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Rechtsweg und Kompetenzkonflikt (Reich und Preußen)
einandersetzungsbehörden (NI, den Gewerbegerich-
ten [N], den Kaufmannsgerichten IXI, den Schieds-
gerichten für Arbeiterversicherung, I7 Versiche-
rungsämters, dem preuß. Geheimen Justizrat
(5 Ec GBV0). Z
Soweit der RW im Gegensatz nicht zum Verw-
Weg, sondern zu der Zuständigkeit besonderer Ge-
richte steht, spricht man auch (vgl. 88 6, 28 Gew-
Ger G, Is 6, 16 Kaufm Ger G) von der „Zustän-
digkeit der ordentlichen Gerichte“ statt von der
Zulässigkeit des RW. Indes unterscheidet sich diese
Zuständigkeit von der in den ersten drei Titeln
der Zivilprozeßordnung behandelten Zuständig-
keit des Gerichts insofern, als dort nicht die Zu-
ständigkeit des angerufenen Gerichts (örtliche Z.)
oder der gewählten Art unter den ordentlichen
Gerichten (sachliche Z.) in Frage steht, sondern
die Zuständigkeit aller ordentlicher Gerichte
(5 274 Abs 2 Nr. 2 ZPO im Gegensatz zu Nr. 1
daselbst). Z
III. Außer der Unzuständigkeit des Gerichts
gibt es noch andere Hinderungsgründe
für die sachliche Entscheidung eines ordentlichen
Gerichts, welche von der Unzulässigkeit des RW
unterschieden werden müssen: Ist eine physische
oder juristische Person nach Völkerrecht der
inländischen Staatsgewalt nicht unterworfen, so
hat jede Betätigung der Gerichtsbarkeit eines
ordentlichen Gerichts gegen sie zu unterbleiben.
(JGerichtsverfassung II 201, ferner Förster-Kann,
ZPO lS3.) Das gleiche gilt von der Verweige-
rung der Gerichtsfolgschaft wegen eines bestehen-
den Schiedsvertrages. Nur die gesetz-
liche Versagung der gerichtlichen Entscheidung
ist unter der Unzulässigkeit des RW zu ver-
stehen, nicht die vereinbarte. Eine solche pri-
vate Ausschließung der ordentlichen Gerichtsbar-
keit ist aber, da öffentliches Recht von Privat-
personen nicht geändert werden kann, überhaupt
nur insoweit zulässig und wirksam, als sie gesetzlich
gestattet ist, nämlich wenn die Ausschließung ge-
mäß s# 1025 f 8 PO durch einen rechtsgültigen
Schiedsvertrag erfolgt. Auf gleichem Grunde
beruht es, daß die gesetzliche Ausschließung des
NW von Amts wegen vom Richter zu
berücksichtigen ist, sogar noch in der Revisions-
instanz, selbst wenn nur der Kläger ein Rechts-
mittel eingelegt hat.
IV. In zahlreichen Fällen ist der Rechtsweg
zeitlich beschränkt zugelassen, insbeson-
dere derart, daß zunächst eine andere Behörde
eine Entscheidung treffen muß und hiergegen —
nach Art eines Rechtsmittels — binnen einer be-
stimmten Frist Berufung auf den RW gestattet ist.
Beispiele bieten aus dem Reichsrecht & 41 Abs 3 Rayon G
v. 31. 12. 71 (XGBl 459), 1 150 Reichsbeamten G v. 31. 32.73/
18. 5.
(RGBl 73), 91 # Gew#v. 26. 7. 00 (NGBl. 871) —
aus dem preußischen Rechte 12 Gov. 24. 5. 61 (GS 241),
# 30 Enteignungs G v. 11. 6. 74 (GS 221).
Bei Versäumung der Frist ist also der RW für
unzulässig, nicht der Anspruch für unbegründet
zu erklären. Aehnlich, aber innerlich verschieden
sind die Fälle, in denen gegen die Entscheidung
einer Verw Behörde oder eines besonderen Ge-
richts ein eigentliches Rechtsmittel gegeben und
als Rechtsmittelinstanz ein ordentliches Gericht
bestellt ist; so bilden die Landgerichte die zweite
Instanz für die Gewerbe= und die Kaufmanns-
07 (Röl 245), #139 Strandungs L v. 17. 5. 74
gerichte [INI., das Reichsgericht höhere Instanz für
as Patentamt (J.1 und den Geheimen Justizrat
sowie dritte Instanz für die Auseinandersetzungs-
behörden [JI. In diesen Beziehungen liegt die
Tätigkeit der ordentlichen Gerichte außerhalb des
NW., sie bildet eine Fortsetzung der besonderen
oder der Verw Gerichtsbarkeit.
