Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
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Rechtsweg und Kompetenzkonflikt (Reich und Preußen) 
  
Unterscheidung zwischen ordentlichem RW und 
RW im weiteren Sinne immer mehr an Be- 
deutung gewonnen. 
Die bezeichneten Grundlagen für das heutige preußische 
Recht über den RW gelten unmittelbar in den östlichen 
Provinzen und Westfalen; in die 1866 erworbenen Landes- 
teile sind sie durch die V v. 16. 9. 67 einge führt worden. 
Die Rheinprovinz dagegen nimmt eine Sonderstellung ein: 
im Anschluß an die Sätze des französischen Rechts, die von 
strenger Trennung der Gewalten, der Administration und 
der Justiz, ausgingen, ist am 20. 7. 1818 ein Staatsmini- 
sterialbeschluß ergangen, der als „Rheinisches Res- 
sort-Reglemenst" allgemein als die gesetzliche Grund- 
lage des Rechtes der Rheinprovinz über den RW angesehen 
wird. Er hat, nachdem inzwischen auch für die Rheinprovinz 
die G v. 1842, 1861 und 1883 ergangen sind, eine Abwei- 
chung vom altpreußischen Rechte nur auf dem Gebiete des 
Steuerrechts zur Folge. 
5 3. Zulässigkeit den Rechtswegs auf dem Ge- 
biete des Beamtenrechts. Das Verhältnis des 
Beamten (/] zum Staat oder zu der sonstigen 
öffentlichen Körperschaft, die ihn angestellt hat, 
gehört zum öffentlichen Rechte. Trotzdem hat 
man sich gewöhnt, die Ansprüche der Beamten 
vermögensrechtlicher Art, also insbesondere auf 
Gehalt und Pension, als die privatrechtliche Seite 
des Beamtenverhältnisses zu bezeichnen. Auch 
die Begründung des G v. 24. 5. 61 geht hiervon 
aus, und das Ech BGB trägt der Möglichkeit 
dieser Ansicht dadurch Rechnung, daß es die ver- 
mögensrechtlichen Ansprüche der Beamten, Geist- 
lichen und Lehrer in a 80 erwähnt. Das Recht 
Preußens — seit dem G v. 24. 5. 61 — und des 
Reichs geht dahin, daß vermögensrechtliche An- 
sprüche der Beamten im RW verfolgt werden 
können, allerdings mit gewissen Einschränkungen, 
die sich einmal auf die Zeit der gerichtlichen 
Geltendmachung und ferner auf gewisse Vorfragen 
aus dem Beamtenrecht beziehen (SIS 1f f Gv. 
24. 5. 61 und für das Reichsrecht die oben § 2 
IV angeführten Gesetze aus dem Beamtenrecht). 
Für die mittelbaren Beamten in Preußen hat 
man schon vor dem G v. 24. 5. 61, als noch für 
die unmittelbaren Beamten der NW über die 
vermögensrechtlichen Ansprüche durch das Pen- 
sions Regl v. 30. 4. 1825 und die Kab O v. 7. 7. 1830 
und 28. 10. 36 verschlossen war, den RW hierüber 
unbeschränkt zugelassen. Dem G v. 24. 5. 61 
nachgebildete, aber einschränkende Bestimmungen 
sind späterhin gegeben: 
a) für Lehrer an Gymnasien, Progymnasien, Roealschulen, 
Schullehrer- Seminarien, Taubstummen= und Blindenan- 
stalten, Kunst. und höheren Bürgerschulen, auch wenn es 
Kommunalbeamte sind, binsichtlich der Pension: 4 6 PensG 
v. 27. 3. 72 A IV, 651 G v. 25. 4. 90. b) Für Lehrer (71 und 
Lehrerinnen an Bolksschulen hinsichtlich der Pension: G v. 
6. 7. 85, und des Gehalts: G v. 3. 3. 97. c) Für die evan- 
gelischen Psarrer #o und deren Dinterbliebenen hinsichtlich 
des Gehalte: Gv. 2. 7. 98, des Ruhegehalts: G v. 15. 
3. S0, und der Hinterbliebenengelder: G v. 15. 7. 89. 
d) Für dic katholischen Pfarrer (7) hinsichtlich des Gehalts: 
Go. 2. 7. 08. 
Im übrigen muß die unbeschränkte Zulässigkeit 
des R für die vermögensrechtlichen Ansprüche 
der mittelbaren Beamten aus ihrem Dienstver- 
hältnis in Preußen als Regel gelten. 
Abgesehen von den rein vermögensrechtlichen 
Ansprüchen der Beamten ist auf dem Gebiete 
des Beamtenrechts der RW verschlossen. Dazu 
  
