norwegen (RBl 1909, 
907 ff), seit 1. 9. Oy in Kraft, und einen Ver- 
trag mit Schweden (RGl 1910, 455), der 
seit 1. 3. 10 gilt. Weitere derartige Abkommen 
mit der Schweiz v. 7. 5. 10 (RG#l 674) sowie 
mit Oesterreich und Dänemark v. 3. 6. 10 
(RGBl 831), mit Frankreich v. 6. 4. 11 (Rl 161) 
sind gleichfalls schon in Geltung (8 21, 544). 
Zur Ausführung des Zivilprozeßab- 
kommens ist das R v. 5. 4. 09 (Rüöl 430) 
ergangen. Ein Verzeichnis der für den R. Ver- 
kehr im Geltungsbereich des Abkommens zustän- 
digen deutschen Konsuln und ihrer Amtsbezirke ist 
veröffentlicht im PrIMBl 1910, 212 (320, 317). 
Einen neuen Weg beschreitet der Vertrag des 
Reichs mit Bulgarien über Rechtsschutz und 
Rechtshilfe in bürgerlichen Angelegenheiten v. 29. 
9. 11 (R#Bl 13, 457). Er führt nach Aufhebung 
der Konsulargerichtsbarkeit dem Haager Prozeß- 
abkommen gleiche Bestimmungen durch Einzel- 
vertrag ein. 
Bogeng, Die Haager Abkommen über internationales 
Privat- und Zivilprozeß-Recht, 1908; Dove, Die vertrags. 
mäßige Fortbildung des internationalen Privatrechts durch 
die Haager Konventionen, 1909, Lebrecht, Haager 
Abkommen 1913, 7 Internat. Privatrecht #1 2. 
Soweit Reichsverträge nicht vorhanden sind 
oder soweit Widersprüche mit diesen nicht be- 
stehen, haben Verträge der Glied- 
staaten ihre Geltung ebenso wie die vom 
früheren Norddeutschen Bunde oder vom Zoll- 
verein abgeschlossenen Vereinbarungen. 
55. Rechtehilfe gegenüber dem Auslande in 
bürgerlichen Rechtesachen (abgesehen von Urteil 
und Vollstreckung). 
I. Die 83P0O verpflichtet Ausländer, die als 
Kläger auftreten, auf Verlangen des Beklagten 
Sicherheit für die Prozeßkosten 
zu leisten (&§ 110 8 PO). 7 Gerichskosten). Durch 
die Vorschrift, diese Verpflichtung solle u. a. nicht 
eintreten, wenn nach den Gesetzen des Staates, 
welchem der Kläger angehört, ein Deutscher im 
gleichen Falle zur Sicherheitsleistung nicht ver- 
pflichtet sei, wirkt diese Bestimmung auf die Stel- 
lung der Deutschen im Auslande. Kautionspflich- 
tig ist der die Klage Erhebende, auch Ausländern 
gegenüber (3 16, 353; 18, 110), nicht aber der be- 
klagte Ausländer, welcher ein Rechtsmittel ein- 
legt, auch nicht eine im Auslande domizilierende 
Handelsgesellschaft, deren sämtliche Mitglieder 
  
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.