Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Dritter Band. O bis Z. (3)

  
Rechtsweg und Kompetenzkonflikt (Württemberg) 
243 
  
D. Württemberg 
I. Rechtsweg. 5 1. Geschichte. Grundsätzliches. # 2. Lan- 
desgesetzgebung. — II. Kompetenzkonflikt # 3. 
I. Rechtsweg 
## 1. Geschichte, Grundsätzliches. Nach Maß- 
gabe der Bestimmungen der Vul v. 25. 9. 1819 
kam für die Geltendmachung eines verletzten sub- 
jektiven Rechts nur der Rechtsschutz im gesetzlich 
goordneten gerichtlichen Verfahren, der sog. 
echtsweg in Frage; versagte dieser, so war 
das bestrittene Recht der Entscheidung der Verw- 
Behörden, dem sog. Verwaltungsweg, 
anheimgegeben (5 95 V). Ein weiterer Schutz 
war übrigens auch hier durch den Rekurs an den 
Geheimen Rat (Vll ##60 Ziff. 1) für die Regel 
in den Fällen gegeben, in denen der Beschwerde- 
führer behauptete, daß er durch die Verfügung 
eines Ministers nach Maßgabe der Vorschriften des 
öffentlichen Rechts in einem ihm zustehenden 
Rechte verletzt sei. Jetzt ist auf Grund des Ge- 
setzes über die V R Pfl v. 16. 12. 76 der Gerichts- 
barkeit der ordentlichen Gerichte, der Zivilgerichts- 
barkeit, die Gerichtsbarkeit der Ver- 
waltungsgerichte (Kreisregierungen und 
VG#-h als gleichwertig zur Seite gestellt; es ist 
daher jetzt der KW, der Verwaltungs- 
rechtsweg und der VerwWeg zu unter- 
scheiden. Die subjektiven Berechti- 
gungen des öffentlichen Rechts 
sind landesgesetzlich im Streitfall den Verw Ge- 
richten zur Entscheidung überwiesen. Die ordent- 
lichen wie die Verw Gerichte haben in erster Linie 
selbständig über die Voraussetzungen ihrer Ge- 
richtsbarkeit, über die Zulässigkeit des RW oder 
VerwrW zu erkennen. KK zwischen den bürger- 
lichen Gerichten und den Verwerichten und zwi- 
schen den Verw Gerichten und den Verw Behörden 
werden von dem gemäß & 17 GV# eingesetzten 
Kompetenzgerichtshof nach den näheren Bestim- 
mungen des G v. 25. 8. 79 entschieden. 
Das Reichsrecht hat absichtlich eine Bestimmung 
des Begriffs der bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten. 
unterlassen und so die Feststellung dieses Begriffs 
der Wissenschaft anheimgegeben. Für die Gren- 
zen zwischen der Zivil- und Verw erichtsbarkeit 
ist nach den Lehren der Wissenschaft die rechtliche 
Natur der streitigen Ansprüche entscheidend: wer- 
den sie aus dem Privatrechte abgeleitet, so ge- 
hören sie vor die Zivilgerichte, wurzeln sie da- 
gegen im öffentlichen Recht, so sind die Verw- 
Gerichte zuständig. In einzelnen Zweifelfällen 
ist die Frage, ob ein Anspruch dem Privatrecht 
oder dem öffentlichen Recht angehört, unter Be- 
achtung der konkreten Verhältnisse, der maßgeben- 
den Vorschriften der Reichs= und Landesgesetze 
und der von der Wissenschaft gewonnenen Grund- 
sätze zu entscheiden. 
Die 3 PO, die in 5 274 Abfs 2 Ziff. 2 die Ein- 
rede der Unzulässigkeit des Rechts- 
wegs unter die prozeßhindernden Einreden 
einreiht, und mit ihr übereinstimmend das GV# 
5 17 haben die Frage der Zulässigkeit des RW 
zum Rang einer zwingenden Prozeßvorausset- 
zung im Sinne der modernen Theorie erhoben, 
die in jedem Stadium des Rechtsstreits von Amts 
wegen zu prüfen ist und eine unentbehrliche 
  