gehört indes nicht der Schadensersatzanspruch 
Dritter, der sich auf eine schuldhafte Amtshand- 
lung oder Unterlassung eines Beamten gründet. 
Für ihn ist grundsätzlich der RW offen: § 11 Abs 1 
EG GV, 85. 839, 89, 31 BGB, 577 ES BU, 
8 12 GBO, pr. G v. I. 8. 09, R v. 22. 5. 10. 
Für einen preußischen Beamten, der wegen 
einer von ihm erlassenen polizeilichen Verfü- 
gung (unten §& 4) belangt werden soll, ist jedoch 
Voraussetzung des RW, daß die Verfügung als 
gesetzwidrig oder unzulässig aufgehoben worden 
ist: §6 Gv. 11. 5. 42. Eine weitere bedeutsame 
Einschränkung des RW ergäöbe sich bei einem für 
den Beamten günstigen Ausgange eines Konflikts- 
verfahrens (JNII. 
Ueber den RW nach einem „Defektenbeschluß“ 
Defektenverfahren. 
§ 4. Zulässigkeit des Rechtswegs in bezug auf 
eine polizeiliche VZerfügung (NI. Durch das grund- 
legende G v. 11. 5. 42 (eine Umarbeitung der 
88 38 —40 V v. 26. 12. 1808) ist in Preußen ein 
Angriff auf eine polizeiliche Verfügung vom 
RW ausgeschlossen. Allerdings macht & 2 eine 
Ausnahme, die jedoch praktisch kaum in Betracht 
zu ziehen ist: der RW ist zulässig, wenn derjenige, 
dem durch eine polizeiliche Verfügung eine Ver- 
pflichtung auferlegt ist, behauptet, von dieser sein 
Privateigentum verletzenden Verpflichtung werde 
er durch eine besondere gesetzliche Vorschrift 
oder einen speziellen Rechtstitel befreit. 
Aber auch diese Ausnahme ist durch das Landes- 
verwaltungsgesetz (5+ 127 Abs 4) außer Kraft ge- 
setzt für das Gebiet, auf welchem dieses Gesetz 
gilt, nicht also z. B. für das Gebiet der Berg-, 
Eisenbahn-, Strom-, Kirchenpolizei. Dagegen sind 
Entschädigungsansprüche zum RW zugelassen 
in dreifacher Richtung: gegen denjenigen, zu dessen 
Gunsten die polizeiliche Verfügung erlassen ist 
(C+ 4 Gv. 11. 5. 42), oder gegen denjenigen, den 
der Kläger an seiner Statt für verpflichtet erklärt 
(5* 5), oder gegen den Pol Beamten, der die Ver- 
fügung erlassen hat. In den ersten beiden Fällen 
ist vorausgesetzt, daß der Kläger die polizeiliche 
Verfügung als solche unangefochten läßt, im 
dritten umgekehrt, daß sie zuvor als gesetzwidrig 
oder unzulässig aufgehoben ist (§& 6). Der erste 
der drei Fälle läßt sich auch verallgemeinern, so 
daß man, auch außerhalb des Bereichs der poli- 
zeilichen Verfügung, zu dem Grundsatz gelangt: 
Wo im Interesse des Gemeinwohls ein Eingriff 
in das Privatrecht des Einzelnen getan ist, weil 
dessen Sonderinteresse dem höheren Interesse 
weichen muß, da kann zwar der Geschädigte nicht 
den Eingriff selbst zum Gegenstand richterlicher 
Nachprüfung machen und nicht im RW Schadens- 
ersatz wegen des vermeintlich unberechtigten Ein- 
griffs fordern. Läßt er aber den Eingriff als 
gesetzmäßigen bestehen, so steht ihm, wenn nicht 
das Gegenteil gesetzlich festgelegt ist, der RW# 
frei zur Geltendmachung eines Anspruchs auf eine 
angeblich aus dem Gesetz abzuleitende Entschä- 
digung ['T1. 
* 5. Zulässigkeit in Steuersachen. 
I. Wiederholt, wenn auch nicht ausnahmslos, 
hat das Reichsgericht es als Satz des deutschen 
Rechts bezeichnet, daß ein Anspruch auf eine öffent- 
liche Abgabe oder auf Rückerstattung einer solchen, 
sofern Reichs= oder Landesgesetz nichts anderes 
sagen, zum RW zuzulassen sei, weil sich der An-
	        
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