6 2. Zulässigkeit desn Rechtswegs allgemein.
I. Für die Entscheidung der Frage, ob im Ein-
zelfall der RW zulässig sei oder nicht, ist grund-
sätzlich maßgebend die Natur des An-
spruchs, so wie er vom Kläger geltend
gemacht wird. Nicht maßgebend ist also der
— zuweilen aus dem Klaganspruch nicht zu
erkennende — eigentliche Streitpunkt zwischen
den Parteien. Nicht maßgebend ist ferner die
Person der Parteien; also ist der RW nicht
ohne weiteres unzulässig, wenn eine Partei
eine öffentlichrechtliche Körperschaft ist. Uner-
heblich ist, was der Beklagte vorbringt. Ist
der vom Kläger als privatrechtlich dargestellte
Anspruch ein öffentlichrechtlicher, so bleibt der
RW zulässig, doch ist die Klage als unbegründet
abzuweisen. Ist der RW für den Klaganspruch
zulässig, so hat der ordentliche Richter auch über
diejenigen nur als Vorfragen für sein Ur-
teil in Betracht kommenden Punkte zu entscheiden,
über die der RW unzulässig wäre, wenn sie allein
zur richterlichen Beurteilung gebracht wären.
Denn allgemein ist jede Behörde, der eine Ent-
scheidung zusteht, auch zuständig zur Beantwor-
tung der dabei auftauchenden Vorfragen. Die
Anwendung dieses Satzes führt auch um des-
willen nicht zu Unzuträglichkeiten, weil die Vor-
entscheidungen als bloße Urteilsgründe an der
Rechtskraft nicht teilnehmen. Anders, wenn eine
Partei durch Erhebung der Feststellungsklage nach
8 280 3ZPO Rechtskraft für die Vorentscheidung
erwirken will.
Nur in vereinzelten, besonders normierten
Fällen muß der Richter in einem Zivilprozeß die
Entscheidung einer Vorfrage anderen Behörden
überlassen oder, wenn sie schon von der anderen
Behörde getroffen ist, diese Entscheidung für sich
maßgebend sein lassen.
Beispiele: 3 155 Reichsbeamten G, ## 40 Militär-Pen-
sions G v. 31. 5. 06 (Rul 565), 1 43 Militärversorgungs G
v. 31. 5. Oe (RGl 693), für Preußen 1 5 G v. 24. ö. 61
(GS 2411), 1 3 G v. 24. 2. 77 (GS 15).
II. Die Frage, ob im Einzelfall der RW zu-
lässig sei, läßt sich aus den Reichs-Justizgesetzen
von 1877 nicht bestimmt beantworten. Es heißt
dort nur: Vor die ordentlichen Gerichte gehören
alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten und Straf-
sachen, für welche nicht entweder die Zuständig-
keit von Verw Behörden oder Verw Gerichten be-
gründet ist oder reichsgesetzlich besondere Gerichte
bestellt oder zugelassen sind (§ 13 GVG). Wenn
man die Strafsachen außer Betracht läßt, könnte
man in diesem Satze eine reichsrechtliche Norm
für die Abgrenzung des RW finden. Bei näherer
Prüfung aber zeigt sich, daß der gesetzliche In-
halt des Satzes gering ist. Soviel ergibt sich aller-
dings als reichsrechtliche Norm, daß eine dop-
pelte Zuständigkeit ausgeschlossen sein soll: soweit
die Verw Behörden oder die Verwterichte oder
die besonderen Gerichte — nach Reichs= oder Lan-
desrecht — zuständig sind, ist für den ordentlichen
NRWW kein Raum, die beiden Zuständigkeiten schlie-