  
  
logische Voraussetzung für die Entscheidungsreife 
des Rechtsstreits bildet (RG Z 45, 381). Diese 
formale Anordnung schließt zugleich seitens der 
Gesetzgebung eine Anerkennung der grundsätzlichen 
Gleichberechtigung und Gleichwertigteit des Verw- 
RW in sich. Bestehen Zweifel über die praktische 
Tragweite und die dadurch bedingte rechtliche 
Natur eines Anspruchs, so sind die Wirkungen 
des beantragten Urteils nach der ihm gesetzlich 
zukommenden Rechtskraft ins Auge zu 
fassen. Soweit sich diese Wirkungen im Bereiche 
privatrechtlicher Verhältnisse bewegen, ist der R#W 
zulässig, soweit aber diese Wirkungen auf das 
Gebiet des öffentlichen Rechts übergreifen und 
hier für öffentliche Rechtsverhältnisse eine Norm 
eben würden, hat sich der Zivilrichter einer Ent- 
cheidung zu enthalten. 
Von diesem Gesichtspunkt aus begreift sich und 
begrenzt sich zugleich die Befugnis des Zivil- 
richters zur Entscheidung über öffentlich- 
rechtliche Verhältnisse. Diese Befug- 
nis steht ihm zu hinsichtlich der Präjudizial- 
punkte der sog. Elemente des Urteils, die einen 
Teil der Entscheidungsgründe bilden und von der 
Rechtskraft nach 8PO / 322 nicht mitumfaßt wer- 
den, sie ist ihm versagt hinsichtlich der den streitigen 
Anspruch entscheidenden, in Rechtskraft übergehen- 
den Disposition des Urteils. 
Obwohl schon die württemb. ZPO v. 3. 4. 68 
in a 344 Ziff. 1 die Einrede gegen die Zulässigkeit 
des RW als eine echte prozeßhindernde Einrede 
behandelt und bei abgesonderter Entscheidung über 
dieselbe in a 346 Abs 2 die sofortige Beschwerde 
gegeben hatte, auch im württemb. G v. 25. 8. 79 
die Möglichkeit negativer KK vorgesehen war, 
hat die Rechtsprechung des vormaligen Obertri- 
bunals, des ihm folgenden Oberlandesgerichts und 
des württemb. VG#H lange Zeit an der irrigen 
Auffassung festgehalten, daß das auf die Unzu- 
lässigkeit des RW bezügliche Parteivorbringen 
die materielle Begründung des geltend ge- 
machten Anspruchs betreffe und dieser daher bei 
seinem Zutreffen nicht wegen der Unzuständigkeit 
des angerufenen Gerichts, sondern als materiell 
unbegründet abzuweisen sei. Lebhafte Proteste 
von berufener Seite in Verbindung mit der kon- 
stanten Praxis des Reichsgerichts werden hier 
Wandel schaffen, zumal der Kompetenzgerichtshof 
in seiner neuesten Entsch v. 9./10. 6. 02 (württ. 
Jahrb. 14, 234), die richtige Ansicht vertritt: die 
Behauptung, der streitige Anspruch sei ein privat- 
rechtlicher, bilde nicht einen Bestandteil des Klage- 
grunds, sondern betreffe eine Prozeßvoraussetzung, 
die Zulässigkeit des RW; die Entscheidung, daß 
der streitige Anspruch kein privatrechtlicher sei, 
sei keine Sachentscheidung, sondern verneine nur 
eine Prozeßvoraussetzung, die Zulässigkeit des 
Rechtswegs. 
§+2. Landesgesetzgebung. Die württembergische 
Landesgesetzgebung hat es abgelehnt, „das Pro- 
blem einer prinzipiellen Grenzscheidung zwischen 
den Gegenständen der bürgerlichen und der 
Verwerichtsbarkeit (7|) zur gesetzlichen Lösung zu 
bringen und hat sich darauf beschränkt, für einzelne 
auf der Grenze liegende zweifelhafte Fälle Richt- 
linien zu geben. In dieser Richtung können drei 
Wege unterschieden werden: 
I. In Württemberg ist die Gleichwertigkeit der 
verwaltungsrichterlichen Rechtsprechung rückhalt- 
16
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.